Salinger Gerd

Gerd Salinger

*2.1.1922 in Stolp;

Religion jüdisch

Staatsangehörigkeit deutsch

Vater Sally Salinger *19.9.1884 in Gerswalde; ✡ vor 1944 in Auschwitz

Mutter Betty Riese *16.9.1885 in Riese; ✡ vor 1944 in Auschwitz

Geschwister

Ruth Salinger *12.7.1924 in Stolp; ✡ vor 1944 in Auschwitz

Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant; Steuerfachmann

Adressen Stolp, Bülowstraße 4; Groß Breesen;

Heirat

Kinder

Weiterer Lebensweg

Ostern 1928 Einschulung Volksschule

1932-1936 Wechsel auf die Oberrealschule

10.11.1938 Vater Ally verhaftet im Novemberterror; „Aktionsjude“ im KL Sachsenhausen

2.12.1938 Entlassung des Vaters Sally aus dem KL Sachsenhausen

17.5.1939 Eltern und Schwester Ruth in Stolp, Bülowstraße 4 bei Minderheitenzählung

Überseegruppenwanderer Lehrgut Groß Breesen

Mai 1936 Eröffnung des nichtzionistischen Übersee-Gruppenwanderer Lehrgutes Groß Breesen; im Gegensatz zu anderen Lagern ist Groß Breesen nicht an jüdische Organisationen gebunden, war jedoch stark geprägt vom Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C.V., assimiliert, liberal, national)

1936-1939 Curt „Bo“ Bondy Lagerleiter und pädagogischer Leiter, auf Bitten von Leo Baeck; von vielen ‚Groß-Breesenern‘ wurde er als charismatische Persönlichkeit, der sie viel zu verdanken haben, verehrt. Unterstützt wurde er von Ernst Cramer, einem älteren Praktikanten.

Leiter der landwirtschaftlichen Ausbildung war Oberinspektor Erwin Scheier, dessen Frau Ruth oblag die Hauswirtschaft, Tischlermeister Max Kiwi die Schreinerei.

10.11.1938 Überfall der SA auf den Hof in Groß Breesen, alle über 18-Jährigen Männer werden mit einem Bus abgeführt und ins KL Buchenwald gebracht, auch Curt Bondy, der als Homosexueller besonders gefährdet war; die Frauen und Jungen bleiben auf dem Hof zurück.

1939 Gerd Salinger zur Umschulung ins Überseeauswanderer Lager Groß Breesen

31.8.1941 Gestapobefehl: Das Lehrgut Groß Breesen wird Arbeitslager. Viele Umschüler verlassen das Gut und gehen in die Forsteinsatzlager im Kreis Lebus oder in ihre Heimatorte.

Gerd Salinger in Gut Behlendorf und Hasenfelde

Sommer 1941 Rudy David ins Forsteinsatzlager Hasenfelde, er schreibt:

Ich zog in ein Arbeitslager in Hasenfelde. Wir waren dort eine Gruppe von 30 Leuten. Die meisten arbeiteten auf einem deutschen Landgut, und ich hatte zufällig das Glück, bei einem Privatbauern angestellt zu sein, zu wesentlich besseren Bedingungen, was Lebensmittel usw. angeht…. Hasenfelde war ein kleines Dorf. Dort bekamen wir ein Haus und lebten alle zusammen.“

Ende 1941 Walter Bernstein wird als Direktor in Groß-Breesen abgelöst und als Leiter im Forsteinsatzlager Hasenfelde eingesetzt

Die 1. Welle der Räumung der Arbeitseinsatzlager

2.4.1942 Verhaftung der älteren sowie von bereits zuvor bei der Gestapo auffällig gewordenen Chaluzim aus Neuendorf (62) und den umliegenden Einsatzlagern; Deportation auf Lastwagen in das Sammellager, eine große Turnhalle am Leipziger Platz in Frankfurt/Oder, wo noch 100 Juden aus den Forst- und Ernteeinsatzlagern in Beerfelde, Hangelsberg, Hasenfelde (2), Jakobsdorf, Kaisermühl, Kersdorf, Pillgram, Schönfelde und Treplin hinzustoßen.

3.4.1942 Deportation dieser Hachschara-Gruppe mit 1009 Personen, 1. Welle auf dem XII. Transport von Berlin ins Ghetto Warschau; Abfahrt aus Frankfurt/Oder um Mitternacht

Die Räumung der Arbeitseinsatzlager im Nachgang zur Fabrikaktion

10.4.1943 Räumung der Forsteinsatzlager im Kreis Lebus; Verbringung der letzten 15 Bewohner – davon  6 Groß Breesener, zwei Kleinkinder – unter Leitung von Walter Bernstein aus Hasenfelde mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit einem regulären Zug von Fürstenwalde nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager ehemalige Jüdische Mittelschule in der Große Hamburger Straße

19.4.1943 auf dem 37. Osttransport von Berlin nach Auschwitz

Esther Bejarano erinnert sich:

„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“

20.4.1943 Bei der Selektion an der Rampe werden die Frauen ohne Kinder zur Zwangsarbeit im Auschwitz-Lager Birkenau eingewiesen.

20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:

„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“

Gerd Salinger wird an der Rampe zur Zwangsarbeit im Auschwitz-Nebenlager Monowitz eingewiesen; er bekommt die Auschwitz-Häftlingsnummer 116920 in den linken Unterarm tätowiert.

Todesmarsch von Auschwitz

15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten

18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca. 60 000 Häftlinge; 10000 Männer aus Monowitz

18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau

Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:

Asher Aud:

„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“

Sigmund Kalinski:

„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“

Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück, Sachsenhausen

Isidor Philipp berichtet:

„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“

Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.

26.1.1945 Ankunft von Gerd Salinger in Buchenwald nach Todesmarsch von Auschwitz

Unterbringung in Buchenwald in Kleinen Lager Baracke 57 und 59; Häftlingsnummer 121727

14.2.1945 Gerd Salinger aus Buchenwald in das Kommando S III, Buchenwald-Außenlager Ohrdruf zusammen mit Walter Keschner, Rolf Elkeles, Siegfried und Erich Tichauer, das Crawinkellager (Luftmunitionsanstalt Crawinkel, „MUNA“) bei Stadt Ohrdruf bei Gotha. In Ohrdruf, südlich von Gotha, sollte ein unterirdisches Hauptquartier für die deutsche Reichsregierung gebaut werden.

3.4.1945 zuerst Auflösung des Ohrdrufer Nordlagers, die weiteren Lager folgten Tage später.

Die S III Häftlinge wurden hauptsächlich auf 3 unterschiedlichen Strecken nach Buchenwald getrieben: 

1. Ohrdruf – Crawinkel – Gräfenroda – Plaue – Stadtilm – Kranichfeld – Bad Berka – Buchenwald.

2. Crawinkel – Espenfeld – Siegelbach – Nahwinden – Kranichfeld – Tonndorf – Buchenwald.

3. Espenfeld – Jonastal – Arnstadt – Stadtilm – Nahwinden – Kranichfeld – Tonndorf – Buchenwald.

Im Durchschnitt betrug die Entfernung nach Buchenwald 85 Kilometer und die Marschdauer mindestens 3 bis 4 Tage. In Buchenwald wurde die Ankunft von 8.989 Häftlingen von S III

Gerd Salinger auf dem Todesmarsch nach Dachau

29.4.1945 Befreiung durch die US Army in Dachau

13.5.1945 Fragebogen, durch alliierte Kommission in Dachau

2.6.1945 Entlassung aus dem KL Dachau

1946 in Berlin, Charlottenburg

21.2.-3.3.1947 auf der USS MARINE MARLIN von Bremen nach New York

MBA an der New York University in Geschäftsverwaltung

Steuerberatung

Deportation der Familie

12.3.1943 Schwester Ruth im Jüdischen Krankenhaus Berlin, Iranische Straße 2 auf dem 36. Osttransport nach Auschwitz

11.7.1942 die Eltern Hamburg /Bielefeld-Berlin auf dem XVII. Teiltransport ab Berlin nach Auschwitz

Gedenken

Bibliografie

Umfangreiches Werk zur jüdischen Geschichte in Ost- und Mitteleuropa, neben der Schweiz und Österreich, zu Polen, Ungarn, Rumänien, der Slowakei, Teilen der südlichen Ukraine sowie Tschechien (Mähren);

Auswahl:

 Die einstigen jüdischen Gemeinden in Pommern (4 Teile, 1.200 Seiten, Privatdruck)

 A Journey in Hungary, (rund 700 jüdische Gemeinden, Privatdruck)

 „The Jewish Cemetery in Hohenems“

Quellen

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://www.mappingthelives.org

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1170761

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1147642

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de957192

Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 7292); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85

https://www.stolp.de/nachrichtenleser/besuch_salinger.html

https://collections.arolsen-archives.org/en/document/10278896

https://collections.arolsen-archives.org/en/document/10278901

https://collections.arolsen-archives.org/en/document/6997031

https://collections.arolsen-archives.org/en/document/11255115

Werner Angress, Generation zwischen Furcht und Hoffnung, 1985

https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_sln_43a.html

Arthur Wolff, Bericht für den Groß Breesen Rundbrief Nr. 24, 1984

Damit es nicht vergessen wird, Bericht in zwei Teilen, 1991

Günter Marcuse, Tagebuch Groß Breesen; Groß Breesen Rundbrief Nr. 23, 1966

https://archive.org/details/jdischesausb001f022/page/n2/mode/1up?view=theater

https://zeitgeschichte-hamburg.de/files/public/FZH/Publikationen_digital/Werner%20T%20Angress%20Generation%20zwischen%20Furcht%20und%20Hoffnung.pdf

https://www.yumpu.com/de/document/read/3840614/21-brief-19-p745-54-gross-breesen-silesia

https://yvng.yadvashem.org/ad

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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