Siegfried Heinz Putziger
*3.3.1922 in Groß Drensen; ✡ ? in Chile
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Philipp Putziger *8.5.1891 in Putzig (Puck bei Danzig); ✡1943 in Auschwitz
Mutter Lilly Tichauer *5.3.1900 in Lublinitz; ✡ 1943 in Auschwitz
Onkel Sigmund Putziger *23.10.1885 in Putzig; ✡21.3.1942 in Bernburg; oo Rosalie Jacob (*27.3.1992)
Tante Anna Putziger *8.5.1891 in Putzig; ✡✡nach 1942 im Ghetto Warschau
Schwester
Gisela Putziger *23.9.1923 in Groß Drensen; ✡ 1943 in Auschwitz
Cousins aus Putzig
Meinhard Putziger *5.11.1922 in Putzig; Radinkendorf; ✡nach 1942 im Ghetto Warschau
Hans Joachim Putziger *20.2.1926 in Putzig; Radinkendorf; ✡nach 1942 im Ghetto Warschau
Johanna Dorothea Putziger *9.12.1932 in Schönlanke; ✡nach 1942 im Ghetto Warschau
Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant; Architekt
Adressen Groß Drensen; Hannover Ahlem; Neuendorf
Heirat zwischen 1947 und 1959
Kinder unbekannt
Weiterer Lebensweg
Häufige Umzüge des Vaters/der Eltern
14. 7.1909 bis 2.4.1910 in Mannheim, Luisenstraße 5
1.7.1910 bis 1.9.1910 in Mannheim, Luisenstraße 5
1.9.1910 bis 15.1.1911 Mannheim Hauptstraße 78
1.10.1913 bis 1.2.1914 Erfurt Lindenstraße 21
1.2.1914 bis 1.2.1920 Zuzug aus Straßburg nach Mannheim, Hauptstraße 110 von,
1.2.1920 Wegzug nach Putzig bei Schönlanke
1928-1936 Acht Jahre deutsche Volksschule
Juni 1938 Onkel Sigmund verhaftet in der ASR-Aktion „Arbeitsscheu“, „Schutzhaft“ im KL Buchenwald
10.11.1938 Vater verhaftet im Novemberpogrom, „Schutzhaft“ im KL Buchenwald
21.4.1939 Entlassung des Vaters aus dem KL Buchenwald mit der Auflage, Deutschland zu verlassen
Die Deportation der Juden aus Stettin und Schneidemühl am 13.2.und 21.2.1940
17.5.1939 Eltern, Onkel Sigmund, Tante Anna sowie Hans und Dorothee Putziger in einem Haushalt in Schönlanke bei Minderheiten-Volkszählung
Februar 1940 Eltern und Familie aus Schönlanke in das provisorische Gefängnis in Schneidemühl
21.2.1940 Deportation der Eltern und Familie Putziger aus Schneidemühl in das am 1.4.40 neu eröffnete „Jüdische Arbeitsheim“ Radinkendorf bei Beeskow, das viele der 1940 aus dem Regierungsbezirk Schneidemühl ausgewiesenen Juden aufnehmen musste.
Eine für das RSHA erstellte Liste vom 9.4.1940 beschreibt die Räumung des Bezirks Schneidemühl:
„Am 21. Februar 1940 wurden die im Regierungsbezirk Schneidemühl wohnhaften Juden im Ort Schneidemühl gesammelt und im Gemeindehaus sowie in der jüdischen Leichenhalle notdürftig untergebracht. Es handelte sich um insgesamt 544 Personen. Am 22. Februar wurden 104 Personen nach Neuendorf überführt. Von diesen kamen zum Forsteinsatz 25 Personen, in Heime und Pflegeanstalten 16 Kinder, ins Krankenhaus 3 Kinder, ins Altersheim Friedenstr. 15 Personen, ins Siechenheim Lichterfelde 2 Personen, in die Sammelpflegestelle Elsasserstrasse 3 Personen; in Neuendorf befinden sich 40 Personen. Am 27. Februar wurden mit einem Krankentransport 17 Personen in das Siechenheim Lichterfelde verbracht. Es sind davon 4 Personen verstorben. Am 11. März wurden 165 Personen in das Durchgangslager Glowno b/Posen abtransportiert. Diese wurden am 2.4. und 6.4. aus Glowno entlassen, und zwar nach Neuendorf 65 Personen, nach Radinkendorf 45 Personen, in ein Heim in Bielefeld 38 Personen, in das Altersheim Friedenstrasse 7 Personen, in das Siechenheim Berlin-Lichterfelde 4 Personen, in Pflegestellen Berlin 2 Kinder, in Glowno verstorben 3 Personen, im Krankenhaus Posen verblieben 1 Person. Aus Schneidemühl sind am 4. April 49 Personen verbracht worden, und zwar sind 22 Kinder in Heime und Pflegestellen in Berlin, 27 Erwachsene nach Radinkendorf gekommen. Zur Einzelentlassung kamen (vor allem ins Krankenhaus) 6 Personen, in Schneidemühl verstorben sind 4 Personen. Es befinden sich noch in Schneidemühl 199 Personen.“
23.2.1940 Eltern aus dem „Jüdischen Arbeitsheim Radinkendorf“ nach Schneeberg beides bei Beeskow
Schwester Gisela zur Zwangsarbeit ins Forstarbeiteinsatzlager Kersdorf bei Briesen
4.3.1942 Rosalie Putziger schreibt aus Radinkendorf einen Brief an ihren Ehemann Sigmund im KL Buchenwald (siehe unten)
13.4.1942 die zur Deportation eingeteilten Menschen aus 60 Orten des Regierungsbezirks Potsdam über den Bahnhof Moabit in das Sammellager der Berliner Synagoge Levetzowstraße. Fast ein Drittel von ihnen war zuvor im „Jüdischen Arbeitsheim“ Radinkendorf untergebracht.


