Hartog Gert

Gert Bruno Hartog

*19.7.1924 in Berlin; ✡ 26.4.1945 KL Mauthausen

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Paul David Soriel Hartog *15.6.1893 in Berlin; ✡ 1943 in Auschwitz

Heirat der Eltern 21.10.1914 in Willesden London

Mutter Erna Kaufmann *25.3.1897 in Bamberg; Vertreterin (soll in die USA emigriert sein)

Geschwister

Beruf Landarbeiter

Adressen Berlin, Rombergstraße 11 /Mendelsohnstraße

Heirat ledig

Kinder

Weiterer Lebensweg

Ostern 1930-1.12.1938 acht Jahre Volksschule

17.5.1939 in Berlin, Prenzlauer Berg mit dem Vater bei Minderheiten-Volkszählung

23.6.1939 Vertrag zwischen der RVJD und der Stadt Paderborn zur Errichtung des Umschulungs- und Einsatzlagers Paderborn, Grüner Weg 86; vom Hechaluz wird eine „Aufbaugruppe nach Paderborn geschickt

1939 zunächst zur Hachschara auf Hof Wecker in Rüdnitz an der Bahnlinie Berlin–Eberswalde, das erste Vorbereitungszentrum für die Aliyah-Jugendlichen.

Danach Wechsel ins Landwerk Ahrensdorf bei Trebbin

5.7.1941 behördliche Anordnung zur reichsweiten Auflösung der Hachschara-Lager auch Ahrensdorf

8.1.1942 aus Ahrensdorf angemeldet im „Jü­di­schen Ar­beits­ein­satz­lager Paderborn“, mit einer Gruppe- u.a. auch seine Freunde Ernst Michel, Jürgen Löwenstein, Ruth Mischliburski – die nach Auflösung von Ahrensdorf noch abschließende Aufräumarbeiten erledigen mussten.

In Paderborn zusammen mit Ernst Michel bei Reinigungsarbeiten in der städtischen Kanalisation fast an Exkrementen erstickt.

„Erinnerst du dich, als wir in den Kanälen festsaßen und uns eine Ladung Exkremente beinahe ertränkte?“

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

19.2.1943 Vater mit Transport 29 von Berlin nach Auschwitz

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Paderborn“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.

27.2.1943 die Pforte des Lagers Paderborn wird von Polizisten bewacht, um Fluchten zu verhindern

1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Paderborn; mit der Bahn nach Bielefeld; mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz

Erwin Angress berichtet:

„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht” ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“

2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager. Ernst Michel berichtet über den Transport:

„‘Bismarkhütte!‘ Gerd gab das von seinem Aussichtsposten bekannt.“

3.3.1943 Ankunft und Selektion an der Rampe in Auschwitz; Ernst Michel berichtet:

„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“

Ernst Michel berichtet über den SS-Offizier bei der Selektion an der Rampe in Auschwitz:

„‘Wie alt?‘ Er schaute mich kurz an. ‚Zwanzig.‘ In noch nicht einmal einer Sekunde hob er den Daumen. ‚Rechts.‘ Ich folgte der rechten Kolonne, nicht wissend, dass mir in dieser halben Sekunde eine Überlebenschance gegeben worden war. Gert war hinter mir. ‘Einunzwanzig.‘ Daumen hoch. ‚Rechts.‘ ‚Vierundvierzig.‘ Daumen nach unten. ‚Links.‘ “

Hartog wird ins Lager eingewiesen zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, Häftlingsnummer 104942

Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943

„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“

15.1.1945 Gert in Auschwitz III Monowitz, zuletzt als Kapo tätig, besucht seinen Freund Ernst Michel im Häftlingskrankenbau (HKB):

„Gerd, der als Kapo gewisse Privilegien genoss, besuchte mich im KB. ‚Ernst, es ist wahr, sie (die Rote Armee) haben die Linien durchbrochen. In einer Woche sind wir entweder tot oder frei. Der leitende Ingenieur im Buna-Werk hat mir gesagt, er habe es im Rundfunk gehört.‘ Er legte seine Hand auf meine Schulter. ‚Wir schaffen es! Ja!‘ „

15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner  30 km aus dem Osten

18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge;

18.1.1945 Todesmarsch über 80 km von Auschwitz nach Gleiwitz; Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

19.1.1945 Weitermarsch von Nikolai nach Gleiwitz.

19. – 23.1.1945 Ankunft der Marschkolonnen in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Sachsenhausen, Buchenwald, Ravensbrück

„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“

29.1.1945 Ankunft im KL Sachsenhausen

13.2.1945 „überstellt“ ins KL Mauthausen

17.2.1945 Ankunft im KL Mauthausen

Bis zum 3.3. zwei Wochen in Quarantäne im KL Mauthausen;

Im Sanitätslager von Mauthausen wegen allgemeinem Körperverfall und Schwäche und dort verstorben

26.4.1945 Tod im KL Mauthausen

Gedenken

5.4.1990 Page of Testimony von Paderborn-Chawer Alfred Ohnhaus

1.8.2016 Page of Testimony von Susanne Reber

Quellen

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de833637

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1080481

https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/130831956?s=Hartog%201924&t=1108124&p=1

Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7

Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013

Susanne Reber, Biografie Gert Hartog, 2015, hinterlegt bei Yad Vashem

Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998

https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=14114610&ind=2

https://www.statistik-des-holocaust.de/OT430302-Paderborn2.jpg

https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_ber_ot29.html

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert