Rudolf Stern
*18.6.1898 in Ostercappeln; ✡ 20.1.1957 in Osnabrück
Staatsangehörigkeit deutsch, staatenlos
Vater Israel Stern *7.4.1862 in Ostercappeln; ✡12.6.1922 in Osnabrück
Mutter Ida Hertz *23.1.1869 in Coesfeld; Theresienstadt; ✡23.11.1942 in Treblinka
Geschwister
Arnold Stern *8.1.1895 ; oo 1929 Hedwig Israelson (1896-1977); ✡7.4.1954 in Westpoint
Frieda Stern *25.4.1896 in Osterkappeln; oo Siegfried Weinberg; ✡ nach 1.10.1944 Stutthof; Sohn Erich Weinberg *16.12.1923 in Warburg; AEL Nordmark; ✡1971 in Warburg
Leo Joseph Stern *1900 in Osterkappeln; ✡7.3.1938 in Osnabrück; oo Erna Meyberg (1906 -1944)
Bertha Stern *15.2.1905 in Osterkappeln; ✡1944 in Stutthof; oo Max Katz (*1.2.1900 Arolsen, ✡1944)
Beruf Pferdehändler
Adressen Osterkappeln; Osnabrück, Judenghettohaus Seminarstraße 31
Heirat
1.Ehe in Riga mit der Witwe seines Bruders Leo Erna Meyberg *2.4.1906 in Hohenlimburg; 1.10.1944 nach Stutthof; ✡Tod in Stutthof
2.Ehe Witwe Hertha Sax geb. Emmerich *21.10.1908 in Haaren
Kinder keine
Weiterer Lebensweg
Volksschule in Ostercappeln; „Höhere Schule“ bis Abschluß 1916
1916-1918 Unteroffizier im 1.WK im Feldartillerie-Regiment Nr. 247, 8. Batterie
4.11.1918 als vermisst gemeldet, Verlustlisten Seite 27467
10.1.1919 als in Gefangenschaft gemeldet Seite 28653
Dezember 1932 Rudolf und Leo Stern kaufen den Hof Westerbeck in Westerkappeln
1933 Verpachtung des Hofs an den jüdischen Pfadfinderbund „Makkabi Hazair“, der dort eine Ausbildungsstätte für jüdische Schulabgänger im Alter von etwa 15 bis 17 Jahren aufbaute. Verwaltet wurde der Hof zuletzt von dem aus Syke bei Bremen stammenden Ehepaar Dora und Siegfried Löwenstein, die mit ihrer Tochter Grete auf dem Hof lebten
O mundo em que vivi – Die Welt, in der ich lebte – Geschichte der Stern‚s
Ilse Lieblich (* 20.3.1913 in Buer, 2006 in Portugal) lebte als jüdisches Kind auf dem Hof. Kurz vor ihrer Verhaftung durch die Gestapo konnte sie 1934 aus Berlin nach Portugal fliehen. Unter dem Namen Ilse Losa schrieb sie das Buch „O mundo em que vivi“ – „Die Welt, in der ich lebte“; so fand die Geschichte der Familie Stern Eingang in die Weltliteratur. Heute eine in Portugal bekannte Schriftstellerin, zu deren 100. Geburtstag sogar eine Sonderbriefmarke herausgegeben wurde.
Bis 1937 selbständiger Kaufmann mit eigenem Geschäft; er wohnt im Haus der Familie Stern auf der Seminarstraße 31, wo auch Seine Mutter Ida und Erna Stern/ Meyberg, die Witwe seines Bruders Leo wohnen
1937-1938 Zwangsarbeit
10.11.1938 im Novemberpogrom verhaftet
11.-23.11.1938 „Schutzhaft“ im KL Buchenwald
Wird in Buchenwald gezwungen, den Hof Westerbeck in einer Auktion versteigern zu lassen
17.5.1939 in Osnabrück bei Minderheiten-Volkszählung mit Mutter Ida und Ehefrau Erna
1939-Dez.1941 wieder Zwangsarbeit
November 1941 Deportationsbefehl der Gestapo
11.12.1941 Verbringung in das Sammellager die Schule Am Pottgraben, zusammen mit seiner Schwester Bertha und Schwager Max Katz und Erna Stern, der Witwe seines Bruders Leo
13.12.1941 Fußmarsch mit Polizeieskorte zum Hauptbahnhof Osnabrück; dort Zustieg in den aus Münster mit 400 Juden einlaufenden Transportzug; Weiterfahrt nach Bielefeld, wo 420 Juden aus dem Gestapobezirk eingeladen werden.