Zu den nach Warschau Deportierten gehörten: Schwester Dorothea, Bruder Hans, Cousin Meinhard und die Tanten Anna und Rosalie Putziger
Im Transport vom 3.4.1942 aus Frankfurt/Oder befand sich ebenfalls eine große Zahl von Schneidemühler Juden, die im Landwerk Neuendorf oder weiteren Forst- und Ernteeinsatzlagern untergebracht gewesen waren
Hachschara und Auschwitz
17.5.1939 in Hannover Ahlem bei Minderheiten-Volkszählung

23.2.1940 aus der Gartenbauschule Ahlem zur Hachschara ins Landwerk Neuendorf
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung der noch bestehenden in „Jüdisches Arbeitseinsatzlager“
Mai bis September 1941 Auflösung der Hachscharalager Ahrensdorf, Jessen, Havelberg; Verlegung der Chaluzim in das Lehrgut Neuendorf im Sande; nur ein kleiner Teil darf noch im Landwerk selbst arbeiten, die meisten werden zur Zwangsarbeit bei Unternehmen in Fürstenwalde verpflichtet.
14.2.1942 Bruder Hans Joachim aus Radinkendorf ins Ghetto Warschau
2.4.1942 Verhaftung der älteren und der bereits bei der Gestapo zuvor auffällig gewordenen Chaluzim aus Neuendorf und Deportation auf Lastwagen in das Sammellager, eine große Turnhalle am Leipziger Platz in Frankfurt/Oder
3.4.1942 Deportation dieser Neuendorf-Gruppe mit 1009 Personen nach Warschau
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
1.3.1943 Eltern auf dem 31. Osttransport (Fabrikaktion) von Berlin nach Auschwitz,
31.3.1943 Die Belegschaftsliste des Landwerk Neuendorf enthält 96 Männer (drei abwesend) und 76 Frauennamen
7.4.1943 Zustellung der Transportlisten für Neuendorf
10. 4.1943 169 Chawerim aus Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager ehemaliges jüdisches Altenheim Große Hamburger Straße 26; in Berlin vom Transport zurückgestellt 16 Personen (Geltungsjuden, Juden aus privilegierten Mischehen etc.)
19.4.1943 Chawerim aus 10 jüdischen Einsatzlagern, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde auf dem 37. Osttransport von Berlin nach Auschwitz (Fabrikaktion)
Esther Bejarano erinnert sich:
„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“
Esther berichtet auch, dass viele alte und schwache Menschen diese mehrere Tage dauernde Fahrt in den Viehwaggons nicht überlebten. Ihre Leichen blieben die ganze Zeit in den Waggons.
Mit Esther saßen viele der Jugendlichen im Waggon, mit denen sie in Neuendorf zusammen war: Eli Heymann, Schimschon Bär, Schoschana Rosenthal, Miriam Edel, Anne Borinski, Hilde Grünbaum, Karla und Sylvia Wagenberg, Herbert Growald und noch viele andere.
20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:
„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“

