Ingeborg Inge Rosenthal
* 19.9.21 in Bielefeld; +18.10.1993 in Cincinatti
Staatsangehörigkeit deutsch, staatenlos
Vater Paul Rosenthal *26.3.1884 in Deutsch Krone; + 18.3.1942 zur Abschreckung erhängt in Riga
Mutter Berta Betty Stein *4.12.1888 in Löbau; +28.7.1944 in Riga
Cousins
Horst Schaul Hauptmann*23.6.1919 in Bielefeld; +31.10.1943 in Auschwitz o. Riga
Jakob Günter Stein *6.4.1925 in Bielefeld
Adressen Bielefeld; Cincinatti
Beruf Krankenschwester
Heirat 1945 in Manhattan Werner Friedemann *8.10.1911; +6.2.1970
Tochter lebt in USA
Weiterer Lebensweg
10.2.-22.2.1940 Werner Friedemann auf SS Volendam von Rotterdam nach New York
11.12.1941 durch örtliche Polizei in die Gaststätte Kyffhäuser am Kesselbrink verbracht
13.12.1941 Transport Bielefeld nach Skirotawa, Riga mit ihren Eltern, 9 weiteren Verwandten aus der Familie Stein und ihre Tante Rosa Hauptmann-Stein aus Bielefeld; bis auf Rosa kommen alle um.
15.12.1941 Ankunft Rangierbahnhof Skirotawa, Fußmarsch ins Ghetto Riga
18.3.1942 Vater Paul Rosenthal zur Abschreckung wegen Tauschhandel erhängt in Riga
Mitte 1943 schrittweise Auflösung des Ghettos Einrichtung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald und verschiedener Betriebslager mit lokaler Kasernierung
November 1943 im Armeebekleidungsamt ABA 701 in Mühlgraben, Kasernierung
Sommer 1944 Auflösung des KL Kaiserwald, Riga
Juli – September 1944 Transporte der Arbeitsfähigen aus Riga per Schiff nach Stutthof
28.7.1944 „Krebsbach-Aktion“ Selektion im ABA Mühlgraben, die Mutter wird nach Kaiserwald verschleppt
30.9.1944 Zwangsarbeiter des ABA 701 mit dem Frachtschiff „Sanga“ nach Liebau, Lettland
1.10.1944 Ankunft Liebau, SS-Sonderlager in Lettland, Arbeit im Hafen
22.12. 1944 schwerer russischer Bombenangriff auf die besetzte Stadt, 14 Lagerinhaftierte kommen um
19. 2. 1945 200 Häftlinge von Liebau auf einem mit Granaten- und Patronenhülsen beladenen Kohlefrachtschiff über die Ostsee erst Richtung Lübeck, wegen Bombenangriffen umgeleitet nach Hamburg
27.2.1945 Ankunft in Hamburg, von der Gestapo nach Fuhlsbüttel ins Polizeigefängnis gebracht
27.2.1945 – 11.4.1945 Polizeigefängnis Fuhlsbüttel „Kola-Fu“
12.-15.4.1945 86 km Fußmarsch nach Kiel, ins „Arbeitserziehungslager“ (AEL) „Nordmark“ in Hassee, Außenlager des KL Neuengamme in Kiel.
Rettungsaktion „Graf Bernadotte“ durch das Schwedische Rote Kreuz
Nach Verhandlungen des schwedischen Graf Bernadotte und Norbert Masur vom World Jewish Congress, Stockholm mit Heinrich Himmler nahe Berlin werden 168 jüdische Häftlinge und ihre Kinder nach Schweden freigelassen.
1.5.1945 mit weißen Bussen des Int. Roten Kreuz nach Pattburg, Dänemark, weiter mit dem Zug nach Kopenhagen, mit der Fähre nach Malmö; erste Quarantäne ca. 10 Tage
4.5.1945 Befreiung des AEL Nordmark Hassee durch britische „Royal Army“
13.5.1945 in Smålandsstenar, Schweden in Quarantäne
8.6.1945 Ausländerlager Holsbybrunn Schweden
Stockholm
7.11.-23.11.1945 auf der SS Tritonia von Göteborg nach New York
26.11.1945 Heiratserlaubnis in Manhattan erteilt
11.5.1964 erschütternde Zeugenaussage über ihre Erlebnisse in Riga vor dem deutschen Konsul in Cleveland/Ohio
„Mein Vater [Paul Rosenthal] und noch zwei Männer, wovon einer Klaus Becher hieß (aus Hannover), wurden in einen bunkerähnlichen Bau eingesperrt. Am 18. November 1942 wurden sie am Prager Platz erhängt und blieben zur Abschreckung drei Tage am Galgen hängen. […] Am 28. Juli 1944 mussten plötzlich alle Lagerinsassen heraustreten… Ich gehörte zu der einen Gruppe, meine Mutter [Betty Rosenthal, geb. Stein] zu der anderen, die abtransportiert wurde. Ich habe meine Mutter nie wiedergesehen.“ („Krebsbach-Aktion“)
1971 zusammen mit Emma Harf Zeugin der Anklage vor dem Landgericht Hamburg im Prozess gegen Oberwinder, Jahnke, Hemicker, Tuchel, Neumann & Draeger, verantwortliche Mitglieder von SS (Höhere SS und Polizeiführer HSSPF) und Ordnungspolizei
Zum Zeitpunkt der Anklage in Cincinnati, USA als Inge Friedemann lebend.
1973 verurteilt (lebenslang) wurde letztlich nur der für seine Bösartigkeit im Ghetto berüchtigte Otto Tuchel, Polizeiwachtmeister im Sicherheitsdienst
18.10.1993 Tod in Cincinatti
Beisetzung Jewish Cemetery, Evanston, Ohio, United States
Gedenken
Oktober 2020 Übergabe zweier aufgefundener Bibelbände aus dem Familienbesitz mit Notizen zu Familienereignissen an die Tochter; Provenienzforschung der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg; im Band 4, Sefer Bamidbar (Buch Numeri) finden sich ihre Geburtsdaten
Quellen
Bericht der Überlebenden Inge Rosenthal vor dem deutschen Konsul in Cleveland, Ohio, 11.5.1964
New York City Ehelizenz-Index 1908-1972
Andrej Andrick, Peter Klein, The final Solution in Riga Exploitation and Annihilation 1941-1944; 2012
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 6445); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 7029); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT411213_Bielefeld4.jpg
https://www.hfjs.eu/provenienzforschung/restitutionen-rosenthal.html
U.S. Sterbe-Verzeichnis der Sozialversicherung (SSDI)
Minninger, Monika, Joachim Meynert und Friedhelm Schäffer: Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld 1933-45. Eine Dokumentation jüdischer Einzelschicksale (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Bd. 4), Bielefeld 1985, S. 288-291.
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de954103
http://www.gelsenzentrum.de/vernehmung_heinrich_mueller_aba_701_riga.htm
Aufbau, Nach Schweden gerettet; Ausgabe vom 22.6.1945
Fritz Ostkämper, Carla Pins: „Man darf nicht denken & doch kann ich es nicht vergessen“ 2019
Bernd Philipsen, Fred Zimmak, Hrsg., Wir sollten leben, Novalis 2020
Dietlind Kautzky, Thomas Käpernick (Hrsg.), Mein Schicksal ist nur eins von Abertausenden VSA 2020