Sara Graudenz geb Ratzer
*21.3.1921 in Fulda ; ✡ in Israel
Staatsangehörigkeit polnisch
Religion jüdisch
Vater Hersch Hermann Zwi Graudenz *18.1.1898 in Kalisz; ✡ 1942 in Kassel
Heirat der Eltern 27.8.1924 in Fulda
Mutter Mina Machla Ratzer *20.7.1888 in Kolomea; ✡ 28.12.1938 in Barcelona
Tante Cywia Graudenz geb. Graudenz *29.8.1871 in Kalish; ✡19.6.1943 in Theresienstadt
Geschwister
Samuel Itzchak Ratzer ab 1921 Graudenz *25.10.1916 in Köln; ✡6.10.2006 San Francisco
Max Graudenz *10.12.1918 in Fulda; ✡1930 in Berlin, Diphterie

Moritz Graudenz *1.11.1919 in Fulda; ✡1984 Hefzi Bah
Esther Graudenz *13.2.1924 in Fulda; ✡1995 in Tirat Zevi; oo Nathan Behrend
Bella Graudenz *24.4.1925 in Fulda
Miriam Mia Graudenz *31.12.1926 in Fulda; ✡in New York oo Melvin
Beruf landwirtschaftliche Praktikantin
Adressen Fulda; Steckelsdorf bei Rathenow im Landkreis Jerichow;
Heirat Sear; Grimshaw
Kinder –
Weiterer Lebensweg
1914 Umzug der Familie nach Fulda; Vater ist ständig auf Tour als polnischer Schauspieler und Sänger, die Mutter als Hausiererin
Die Geschwister werden auf Waisenhäuser und Pflegeeltern verteilt, Bruder Samuel kommt in das Waisenheim Dinslaken, die Schwestern Esther und Bella ins jüdische Waisenheim in Kassel, Gießbergstraße 7, die Brüder Max und Moritz in das Kinderheim AHAWA in Berlin, Miriam in eine Pflegefamilie in Fulda
9.4.34 Ankunft von Bruder Moritz in Haifa mit Studentenzertifikat Kategorie B(III)
Erste Polenaktion
28.10.1938 Sara, Mia und Cywia Graudenz, insgesamt 41 Juden mit polnischen Pass aus Fulda mit dem Bus an die polnische Grenz bei Schneidemühl gebracht;
30.10.1938 Rückkehr nach Fulda, da die Grenze geschlossen war,
28.10.1938 Bruder Samuel wird in Dinslaken verhaftet; ab Duisburg nach Zbaszyn deportiert; 1939 Hachschara nahe Minsk; 1939 nach der Besetzung Polen flüchtet er über Wilna nach Kaunas; dann über Moskau nach Wladiwostok und weiter nach Japan; von Japan nach Shanghai
Mutter flüchtet nach Marseille; Barcelona
17.5.1939 Sara Graudenz in Steckelsdorf bei Minderheiten-Volkszählung
17.5.1939 Esther und Bella Graudenz in Kassel bei Minderheiten-Volkszählung
17.5.1939 Mia Graudenz in Fulda bei Minderheiten-Volkszählung
Sommer 1939 Schwester Mia mit Kindertransport nach England
Das jüdische Umschulungslager Steckelsdorf-Ausbau
Sara Graudenz zur Hachschara in das jüdische Umschulungslager Landwerk Steckelsdorf-Ausbau bei Rathenow im Landkreis Jerichow II; Träger ist der Bachad, 1928 gegründete Jugendorganisation des orthodox-jüdischen Misrachi; das hebräische Akronym בָּחָ״ד BaChaD steht für Brit Chaluzim Datiim, deutsch ‚Bund religiöser Pioniere‘; Träger war zuletzt die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland RVJD. Das Anwesen gehörte als Jagdvilla einem Berliner Industriellen, der es einschließlich der dazugehörigen Gärtnerei 1936/37 seiner Jüdischen Gemeinde zur Einrichtung eines Erholungsheims schenkte.
Lagerleiter/Madrichim waren Sigmar Bromberger, Manfred und Schoschana Litten, Dr. Benjamin Abrahamson, Herbert Schönewald, Werner Hoffbauer, Friedrich Löwenthal, ab 1941 Kurt Silberpfennig
Madrichim 1939/40 Chaim Grosz, Joachim Lippmann und Richard Heymann
10.11.1938 Novemberpogrom in Steckelsdorf, am Abend wurde das Landwerk gestürmt und verwüstet. Alle männlichen Funktionsträger wie Betriebsleiter Werner Hoffbauer, Simon Berlinger, Adolf Frohmann, Friedrich Löwenthal und Herbert Schönewald verhaftet ins Polizeigefängnis Magdeburg und später als „Schutzhäftlinge“ nach Buchenwald gebracht.
21.11.1938 Entlassung der Steckelsdorf Madrichim Simon Berlinger, Adolf Frohmann, Friedrich Löwenthal und Herbert Schönewald aus dem KL Buchenwald
1939 Instandsetzung und Übernahme von Steckelsdorf durch die RVJD
1.9.1939 Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen
Alija Beth – Sonderhachschara VII – der Paraguay-Transport
16.8.1940 mit dem Zug aus Berlin, Bahnhof Friedrichstraße fahren 350 Jugendliche und 150 Eltern, deren Kinder bereits Palästina-Pioniere in Palästina waren, nach Wien mit dem Ziel über die Schwarzmeerroute nach Haifa zu kommen; Transportführer war Ephraim Frank
Zwei bis drei Wochen in Wien, in einer jüdischen Schule oder Lehrlingsheim
3. 9.1940 mit dem Zug von Wien nach Pressburg/ Bratislava an die Donau;
10.9.1940 zum Donauhafen von Bratislava; dort Verteilung der Chalutzim auf die drei Ausflugsdampfer URANUS, MELK und SCHÖNBRUNN
10.-20.9.1940 von Bratislava nach Tulcea am Schwarzen Meer;
Anfang Oktober 1940 werden 1000 Flüchtlinge auf die drei Schiffe SS PACIFIC, SS MILOS und SS ATLANTIC verteilt, Deutsche auf die PACIFIC, Tschechen auf die MILOS.
Zwischenstopp im Hafen Agios Nikolaos, Kreta, um Kohle aufzunehmen
31.10.1940 von britischer Marine aufgebracht und in den Hafen von Haifa geleitet
1.11.1940 Ankunft der SS PACIFIC in Haifa.
3.11.1940 Ankunft der tschechischen Emigranten auf der SS MILOS, die ebenfalls auf die PATRIA verbracht werden
4.11.1940 Alle Passagiere der SS PACIFIC werden auf die SS PATRIA umgeschifft, dem von den Briten beschlagnahmten, als Truppentransporter umgebauten, großen französischen Frachtschiff (18 000 t)
8.11.1940 Registrierung im Camp Atlith;
zunächst auch zur Deportation nach Mauritius vorgesehen
23. oder 24.11.1940 Ankunft der SS ATLANTIC in Haifa
25.11.1940 Sprengstoff-Anschlag der Haganah im Maschinenraum der SS PATRIA, zu diesem Zeitpunkt waren bereits 1771 Ma’apilim (illegale Immigranten) auf das Schiff gebracht.
Walter Steinitz, ebenfalls aus dem Umschulungslager Paderborn kommend, berichtet:
“ Am 25.November morgens um neun Uhr mussten alle auf die Reling, denn der Colonel hatte die Instruktion gegeben, aber um 9.12 Uhr hatte ein Kommando von 60-80 jungen Leuten ins Wasser zu springen, um die Engländer abzulenken, die mit kleinen Booten die Menschen auffischten. Zeitentsprechend zündete einer von uns eine Bombe, keine Zeitbombe, und ist mitgetötet worden. Es war der zweite Transportleiter – Hans Wendel. Niemand hatte von dieser Aktion gewußt – außer acht Leuten. Innerhalb von ein paar Minuten neigte sich das Schiff zur Seite. … Von den 4000 auf der SS PATRIA zusammengedrängten Menschen verloren etwa 260 ihr Leben.“ (ca 200 von 1771)
25.11.1940 Internierung in einer Lagerhalle im Hafen von Haifa; die von Bord gesprungenen werden in die Arrestzellen der Polizeiwache von Haifa; Serie von Verhören, insbesondere wenn sie von den Briten der Zugehörigkeit zur Haganah verdächtigt wurden.
26.11. und 8.12.1940 die Überlebenden der SS PATRIA werden mit Bussen in das Internierungscamp Atlith verbracht;
Dezember 1940 noch auf die Umladung wartenden 1581 Emigranten auf der MILOS und ATLANTIC werden als „Detainees“ mit holländischen Frachtschiffen nach Mauritius deportiert. Dort trafen sie am 26.12.1940 ein und wurden in das Zentralgefängnis von Mauritius nahe Beau Bassin verbracht.
1940 zunächst nur Freilassung kleiner Gruppen aus dem Camp Atlith, die eine Aufnahmeadresse in Palästina vorweisen können
September -Dezember 1941 Entlassung der meisten Internierten aus dem Camp Atlith

