Maria Mary Korwill
*29.7.1907 in Baden, Wien; ✡ Ende März 1942 in Riga
Staatsangehörigkeit Österreich, staatenlos
Vater Hermann Korwill-Kohn *1872 in Gr. Tapoleson, Ungarn
Heirat der Eltern 1905 in Mariahilf, Wien
Mutter Elsa Karpeles *14.5.1884 in Wien; ✡1943 in Riga
Großvater Rudolf Kohn *1829; ✡1.6.1908 in Wien
Tante Regine Weiss ; ✡4.10.1929 in Wien
Geschwister
Edith Korwill *12.3.1906 in Wien; ✡19.5.1992 in Wien; geschiedene Stransky;
Beruf Kindererzieherin
Adressen Baden; Wien, Rossauer Lände 29; zuletzt Porzellangasse 8; das Haus Porzellangasse 8 war ein Judensammelhaus vor den Deportationen, in den Jahren 1939 bis 1942 wurden 54 Personen hier deportiert, zwei davon haben überlebt.
Heirat ledig
Kinder –
Weiterer Lebensweg
1876 Vater als 4-Jähriger Hermann Kohn von Gr. Tapoleson, Ungarn nach Wien
1908 die Eltern unterzeichnen die Todesanzeige des Großvaters Rudolf Kohn noch als Hermann und Else Kohn,
1927 mit Korwill
Mary Korwill Leiterin des Kinderheim „Tante Mary“ in Wien 9., Roßauer Lände 29; das Haus wurde zuvor von der Mutter geführt.
Im Antrag auf Unterstützung zur Ausreise ist erkennbar, dass 1938 beide Eltern und die Schwester im Heim mitarbeiten, Mutter in der Funktion „Vorsteherin“
Mary Korwill war auch Leiterin des zugehörigen Sommer-Sonnenheim in der Villa Vetsera. Die Villa Vetsera wurde 1935 von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien erworben, unter dem Motto „Jüdische Kinder aufs Land“ wurden dort in den Jahren vor dem Beginn der NS-Herrschaft jährlich bis zu 4000 Kinder versorgt. 1939 wurde das Anwesen zwangsenteignet und von der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt Berlin genutzt.
Von 1938-1945 befand sich unter der Adresse des Kinderheimes der Sitz der NSDAP-Ortsgruppe Wien-Spittelau
16.6.1938 Vater Hermann stellt für die Familie einen Antrag auf Unterstützung zur Ausreise durch die israel. Kultusgemeinde Wien
16.8.1938 Stellenanzeige im „Sydney Morning Herald“ von Mary Korwill, vermutlich plaziert von ihrer Cousine Maryann Korwill, Sydney mit dem Inhalt: Erzieherin sucht Stellung, Schülerin von Prof. Alfred Adler, spricht Englisch und Französisch, Referenzen; Passage würde bezahlt; Mary Korwill Rossauer Lande 29, Wien 9.
(Alfred Adler, weltberühmter Psychiater, hielt In den 1920er Jahren eine Reihe von Vorlesungen an der Volkshochschule Ottakring in Wien.)
Dezember 1939 Vater Hermann und Schwester Edith illegal nach Palästina
5.1.1940 Mary Korwill stellt erneut einen Unterstützungsantrag zur Emigration für sich und die Mutter nach Bolivien
30.1.1940 Mary Korwill stellt einen weiteren Antrag zur Emigration für sich und die Mutter jetzt nach Italien; es werden auch jeweils Chile, Brasilien, Argentinien genannt
26.2.1940 Mary Korwill stellt erneut einen Unterstützungsantrag zur Emigration für sich und die Mutter nach Shanghai
Vier Transporte aus Wien nach Riga Skirotawa
Von den Sammellagern Verbringung in offenen Lastwagen bei Tag über den Schwedenplatz, die Ringstraße und die Ungargasse zum Aspang-Bahnhof im 3. Bezirk
3.-6.12.1941 Transport 13 1000 Wiener Juden nach Riga Jungfernhof; 18 Überlebende
11.-15.1.1942 Transport 14 1002 Juden aus Wien, 300 ins Ghetto Riga, 700 zum Jungfernhof; 31 Überlebende
26.-31.1.1942 Transport 15 mit 1201 Juden aus Wien ins Ghetto Riga; 33 Überlebende
6.-10.2.1942 Transport 16 mit 1004 Juden aus Wien ins Ghetto Riga; 36 Überlebende
11.1.1942 Mary Korwill mit ihrer Mutter Else auf dem Transport 14 vom Aspang-Bahnhof im 3. Wiener Bezirk nach Riga
15.1.1942 Ankunft in Riga Skirotawa
Mary Korwill im Ghetto Lehrerin an der „Wiener Schule“ auf „5er-Schule“ nach der Haus-Nr.5 auf der „Berliner Straße“ – Maza kalna iela.
Gertrude Schneider, die auch Schülerin bei Mary Korwill in der Wiener Schule war schreibt in ihrem Buch „Reise in den Tod“:
„Die so grausam erschossene Lehrerin der Wiener Schule, Mary Korwill, war einmal sehr entrüstet, als ihr Frau Kornfeld, die Mutter von Zwillingsbrüdern, ein Säckchen saure Gurken mitbrachte, die sie in der Gurkenfabrik entweder „organisieert“ oder bekommen hatte. Tante Mary, wie wir sie nannten, erklärte der Frau Kornfeld, dass sie ihre Tätigkeit mit der Annahme von Geschenken entehren würde. Frau Kornfeld entschuldigte sich und ging zu Tante Marys Mutter, die freudestrahlend die Gurken annahm und sie gegen Kartoffeln vertauschte, so dass ihre Tochter nie dahinterkam.“
„Mary Korwill, Lehrerin der Wiener-Schule, besaß eine im Ghetto verbotene Armbanduhr. Im April stritt sie vor der Schule mit dem Gruppenältesten Fleischel darüber. In diesem Moment kam Kommandant Krause aus dem Berliner Tor und sagte nur: „Kommen Sie mit zum Friedhof!“ Alles Bitten half nichts. Mit verbissenem Gesicht ging er zusammen mit der todgeweihten Mary Korwill, ihrer Mutter und dem zerknirschten Fleischel zum Friedhof…. Er erschoss Mary Korwill vor den Augen ihrer Mutter und ging dann zufriedenen Gesichts in die Kommandantur.“
März 1942 von Mary Korwill Tod im Ghetto Riga
Ihre Mutter Else war danach geistig verwirrt, oft fragte sie Menschen, die sie kannte: “Sagen Sie, wo ist eigentlich meine Mary hin?“ Sie arbeitete dann im Gemüsegarten hinter dem Zentrallazarett, erkrankte als es kälter wurde und überlebte den zweiten Winter im Ghetto nicht.
Gedenken
7.10.1986 Page of Testimony für Mary Korwill und ihre Mutter von der entfernten Cousine Gerda Hofer
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Österreich, Wien, jüdische Auswanderungsanträge, 1938-1939
Gertrude Schneider, Reise in den Tod, 2008, S. 111-113
https://todesortriga.lv/person/maria-korwill
Wolfgang Scheffler, Diana Schulle, Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten Juden 2011
Christin Sandow (Hrsg.), Käthe Fries, Schießen Sie mich nieder, Lukas Verlag 2017
Gertrude Schneider, Exile and Destruction, The Fate of the Austrian Jews 1938-1945; Praeger 1995
Hilde Sherman: Zwischen Tag und Dunkel. Mädchenjahre im Ghetto, Frankfurt/M.-Berlin-Wien, 1984