Simsche Simon Adolf Schönthal *13.1.1923 Marienhafe, Norden; ✡ 21.2.1965 in Hefez Chaim
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Adolf Abraham Schönthal *1.11.1885 in Osteel; ✡2.1.1934
Heirat der Eltern 17.3.1920 in Aurich
Mutter Frieda Feilchen Wolff *25.11.1888 in Aurich; ✡ 4.5.1942 in Kulmhof
Geschwister
Recha Schönthal *30.11.1921 in Norden; ✡ 4.5.1942 in Kulmhof
Norbert Schönthal *3.3.1925 in Norden
Willy Wolf Schönthal *6.3.1926 in Norden; ✡ 4.5.1942 in Kulmhof
Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant; Maler
Adressen Norden; Neuendorf
Heirat Sara Hirschberg *30.6.1921 in Frankfurt
Kinder
Abraham Jehuda Schönthal *4.8.1951; ✡26.8.2021
Weiterer Lebensweg
Acht Jahre Jüdische Volksschule
Mitglied der Gruppe Noar Agudati
17.5.1939 Bruder Willy mit Norbert Schönthal in Norden bei Minderheiten-Volkszählung
14.4.1939 zur Hachschara ins Landwerk Neuendorf im Sande. Der Gutshof gehörte jüdischen US-Bürgern, was ihn eine Zeitlang vor dem Zugriff des NS-Regimes schützte.
Mitglied der Gruppe Noar Agudati in Neuendorf; Leiter Joseph Schwarz
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung der noch bestehenden in „Jüdisches Arbeitseinsatzlager“
Mai bis September 1941 Auflösung der Hachscharalager Ahrensdorf, Jessen, Havelberg; Verlegung der Chaluzim in das Lehrgut Neuendorf im Sande; nur ein kleiner Teil darf noch im Landwerk arbeiten, die meisten werden zur Zwangsarbeit bei Unternehmen in Fürstenwalde verpflichtet.
2.4.1942 Verhaftung der älteren und der bereits bei der Gestapo zuvor auffällig gewordenen Chaluzim aus Neuendorf und Deportation auf Lastwagen in eine große Turnhalle nach Frankfurt/Oder
3.4.1942 Deportation dieser Neuendorf-Gruppe mit 1009 Personen nach Warschau
14.4.1942 die Chewrah Noar Agudati schreibt für ihren Madrich Joseph Schwarz ein tröstenden Brief nach dem Tod dessen Mutter (Simcha Schönthal 3. von unten)
Text in Iwrit: Der Ewige werde Dich im Kreise der anderen Trauenden Jerusalems trösten
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
31.3.1943 Die Belegschaftsliste des Landwerk Neuendorf enthält 96 Männer (drei abwesend) und 66 Frauennamen
7.4.1943 Zustellung der Transportlisten für Neuendorf
10. 4.1943 169 Chawerim aus Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager ehemaliges jüdisches Altenheim Große Hamburger Straße; in Berlin vom Transport zurückgestellt 16 Personen (Geltungsjuden, Juden aus privilegierten Mischehen etc.)
19.4.1943 auf dem 37. Osttransport als Teil der Fabrikaktion, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde.
Esther Bejarano erinnert sich:
„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“
Esther berichtet auch, dass viele alte und schwache Menschen diesen mehrere Tage dauernden Horrortrip in den Viehwaggons nicht überlebten. Ihre Leichen blieben die ganze Zeit in den Waggons.
Mit Esther saßen viele der Jugendlichen im Waggon, mit denen sie in Neuendorf zusammen war: Eli Heymann, Schimschon Bär, Schoschana Rosenthal, Miriam Edel, Anne Borinski, Hilde Grünbaum, Karla und Sylvia Wagenberg, Herbert Growald und noch viele andere.
