Siegfried Berger
*7.12.1922 in Flatow; ✡ 3.4.1943 in Auschwitz
Staatsangehörigkeit deutsch Auschwitz
Religion jüdisch
Vater Leo Berger *22.11.1883 in Zempelburg; ✡4.3.1943 in Auschwitz
Mutter Klara Casper
Onkel Julius Berger *22.9.1862 in Zempelburg; Baulöwe (heute Bilfinger-Berger) 16.5.1942
Geschwister –
Beruf –
Adressen Zempelburg; Paderborn; Bielefeld
Heirat ledig
Kinder –
Weiterer Lebensweg
17.5.1939 bei Minderheiten-Volkszählung
23.6.1939 Vertrag zwischen der RVJD und der Stadt Paderborn zur Errichtung des Umschulungs- und Einsatzlagers Paderborn, Grüner Weg 86;
3.11.1939 aus Berlin Weissensee von den Eltern kommend angemeldet im Lager Paderborn
Das Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Schlosshofstraße 73 a
1939 Nachdem zahlreiche, in Bielefeld lebende Jüdinnen und Juden in „Judenhäusern“ zwangseingewiesen wurden, schloss die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) mit den jeweiligen Städten Verträge zur Errichtung der Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Koblenzer Straße 4 und Paderborn, Grüner Weg 86;
Anfang September entstand für zunächst 36 Praktikanten ein Wohn- und Arbeitslager in der Koblenzer Straße 4 (heute: Artur-Ladebeck Straße 6). Das Haus beherbergte zuvor die Praxis des nach Holland geflüchteten Orthopäden Dr. med. Bernhard Mosberg.
23.3.1940 wegen der räumliche Enge Wechsel von 57 Bewohnern in das Lager in der Schloßhofstraße 73a, einem ehemaligen Gutshof.
Dort bestand auch eine Unterkunft für alte und kranke Jüdinnen und Juden („Siechenheim“) als Einrichtung der RVJD. Vom Lager aus wurden die Männer kolonnenweise bei den Straßen-, Tief- und Gleisbauarbeiten der Fa. Nebelung & Sohn eingesetzt.
1940 erfolgte ein Austausch männlicher Bewohner mit dem Umschulungslager Paderborn; die zionistischen Chawerim wechselten nach Paderborn und umgekehrt.
8.6.1940 Abmeldung in Paderborn
Allein am 9. und 10.Juni 1940 kommen zehn Paderborner in das Lager in der Schloßhofstraße 73a
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung „Jüdisches Arbeitseinsatzlager Bielefeld“
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Bielefeld“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.
27.2.1943 die Pforte des Lagers Paderborn wird von Polizisten bewacht, um Fluchten zu verhindern
1.3.1943 Leo Berger von Berlin nach Auschwitz, 31. Osttransport
1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Bielefeld; ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz
Erwin Angress berichtet:
„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“
2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager
3.3.1943 Ankunft und Selektion in Auschwitz; Ernst Michel berichtet:
„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“
Berger eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, auf LKW in die Quarantäneblöcke des „Arbeitslager Buna“ gebracht; Tätowierung der „nichtarischen“ Häftlinge, er bekommt die Auschwitz-Häftlingsnummer 105070 in den linken Unterarm tätowiert
Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943
„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“
Daniel Hoffmann berichtet von Bergers „Verschwinden“ und dem dadurch ausgelöstem langem Warten auf dem Appelplatz von Monowitz:
„Als mein Vater das erste Mal wegen eines fehlenden Häftlings eine endlos lange Zeit auf dem Appellplatz verbrachte, war sein Freund Siegfried Berger der Grund. Er war seit langem schwer erkältet. Zu dem hohen Fieber war möglicherweise eine Lungenentzündung hinzugekommen. An die sem Tag ging er (Berger) in eine Baubaracke, in der Zement gelagert wurde, legte sich dort hin und schlief wahrscheinlich erschöpft und fiebrig ein, so dass er das Kommando zum Rückmarsch versäumte. Er wurde noch am Abend gefunden. Bei Fluchtverdacht wurden Häftlinge üblicherweise im Lager am Galgen erhängt. Doch Siegfried wurde sofort nach Birkenau gebracht. Dort ist er umgebracht worden.“
3.4.1943 Tod in Auschwitz
Gedenken
–
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Auszug aus dem Hausbuch Schloßhofstraße des Einwohnermeldeamtes Bielefeld (Signatur: StArchBi, Bestand 104,3 Einwohnermeldeamt, Nr. 1547)
Daniel Hoffmann, Lebensspuren meines Vaters, Wallstein Verlag 2007
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1041779
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1041749
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998
www.80jahrepogrom.jgpb.de/erwin-angress/