De Lange Wilhelm

Wilhelm Willy de Lange

*23.11.1918 in Osnabrück; ✡29.10.1941 in Mauthausen

Staatsangehörigkeit deutsch, Staatenlos

Religion jüdisch

Vater Izaak de Lange *1872 in Raalte; ✡1941; offiziell 4.3.1945 in Enschede

Mutter Johanna Hanna Vogel

Großeltern Jacob de Lange und Elisabeth Lievendag

Halbgeschwister

(1.Ehe des Vaters am 3.5.1897 in Münster mit Hulda Mildenberg *3.5.1865 in Laer; ✡1914 in Osnabrück)

Siegfried de Lange* in Raalte

Bertha de Lange * 16.4.1899 in Raalte; ✡30.7.1899 in Laer

Hedwig de Lange* in Raalte

Jacob Salomon de Lange *29.11.1900 in Raalte; 15.12.1901 in Borne

Salomon Sally de Lange *7.11.1902 in Raalte; ✡8.10.1941 in Mauthausen; oo 1928 Hermine Erna Nagel (*13.9.1907 in Osnabrück; ev. Christin)

Kinder von Sally und Erna Sonja de Lange *1928; Gerd de Lange *1929

Grete de Lange*4.2.1906 in Raalte; ✡19.10.1942 in Auschwitz; oo Leo Weijl

Beruf Möbelschreiner

Adressen Osnabrück, Am Kirchenkamp 34 a; Barsingerhoorn; Enschede

Heirat ledig

Kinder

Weiterer Lebensweg

Januar 1935 Bruder Sally bekommt Hinweise, dass er kurz vor der Verhaftung in Osnabrück stand. Er flüchtet mit seinem Auto nach Münster und teilt seiner Frau Erna per Telefon mit, dass er in die Niederlande flüchte; sein Auto lässt er in Münster stehen.

April 1935 folgt seine Frau Erna mit den beiden Kindern nach Hengelo.

April 1935 Wilhelm de Lange abgemeldet in Osnabrück nach Barsingerhorn

6.6.1935 Wilhelm de Lange ins Werkdorp; Anmeldung in der Gemeinde Barsingerhorn

28.10.1935 soll er das Werkdorp bereits wieder verlassen haben

Januar 1936 Familie de Lange emigriert von Osnabrück in die Niederlande nach Enschede

 8.7.1937 Wilhelm de Lange aus Barsingerhoorn abgemeldet nach Enschede

In Enschede ist Willy Mitglied der Joodse Jeugdfederatie und des sozialistischen AJC (Arbeiders Jeugd Centrale)

10.5.1940 Überfall der Wehrmacht auf die neutralen Niederlande; Enschede ist wegen der Grenznähe die erste von den Deutschen besetzte Stadt; Einmarsch der Wehrmacht in Enschede

1940 Verbot des AJC, die Treffen finden nur noch heimlich statt

Die drei Mauthausen Razzien 1941 in den Niederlanden

Alle bei den drei Razzien als „Vergeltungsaktion“ verhafteten Juden wurden zur „Sonderbehandlung“ Mauthausen deportiert. Die Einweisung in das als Stufe III kategorisierte Lager Mauthausen bedeutete dabei faktisch eine Verurteilung zur „Vernichtung durch Arbeit“ im dortigen Steinbruch.

(Laut Erlass von Reinhard Heydrich: „Stufe III: Für schwer belastete, insbesondere auch gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, d. h. kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge, das Lager: Mauthausen.“)

In Mauthausen werden sie durch extrem harte Arbeit im Steinbruch, oftmals tödliche medizinische Experimente und Giftinjektionen ermordet.

Die erste große Razzia in Amsterdam – Februari Groep

22. und 23. Februar 1941 erste Razzia der die Sicherheitspolizei in Amsterdam, bei der 600 Mann bewaffneter deutscher Ordnungspolizei (Grüne Polizei) und SS-Männern 425 jüdische Männer verhafteten.

28.2.1941 387 Männer von Alkmaar zur „Sonderbehandlung“ in das KL Buchenwald transportiert

22.5.1941 die 341 Juden „Februari Groep“ werden zur „Sonderbehandlung“ in das als Stufe III kategorisierte KL Mauthausen verlegt mit dem Ziel der Vernichtung der Häftlinge durch Arbeit.

(Stufe III: Für schwer belastete, insbesondere auch gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, d. h. kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge, das Lager: Mauthausen).

In Folge der Razzien und der raschen Ermordung der Verschleppten in Mauthausen, hieß das KL in den Niederlanden zu Recht „Mordhausen“.

Die zweite große Razzia in Amsterdam – „Juni – Groep“

14.5.1941 Bombenexplosion im Marine-Offiziersclub Amsterdam auf der Bernard Zweerskade ist Anlass für Verhaftungswelle

Juni 1941 Zweite große Razzia in Amsterdam;

11.6.1941 „Vergeltungsmaßnahme“ 300 vorwiegend Jugendliche, davon 61 „Werkdorper“ im Durchgangslager Schoorl inhaftiert; von ihnen werden vier, die keine vier jüdischen Großeltern haben, freigelassen.

22.6.1941 Deportation der 296 in Schoorl Inhaftierten in das KL Mauthausen; keiner überlebt das Jahr 1941

September Razzia in Twente

Im Sommer 1941 und am 12.9.1941, dem Vortag der Razzia in Twente verübte der örtliche Widerstand Sabotageakte, Telefonkabel der Wehrmacht wurden durchtrennt. Die Besatzer reagierten zunächst mit der Androhung von Repressalien, sollten sich die Täter nicht melden.