20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:
„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“
Ihm wird die Auschwitz-Häftlingsnummer 116988 in den linken Unterarm tätowiert
15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten
18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge;
18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau
Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:
Sigmund Kalinski:
„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“
Isidor Philipp berichtet:
„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“
19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück
Isidor Philipp berichtet:
„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“
26.1.1945 Ankunft in Buchenwald; Block 51
Konzentrationslager Langenstein-Zwieberge, Tarnname Malachit
9.2.1945 Verlegung in das Buchenwald-Außenlager „Malachit“
In der gesamten Zeit seiner Existenz befanden sich über 7000 Häftlinge im Konzentrationslager Langenstein-Zwieberge. Ungefähr 2000 Tote waren bis zur Befreiung des Lagers durch Einheiten der 8. amerikanischen Panzerdivision am 11. April 1945 zu verzeichnen. Über 2500 Häftlinge starben auf dem „Todesmarsch“, auf den die gehfähigen Häftlinge des Lagers am 9. April 1945 geschickt worden waren und der diese über Quedlinburg, Aschersleben, Köthen, Bitterfeld, Prettin nach Wittenberg und in einigen Fällen bis nach Genthin führte. Unzählige Häftlinge starben nach ihrer Befreiung in den Krankenhäusern der Umgebung oder noch nach der Rückkehr in ihre Heimat an den Folgen ihres Aufenthaltes in diesem Konzentrationslager.
Nach der Befreiung im DP Camp Blankenese; hier in kieferchirurgischer Behandlung
Alija beth der SS LATRUN von Marseille nach Palästina
19.10.1946 Einschiffung in Marseille mit 1275 Ma’apilim auf der SS LATRUN (zuvor „San Dimitrio“)
29. 10.1946 wurde die San Dimitrio von einem britischen Seeaufklärer geortet. Am Tag darauf, nach Einbruch der Dunkelheit, wurde das Schiff von zwei Flugzeugen des britischen Zerstörers HMS Chivalrous umkreist. Da sich die San Dimitrio noch in internationalen Gewässern befand und unter der Flagge Panamas fuhr, versuchten die Briten nicht das Schiff zu entern. Mit bis zu 45° Schlagseite und starken Rollbewegungen setzte die San Dimitrio ihre Fahrt nach Haifa fort, ständig umkreist von der HMS Chivalrous und den beiden Minensuchbooten HMS Octavia und HMS Providence.
1.11.1946 Ankunft vor der Küste Palästinas
In den Küstengewässern Palästinas erfolgte dann der Zugriff der britischen Marine, indem zwei Schiffe die San Dimitrio einkeilten und zum Stoppen zwangen. Die Passagiere der San Dimitrio wehrten sich heftig, doch unter Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas erkämpften sich die britischen Soldaten den Zugang zur Kommandobrücke. In diesem Tumult gelang es mehreren Passagieren der SanDimitrio unbemerkt ins Wasser zu springen und ans Ufer zu schwimmen. Als weiterer Widerstand wurde die Antriebsmaschine der San Dimitrio sabotiert und der Dampf abgelassen, so dass das Schiff ohne eigenem Antrieb war. Unter der ständigen Furcht, das Schiff könnte kentern, wurde die San Dimitrio in den Hafen von Haifa geschleppt. Die Passagiere wurden auf die Deportationsschiffe Empire Haywood und Ocean Vigour gebracht und im Rahmen der Operation Igloo in das Internierungslager in Karaolos auf Zypern deportiert. (Bericht bei Wikipedia)
17.1.1947 Schreiben des Schwagers Moshe Hirschberg an den High Commissioner
6.2.1947 noch in Famagusta, Zypern, Freilassung in Aussicht
Familienschicksal
24.10.1941 Mutter und Geschwister ab Berlin ins Ghetto Lodz
4.5.1942 Mutter und Geschwister aus dem Ghetto Lodz in Vernichtungslager Kulmhof
Gedenken
13.1.2001 Pages of Testimony für die Mutter und Geschwister von Lina Gödecken
Grabstein für Simon Schönthal auf dem Hafetz Haim Cemetery
Quellen
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de968231
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de968264
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de968279
https://de.wikipedia.org/wiki/San_Dimitrio
Staatsarchiv Israel, Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947
BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/70708685
Harald Lordick, Das Landwerk Neuendorf: Berufsumschichtung – Hachschara – Zwangsarbeit; in Pilarczyk, Ulrike (Hrsg) Hachschara und Jugendalija, Schulmuseum Steinhorst, 2019
Lore Shelley (Editor), The Union Kommando in Auschwitz, Lanham, New York, London, 1996
Walter Keschner/Ze’ev Keschet, in: Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010
Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten
Harald Lordick, Landwerk Neuendorf in Brandenburg, in: Kalonymos, 2017, Heft 2
Esther Bejerano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989
Esther Bejerano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013
Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen
Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386
Video-Interview mit Issy Philipp 1994
Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015
Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013