28.9.1941 Freilassung von Sara Graudenz aus dem Camp Atlith
12.8.1945 Es sollte noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dauern, bevor die 1.310 überlebenden Flüchtlinge aus Mauritius auf der SS FRANCONIA in das ersehnte Eretz Israel gebracht werden konnten.
Die Fluchtroute des Bruders Samuel
28.4.1938 abgeschoben nach Zbaszyn
1939 Hachschara nahe Minsk;
1.9.1939 nach der Besetzung Polen flüchtet er über Wilna nach Kaunas; dann über Moskau nach Wladiwostok und weiter nach Japan; von Japan nach Shanghai

21.1.1947 Bruder Samuel auf der SS GENERAL GORDON von Shanghai nach San Francisco
Gedenken
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Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Oral History Interview mit Rabbi Samuel Graudenz
https://collections.ushmm.org/search/?q=Fulda%20%28Germany%29&search_field=Subject
https://www.mappingthelives.org
https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=9969804
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten
Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947
Passenger Lists of Vessels Arriving at San Francisco, CA, 1893-1953 (National Archives Microfilm Publication M1410, roll 387, line number 28, record id 004894240_00554_27); Digital Folder Number 004894240, Image Number 00554
https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/13.pdf
Bettina L. Götze, Landwerk Steckelsdorf-Ausbau, in: Hachschara als Erinnerungsort.
<https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/13> [24.03.2024]
Ezra Ben Gershôm David. Aufzeichnungen eines Überlebenden, Evangelische Verlagsanstalt 1989
Joel König (Ezra Ben Gershom), Den Netzen entronnen, Vandenhoeck u. Ruprecht 1967
Bettina Götze, Rathenow, in: Irene Annemarie Diekmann (Hrsg.), Jüdisches Brandenburg. Verlag für Berlin-Brandenburg 2008. S. 304–328