Helmut Gern
Kennkartendoppel 1938/39, © Stadtarchiv München
*23.1.1917 in München; ✡1943 in Auschwitz
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Dr. jur. Artur Gern *27.8.1884 in Ludwigshafen; Rechtsanwalt in München und später Heimleiter des Lehrlingsheimes der Kultusgemeinde; ✡25.11.1941 in Kaunas
Mutter Elisabeth Ehrlich *31.12.1894 In Kaiserslautern; ✡25.11.1941 in Kaunas
Geschwister
Ernst Gern *6.2.1916; oo Edmee Hess; ✡9.3.1983 in Lausanne
Günther Karl Heinz Gern *14.11.1918 in München; ✡8.8.1943 in Auschwitz
Beruf –
Adressen München Schweiger Straße 2; Friedersdorf; Paderborn
Heirat ledig
Kinder –
Weiterer Lebensweg
April 1935 Bruder Ernst emigriert nach Lausanne
10.11.1938 Bruder Günter Gern verhaftet im Novemberpogrom,
„Schutzhaft“ in Dachau; Häftlingsnummer 19902
3.2.1939 Günter Gern entlassen aus dem KL Dachau
17.5.1939 bei den Eltern in München bei Minderheiten-Volkszählung
23.6.1939 Vertrag zwischen der RVJD und der Stadt Paderborn zur Errichtung des Umschulungs- und Einsatzlagers Paderborn, Grüner Weg 86
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung „Jüdisches Arbeitseinsatzlager Paderborn“
9.9.1941 Bruder Günter Gern ins Lager Paderborn aus dem Umschulungslager „Neue Feldschneidemühle“ in Eichow bei Krieschow, Cottbus, Arbeit für das Rittergut Eichow
20.11.41 Deportation der Eltern, Tante Elisabeth Einstein und zwei Kinder mit 998 Juden aus München und Augsburg nach Kauen, Kowno verschleppt; gefangen gehalten im Fort IX
25.11.1941 Tod der Eltern bei Massenerschießung im Fort IX in Kaunas
15.12.1941 Heirat des Bruders mit Ursula Cohen in Paderborn
17.2.1942 Helmut aus Neutrebbin nach Paderborn. Zuvor war er auch auf dem Hachschara-Gut Skaby in Friedersdorf
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Paderborn“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.
27.2.1943 die Pforte des Lagers Paderborn wird von Polizisten bewacht, um Fluchten zu verhindern
1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Paderborn; mit der Bahn nach Bielefeld; mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz
Erwin Angress berichtet:
„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht” ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“
2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager
3.3.1943 Ankunft und Selektion in Auschwitz; Ernst Michel berichtet:
„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“
Bruder Günther ins Lager aufgenommen zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, Häftlingsnummer 104925
Helmut und Ursula Gern vermutlich bereits an der Rampe zur Ermordung durch Gas aussortiert
8.8.1943 Tod des Bruders Günther in Auschwitz
Gedenken
27.12.1956 Pages of Testimony für Günther Gern, seinen Bruder Helmut und seine Eltern von seiner Tante Elsa Schauer
5.4.1990 Pages of Testimony für Ursula und Günther Gern von Paderborn-Chawer Alfred Ohnhaus
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de873544
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de873515
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de873501
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de901091
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de901186
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_wfn_43a.html
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998
https://collections.arolsen-archives.org/en/search/person/130429402?s=Gern%201918&t=532939&p=0
https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=13043