13./14. September 1941 bei der Razzia in Twente werden die Brüder Wilhelm und Sally de Lange festgenommen und im Lyceum von Enschede eingesperrt (auf einer Nachkriegsliste werden 105 Männer genannt, das Netzwerk „Oorlogsbronnen“ listet 107 auf).

Die Festnahmen erfolgten in: Enschede (66), Hengelo (10), Almelo (10), Oldenzaal (8), Denekamp (3), Goor (3), Delden (2), Haaksbergen (2), Borne (1).

8.10.1941 Offizielles Todesdatum für Bruder Salomon in Mauthausen, „Collaps, Gehirnschlag“

29.10.1941 Offizielles Todesdatum für Wilhelm de Lange in Mauthausen

Eugen Kogon berichte unter Berufung auf die Mauthausen-Häftlinge Adam Kuczynski und Ludwig Neumaier:

„Am zweiten Tag nach Ihrer Ankunft wurden die Juden in den Steinbruch gejagt. Sie durften die 148 Stufen, die in die Tiefe führten, nicht hinuntergehen, sondern mussten im seitlichen Steingeröll hinunterrutschen, was vielen bereits den Tod oder zumindest schwere Verletzungen eintrug. Man legte Ihnen dann die zum Steintragen bestimmten Bretter über die Schultern, und zwei Häftlinge wurden gezwungen, jedem Juden einen überschweren Stein auf das Brett zu heben. Dann ging es im Laufschritt die 148 Stufen aufwärts! Zum Teil fielen die Steine gleich nach hinten, so dass manchem Nachfolgenden die Füße abgeschlagen wurden. Jeder Jude, dem der Stein herunterfiel, wurde entsetzlich geschlagen, der Stein von neuem aufgeladen. Vielen verübten aus Verzweiflung gleich am ersten Tage Selbstmord, indem Sie sich von oben in die Tiefe stürzten. Am dritten Tag öffnete die SS ‘das Todestor’: man trieb die Juden unter furchtbaren Prügeln über die Postenkette, wo sie von den Turmposten mit den Maschinengewehren haufenweise niedergeschossen werden. Tags darauf sprang jeweils nicht mehr bloß einer der Juden in die Tiefe, sondern sie gaben einander die Hand, und der erste zog neun bis zwölf Kameraden hinter sich her in den schrecklichen Tod. Es dauerte nicht sechs, sondern knapp drei Wochen und der Block war judenleer.“

Keiner der insgesamt 744 Juden aus den drei Straftransporten hat die mörderischen Bedingungen im Steinbruch und ärztliche Experimente in Mauthausen länger als 10 Monate überlebt, der letzte – David Zilverberg aus der „Februari Groep“ – starb am 5.2.1942.

28.10.1941 Tod von Wilhem de Lange in Mauthausen

Todesdatum, Todesort und Ursache  der beiden Brüder sind aber keineswegs gesichert, da nachweislich bei über 3794 Mauthausen Häftlingen gefälschte Sterbeurkunden ausgestellt wurden, um die Angehörigen darüber hinwegzutäuschen, dass diese der Häftlingseuthanasie in Schloss Hartheim zum Opfer gefallen waren.

Häftlingseuthanasie in Schloss Hartheim – Code 14f13

Die nicht arbeitsfähigen und kranken Häftlinge im KL Mauthausen wurden durch Selektion zum Tode verurteilt: sie wurden in Bussen der Reichspost in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim verbracht und dort unmittelbar nach Ankunft durch CO-Gas erstickt; von der „Februari Groep“ waren dies mindestens 108 Männer (vermutlich aber 150, jeder zweite oder dritte!).

Groep Overduin

Nach der Twente Razzia nahm die Bereitschaft der christlichen Bevölkerung zu helfen deutlich zu. Leendert Overduin (1900–1976), ein Prediger der Gereformeerde Kerken in Hersteld Verband, einer kleinen reformierten Kirche, konnte 50 mutige Menschen um sich scharen, die bereit waren, Juden als „onderduiker“ auf Bauernhöfen der Umgebung zu verstecken.

So konnten um die 1000 Juden aus der Region untertauchen. 500 der rund 1300 Juden, die 1940 in Enschede lebten, erlebten als „onderduiker“ ihre Befreiung.

1941 Suizid des Vaters Isaak; sein Tod wird den Behörden verschwiegen, die Leiche im Twente Kanal versenkt.

Gedenken

2010 Stolpersteine für Wilhelm, Bruder Salomon und ihren Vater Isaak in Osnabrück, Am Kirchenkamp 34 a und Wüstenstraße 18

Quellen

https://geo.osnabrueck.de/allgemein/PDF/Stolpersteine_Pressespiegel/2010-04-03_Der_verzweifelte_Vater_nahm_sich_das_Leben.pdf

Niederlande, Bevölkerungsregister, 1810-1936; Regionaal Archief Alkmaar

Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Sterberegister 1874-1938

Deutschland, Hessisches Sterberegister, 1850-1958 – Salomon De Lange

https://www.joodsmonument.nl/en/page/657066/wilhelm-de-lange

https://acrobat.adobe.com/id/urn:aaid:sc:EU:3788160f-e50b-425a-b9a8-a092142001f1

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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