
Willi Samuel Steinmann
*29.9.1923 in Essen; ✡ 10.6.1987 Essen
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Karl Steinmann *26.4.1896 in Burgsteinfurt; ✡ 24.7.1942 Maly Trostinec
Mutter Rosalie „Resi“ Cohen *2.6.1899 (1896) in Bonn; ✡ 24.7.1942 Maly Trostinec
Großvater Moses Steinmann *14.4.1864 in Schöppingen; ✡14.3.1933 in Steinfurt
Großmutter Amalie Hirsch *31.1.1865 in Burgsteinfurt; ✡21.6.1938 in Dortmund
Onkel
Julius Steinmann *5.11.1888 Burgsteinfurt; ✡21.5.1943 Sobibor; oo Henriette van Gelder (*1901 in Hengelo, ✡1943)
Erich Steinmann *1.9.1898 in Burgsteinfurt; ✡11.12.1975 in Essen
Paul Steinmann *4.3.1901 in Burgsteinfurt; ✡24.11.1943 in Auschwitz
Willy Steinmann *18.5.1893 in Burgsteinfurt; ✡17.5.1915 in Souchez
Geschwister
Hannelore Steinmann *11.6.1936 in Burgsteinfurt; ✡24.7.1942 Maly Trostinec
Cousin
Otto Steinmann *25.3.1913 in Osterwick, Coesfeld; ✡ 23.3.1945 im KL Schwarzheide
Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant; Kraftfahrer
Adressen Essen; Köln, Jahnstraße 20;
Heiraten

22.1.1943 in Nehalal mit Betty Grünberg *23.9.1922 in Plauen

5.2.1947 Erna Guste Towa Stern *5.9.1928 in Essen; ✡18.9.1899
Kinder
Channa Steinmann *1947 in Petah Tikwa
Weiterer Lebensweg
Oktober 1907 Vater Karl und dessen Bruder Erich Schüler des Gymnasium Arnoldinum in Burgsteinfurt; hier waren zuvor auch die Onkel Julius und Paul Steinmann eingeschrieben.
Vater Karl vermutlich bis zum „Einjährigen“;
Vater Karl wie die Brüder Julius Willy und Erich Soldaten im Ersten Weltkrieg;
17.5.1915 Onkel Willy Steinmann kriegsgefallen infolge eines Kopfschusses als Musketier der 12. Kompagnie, II. Bataillon, Königlich Preußisches 7. Rheinisches Infanterie-Regiment Nr. 69 bei Souchez, Artois an der Aisne
Nach 1918 zieht Vater Karl nach Essen; später dort Abteilungsleiter im Kaufhaus Althoff
Umzug der Familie Karl Steinmann nach Bottrop
23.6.1930 von Bottrop nach Burgsteinfurt, Markt 13 (Haus der Großeltern)
14.3.1933 Tod des Großvaters Moses in Steinfurt
April 1933 Flucht der Familie Julius Steinmann nach Hengelo
1936 Bar Mitzwa von Willi Steinmann in der Synagoge von Burgsteinfurt unter Leitung des Kantors und Lehrers Hermann Emanuel
Der Prozess gegen Karl Steinmann
15.9.1937 Steinfurter Kreisblatt schreibt über zwei angebliche Erpresserbriefe, die Karl Steinmann an den Fabrikanten Alfred Wertheim und an den Borghorster Kaufmann Moritz Hertz geschrieben haben soll.
