Manfred Finger
*5.9.1921 in Essen; ✡ 23.2.1983 in Flushing NY
Staatsangehörigkeit polnisch
Religion jüdisch
Vater Hermann Finger *18.12.1891 in Czernowicz; ✡ 15.1.1979 in Miami Beach

Mutter Anna Fernbach *31.3.1899 in Essen; ✡ 28.7.1965 in Queens, New York
Großvater Leo Leiser Fernbach *1868; Tod vor 1945 in Polen
Cousins der Mutter aus Recklinghausen
Moses Fernbach *5.5.1893 in Felsberg; ✡ 7.1.1983 in Tel Aviv
Baruch Fernbach *19.2.1895 in Felsberg, Kassel; +2.3.1987 in Holon, Israel
Schwester
Ruth Finger*11.11.1919 in Essen; ✡23.8.2009 in Teaneck; oo Fritz Rosenwald (1915-1992)
Edmund Finger *1.11.1927; ✡Nov.1991 in New York;oo Phyllis Jäckel
Beruf –
Adressen Essen; Alt-Schermbeck; New York
Heirat 25.6.1950 in New York Miriam Lundin *15.11.1923 in Berlin; ✡ 5.1.2016
Kinder
Iris Finger
Tochter Finger; oo Cantos
Die Hachschara Bewegung
In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.
Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.
Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).
So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.
Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.
Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.
Haus Berta am Freudenberg bei Alt-Schermbeck
Auf Betreiben von Leo Gompertz, Vorsitzender der RjF-Ortsgruppe Gelsenkirchen entstand 1934 auf dem Heide und Waldgelände des Julius Goldschmidt eine Jugend und Ferienheim, Haus Berta, benannt nach der Mutter des Julius Goldschmidt. Die feierliche Eröffnung fand am 24.8.1934 im Beisein von reichsweiter RjF- und Rabbinats-Prominenz statt. Heimleiter wurde Dr. jur. Willi Stern, 1933 von den Nazis außer Dienst gestellter Amtsgerichtsrat aus Recklinghausen. Madrich für das erste Landsommerhalbjahr 1935 war Heinz Kahn (HaKa) aus Eschwege.
Die geistliche Betreuung übernahm der zuständige Bezirksrabbiner Dr. Selig Auerbach aus Recklinghausen: Edith Möller aus Hamburg war für d zuständig, Ruth Stamm für den Jugendsport und die Gymnastik. Die Beaufsichtigung der vom Ehepaar Leo und Rosa Auerbach geführten streng koscheren Küche war Aufgabe der von dem Hamburger Rabbiner Dr. Carlebach dazu empfohlenen Edith Möller aus Hamburg-Altona.
Vom 10.5.-31.10.1935 fand das bereits an einer Hachschara ausgerichtete erste Landhalbjahr statt; Madrich war Heinz Kahn (HaKa) aus Eschwege.
Als vermutlich bewusste Provokation wurde Haus Berta 1937 während eines wie immer besonders festlich begangenen Freitagabend-Gottesdienst zum jüdischen Schabbat von der Gestapo geschlossen.
Aus dem Lagebericht von 1937 der Staatspolizeidienststelle für den Regierungsbezirk Münster:
„Die polizeiliche Schließung des jüdischen Ferienhauses (…) hat nach dem vorliegenden Bericht des Landrats in Recklinghausen in der Bevölkerung lebhafte Befriedigung ausgelöst.“
Weiterer Lebensweg
Vater Hermann Finger, seit 1911 Architekt tätig,
1927 Eröffnung eines Architekturbüros in Essen; der Vater war u.a. mit der Planung und Bauleitung der von der Jüdischen Gemeinde Essen 1930-1931 errichteten Trauerhalle auf dem Parkfriedhof beauftragt.

Mai 1935 in das Ferienheim/ Umschichtungslager „Haus Berta“ am Freudenberg bei Alt-Schermbeck in Trägerschaft des Reichsbund jüdischer Frontsoldaten RjF

10.5.-31.10.1935 Manfred Finger Teilnehmer beim Ersten Landhalbjahr in „Haus Berta“
20.7.1938 Ausstellung des Visum für die Mutter und Geschwister in der US-Botschaft in Stuttgart
3.8.1938 Ausstellung des Visum für den Vater in der US-Botschaft in Stuttgart

2.-12.9.1938 mit der Mutter, Schwester Ruth und Bruder Edmund auf der SS SCYTHIA von Liverpool nach New York

Heimatkontakt Onkel Leo Finger (1887 -1939)

10.-20.9.1938 Vater Hermann auf der SS LACONIA von Liverpool nach New York
28.10.1938 Großvater Leiser wurde mit weiteren Mitgliedern der polnischen Familie Fernbach im Zuge der „Polenaktion“ Ende 1938 nach Polen ausgewiesen.
3.4.1950 Manfred erfasst mit den Eltern und Bruder Edmund in Brooklyn bei US Census
Gedenken
8.10.2020 Stolpersteine für Hermann, Anna und Ruth Finger sowie Großvater Leiser Fernbach in Essen in der Emmastraße 22
Die Nachfahren von Edmund und Manfred Finger wünschten keine Steine. Bei der Verlegung waren Verwandte aus Essen anwesend.

Liesel und Schwager Fritz Fred Rosenwald in Köln
Stolpersteine für Fritz Rosenwald und dessen Schwester Liesel in Köln, Antwerpener Straße 32
Grabstein für Manfred Finger auf den Cedar Park and Beth El Cemeteries, Paramus
Quellen
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 6215); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 6220); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85.
Volkszählung 1950 der Vereinigten Staaten – Manfred Finger
Weltweites jüdisches Bestattungsregister von JewishGen
https://archive.org/details/leogompertzcolle01gomp/page/n59/mode/1up?view=theater
http://www.holstina.de/history/hausberta.html