Er wird zur Zwangsarbeit im Auschwitz-Nebenlager Monowitz eingewiesen; ihm wird die Auschwitz-Häftlingsnummer 116886 in den linken Unterarm tätowiert
Schwester Gisela aus Briesen, Kersdorf auf demselben Transport
6.6.1943 letzte Aktennotiz in Monowitz
Der Todesmarsch
15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten
18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca. 60 000 Häftlinge; 10000 aus Monowitz
18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau
Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:
Zofia Posmysz:
„Der letzte Tag in Auschwitz war der 18. Januar. Nach drei Tagen und drei Nächten zu Fuß wurden wir in offenen Güterwagen nach Ravensbrück gebracht.“
Asher Aud:
„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“
Sigmund Kalinski:
„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“
Isidor Philipp berichtet:
„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“
19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück, Sachsenhausen
Isidor Philipp berichtet:
„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“
Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.
6.2. 1945 Ankunft aus dem KL Sachsenhausen im KL Flossenbürg
Todesmarsch von Flossenbürg ins KL Dachau
Befreiung in Dachau durch die US-Army
Aktion 14f13 Häftlingseuthanasie in Buchenwald und Bernburg
Mai 1938 Onkel Sigmund Putziger (*1885) verhaftet in der ASR-Aktion „Arbeitsscheu“,
17.5.1938 – 18.4.1939 „Schutzhaft“ im KL Buchenwald

1940 im Landwerk Neuendorf
16.3.- 5.9.1940 KL Sachsenhausen
6.9.1940-5.7.1941 in Dachau
6.7.1941-12.3.1942 im KL Buchenwald

Ein letzter Brief von seiner Frau Rosalie aus Radinkendorf an Sigmund in Buchenwald, der ihn vermutlich nicht mehr vor seiner Ermordung erreicht hat und deshalb erhalten ist.

Ein „Grauer Bus“ bei Ankunft in der Tötungsanstalt
12.3.1942 deportiert mit 102 Häftlingen mit „Grauen Bussen“ im III. Euthanasie Transport aus Buchenwald in die Tötungsanstalt Bernburg (Gesamtzahl der Ermordeten 403)
12.3.1942 Tod des Onkel Sigmund in Bernburg; alle 102 Häftlinge werden am selben Tage mit CO-Gas erstickt.
Nach der Befreiung
Krankenhaus Schönbrunn bei Dachau
18.8.1946 gemeldet in Krün bei Mittenwald, Haus Nr. 21
26.5.1945 Freilassung aus dem KL Dachau durch alliierte Kommission; Reiseziel Familie Benno Kiwy in Santiago de Chile
13.3.1947 Passausstellung in Frankfurt durch US-Militärbehörde
Mai 1947 in Paris, St. Denis

Juni 1947 von Paris aus Transit durch Brasilien auf dem Weg nach Santiago de Chile
3.7.1954 Passausstellung in Santiago de Chile

April 1959 Einreise nach Brasilien, jetzt „casado“- verheiratet
Gedenken
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Quellen
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1136532
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1136409
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1136520
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1136676
http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/p/putziger-philipp.html
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130832825
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_ber_ot13.html
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_brb_schneidemuehl.html
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT420414_Potsdam16.jpg
BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)
Harald Lordick, Das Landwerk Neuendorf: Berufsumschichtung – Hachschara – Zwangsarbeit; in Pilarczyk, Ulrike (Hrsg) Hachschara und Jugendalija, Schulmuseum Steinhorst, 2019
Lore Shelley (Editor), The Union Kommando in Auschwitz, Lanham, New York, London, 1996
Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010, Hartung Gorre Verlag
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316
Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten
Harald Lordick, Landwerk Neuendorf in Brandenburg, in: Kalonymos, 2017, Heft 2
Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989
Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013
Anneliese Ora-Borinski, Erinnerungen 1940 – 1943, Kwuzat Maayan-Zwi, Israel 1970
Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386
Video-Interview mit Issy Philipp 1994
Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015
Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013