4.12.1937 Steinfurter Kreisblatt berichtet über den Prozess:
„Wegen versuchter Erpressung wurde gestern von dem zuständigen Gericht in Münster der Kaufmann Karl Steinmann […] zu 1 Jahr und 9 Monaten Gefängnis verurteilt.“
3. 12. 1937 trat Karl die Haftstrafe an, vermutlich in Bochum in der Krümmede
17.5.1939 Vater in Bochum (Gefängnis Krümmede) bei Minderheiten-Volkszählung
10.7.1939 nach Ende der Haftstrafe Umzug zur Familie nach Köln
19.11.1939 Postkarte von Vater Karl aus Köln, Jahnstraße 80 an seinen Bruder Erich in Shanghai
Schwester Hannelore in Holland
Ende Oktober/Anfang November 1937 Willi Steinmann bringt seine einjährige Schwester Hannelore mit dem Fahrrad heimlich über die Grenze nach Holland in ein Kloster (?).
1937-1941 ist die Schwester Hannelore in verschiedenen Einrichtungen für Flüchtlingskinder und in Pflegefamilien untergebracht, unter anderem 1939 bei Onkel Julius Steinmann in Hengelo, Deneboschweg 18
25.2.1941 Tochter Hannelore wird aus dem Kloster (Achterkloster?) in Holland nach Köln zurückgeholt
Landwerk Halbe
19.11.1937 Willi Steinmann zur Hachschara in das Landwerk Halbe
1919-1926 Landwerk Halbe Jüdische Mustersiedlung und Landerziehungsheim Halbe
1934-1938 Hachschara im Landwerk Halbe, Träger Makkabi (zionistisch) wie auch in Ahrensdorf und Freienstein
1935 will die Reichsvertretung der Juden in Deutschland das Anwesen des früheren jüdischen Siedlungsprojektes Halbe zurückkaufen und beauftragt damit den Diplomlandwirt Friedrich Perlstein; er schreibt dazu in einem Brief an Walter Peters vom 1. April 1967:
„Dieses Grundstück wurde von mir mit Hilfe der Reichsvertretung der Juden in Deutschland im Frühjahr 1935 angekauft und wurde auf meinen Namen im Grundbuch des Kreises Teltow, Mark, in Wendisch Buchholz eingetragen. (Zu dieser Zeit wurden Grundstücke im jüdischen öffentlichen Besitz als Erstes konfisziert und natürlich keine Genehmigung zum Ankauf von Gütern gegeben. So musste privater landwirtschaftlicher Grundbesitz gefunden werden, um jüd. landwirtschaftliche Ausbildungsstellen zu schaffen. Als Diplomlandwirt bekam ich die Genehmigung, den Grundbesitz in Halbe zu kaufen. Nach dem Ankauf stellte ich dieses Grundstück der Reichsvertretung zwecks landwirtschaftlicher Ausbildung zur Verfügung und unter dem Namen ‚Landwerk Halbe‘ begann die erste Ausbildungsstätte der ‚Mittleren Hachscharah‘.“

Friedrich Perlstein in einem Brief an das Ausgleichsamt des Kreises Bergstraße vom 7. 2. 1973
„Am 9. November 1938 erschienen Lastautos, gefüllt mit schwarz uniformierten Sturmtruppen. Sie stürmten in die Gebäude und befahlen uns hinter dem Gebäude anzutreten. Es war stock dunkel und wir wurden mit starken Scheinwerfern geblendet. Untermischt mit Schimpfwörtern wurde uns erklärt, dass wir erschossen würden, aber vor der Hinrichtung sollten wir zusehen, wie sie das ‚Judennest‘ vollständig zerstören würden. Sie stohlen, was sie für sich haben wollten und zertrümmerten alles was in bestialischer Weise zerstört werden konnte.
Zum Schluss gaben sie den Befehl das Landwerk Halbe zu verlassen und erklärten mit grausamen Drohungen, dass sie morgen zurückkommen würden, um sich zu versichern, dass ihr Befehl ausgeführt wurde. Dann bestiegen sie ihre Lastwagen und verschwanden in der Nacht. Das war das Ende des Landwerk Halbe.“

18.3.1939 Passausstellung in Köln, Wohnort Köln
Alija
3.4.1939 Alija von Willi Steinmann nach Haifa mit Studentenzertifikat der Jugendalija Kategorie B (III)
Willi Steinmann im Kibbuz Merchawia (südlich von Nazareth)
Eintritt in die Hagana, paramilitärische Untergrundorganisation
15.10.1942 Eintritt von Willi Steinmann in die Jewish Brigade der Royal Army
12.3.1943 Einbürgerung in Palästina zusammen mit der ersten Frau Betty Grünberg
Nach 1945 in Eindhoven stationiert
1945 Besuch in Burgsteinfurt; er findet dort keine überlebenden Familienmitglieder vor
1946 nach Entlassung aus der Armee Rückkehr nach Palästina
1948 Unabhängigkeitskrieg , Willi Steinmann betreut die provisorischen Zeltdörfer von Shoah-Flüchtigen nach Bombenangriffen mit Trinkwasser und Nahrung; Kennenlernen Erna Guste Towa Stern aus Essen (*1928), die mit ihrer Familie nach Palästina geflohen war.
Maly Trostinec
17.5.1939 Vater in Bochum (Gefängnis Krümmede) bei Minderheiten-Volkszählung
19.11.1939 Eltern in Köln, Jahnstraße 80
Nach dem Luftangriff auf Köln vom 31.5.42 wurden am 10.6. zur Freimachung von Wohnraum und Vorbereitung der Deportation mehrere Hundert Kölner Juden nur mit Handgepäck in die RAD-Lager von Niederbardenberg und Pley bei Aachen sowie Mausbach bei Stolberg gebracht. Im Anschluss an die beiden Deportationen vom 15.6. wurden die Lager Pley und Mausbach am 17.6. bzw. 18.6. geschlossen und die verbliebenen Bewohner nach Niederbardenberg überführt
272 jüdischen Bewohner des Lagers Niederbardenberg „umgesiedelt“
Anordnung der Gestapo Köln an die Landräte in Euskirchen, Bergheim, Siegburg, Gummersbach, Köln und Bergisch-Gladbach alle zu Deportierenden am 19.7.1942, 10-15 Uhr in das Sammellager Westhalle der Messehalle in Köln-Deutz zu verbringen; die Kölner Juden kamen aus dem Lagern Bardenberg, Müngersdorf und Much sowie den Judenhäusern. Die Eltern und Schwester Hannelore Steinmann gehörten zu den 272 Juden, die zuvor ins Lager Bardenberg eingewiesen worden waren.

„Wir kehren wieder“ sangen die Kleinen aus dem jüdischen Kinderheim.
20.7.1942 Abfahrt vom Nebenbahnhof Deutz in 3. Klasse-Personenwagen; auf dem Transport befanden sich 1164 Juden, darunter 118 Kinder im Alter unter zehn Jahren.
Die Opfer wurden zumeist im nahegelegenen Wald von Blagowschtschina und ab 1943 im Wald von Schaschkowka erschossen oder vergast, ohne zuvor im Lager selbst gewesen zu sein.
24.7.1942 Nach Ankunft wurde der gesamte Transport auf LKW zu einer, zuvor von russischen Kriegsgefangenen und Minsker Juden ausgehobenen, 40x5x4 Meter großen Grube im Wald von Blagowschtschina gefahren. SS-Leute und Polizisten erschossen alle direkt am Grubenrand.
24.7.1942 Tod der Eltern und Schwester Hannelore im Wald von Blagowschtschina
Nachkriegszeit
27.4.1964 Rückkehr nach Essen wegen Erkrankung der Ehefrau, bis zu ihrem Tode am 18.2.1999 die Fachklinik am Niederrhein (Psychiatrie Bedburg-Hau?) nicht mehr verlässt
1967 Rückkehr von Onkel Erich aus den USA. Er wohnt bis zu seinem Tode am 12.11.1978 bei seinem Neffen Willi in Essen
6.10.1987 Tod von Willi Steinmann in Essen
Gedenken
5.2.1999 Pages of Testimony für Karl, Rosalie und Hannelore Steinmann von Alex Salm
Stolpersteine für Karl, Rosalie und Hannelore Steinmann in Köln Sülz, Nikolausplatz 5
Quellen
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de975195
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de975185
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1679006
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de975204
http://www.joodsmonument.nl/en/page/133722/julius-steinmann
Willy Steinmann (born 29 September 1923)
Hannelore Steinmann (born 11 June 1936)
Karl Friedrich Herhaus, Gymnasium Arnoldinum in Burgsteinfurt 1853-1937
https://www.mappingthelives.org
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
Peter W. Lande, Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History
https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316