13.12.1941 ab Osnabrück, Bielefeld
16.12.1941 Ankunft Rangierbahnhof Skirotawa, Fußmarsch ins Ghetto Riga
Rudolf ist über seinen Onkel Hugo Hertz mit dem Chef der Ghettopolizei Friedrich Frankenberg verwandt
Schwager Max Katz ebenfalls Ghettopolizist, wie Rudolf Sern vermutlich auch
Ghetto-Heirat in Riga mit der Witwe seines Bruders Erna Stern/Meyberg
Mitte 1943 schrittweise Auflösung des Ghettos Einrichtung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald und verschiedener Betriebslager mit lokaler Kasernierung
November 1943 im Armeebekleidungsamt ABA 701 in Mühlgraben, Kasernierung
Sommer 1944 Auflösung des KL Kaiserwald, Riga
Juli – September 1944 Transporte der Arbeitsfähigen aus Riga per Schiff nach Stutthof
29.9.- 3.10.1944 140 Zwangsarbeiter ABA 701 mit dem Frachtschiff „Sanga“ nach Libau, Lettland
13.-14.10. 1944 Die letzten 50 Männer, 10 junge Frauen mit der „Drechtdijk“ auch „Drächtig“ nach Libau
SS-Sonderlager Libau in Lettland, Arbeit im Hafen, Be- und Entladen von Schiffen
22.10.1944 Fliegerangriff auf Libau mit zwei Toten unter den Häftlingen
22.12. 1944 schwerer russischer Bombenangriff auf die besetzte Stadt, 14 Lagerinhaftierte kommen um
19. 2. 1945 200 Häftlinge von Libau auf dem mit Granaten- und Patronenhülsen beladenen Kohlefrachter „Balkan“ über die Ostsee erst Richtung Lübeck, wegen Bombenangriffen umgeleitet nach Hamburg
27.2.1945 Ankunft in Hamburg, von der Gestapo in Gefängniswagen vom Hafen nach Fuhlsbüttel
27.2.1945 – 11.4.1945 Polizeigefängnis Fuhlsbüttel „Kola-Fu“, Zuchthaus und Konzentrationslager
12.-15.4.1945 86 km Fußmarsch nach Kiel, ins „Arbeitserziehungslager“ (AEL) „Nordmark“ in Hassee, Außenlager des KL Neuengamme in Kiel.
Rettungsaktion „Graf Bernadotte“ durch das Schwedische Rote Kreuz
Nach Verhandlungen des schwedischen Graf Bernadotte und Norbert Masur vom World Jewish Congress, Stockholm mit Heinrich Himmler nahe Berlin werden unter anderen 153 jüdische Häftlinge und ihre Kinder nach Schweden freigelassen.
1.5.1945 153 Juden mit weißen Bussen des Roten Kreuz nach Pattburg, Dänemark, Entlausung in der Quarantänestation; weiter mit dem Zug nach Kopenhagen
2.5.1945 mit der Fähre nach Malmö; erste Quarantäne ca. 10 Tage
4.5.1945 Befreiung des AEL Nordmark Hassee durch britische „Royal Army“
13.5.1945 in Smålandsstenar, Schweden in Quarantäne
Mai 1945- Januar 1946 DP-Camp bei Malmö, Smålandsstenar
25.1.1946 Mit der SS Kastellholm von Trelleborg nach Deutschland zusammen mit weiteren Geretteten aus Nordmark (Berta Kaufmann, Siegmund Elias, Herta Sax, Friederike Ruhe, Erich Weinberg)
Aktive Mitglieder der Synagogengemeinde Osnabrück
2-9/1946 arbeitslos
Ab September 1946 Pferdehändler in Osnabrück
März 1949 Wohnadresse in Osnabrück, Hasemauer 6a
IRO-Antrag: Wollen nicht mehr in Deutschland bleiben
21.2.1950 Vernehmung durch den Amtsrichter Dr. Voigt,
2.8.1977 Urteil des LG Hamburg im Prozess gegen Gerhard Maywald
22.-31.Mai 1954 auf der TSS Olympia mit Frau Herta von Bremerhaven nach New York
20.1.1957 in Osnabrück
Gedenken
Stolpersteine für Mutter Ida und Ehefrau Erna in Osnabrück, Seminarstraße 31
Stolpersteine für Schwester Bertha und Ehemann Max Katz in Osnabrück, Kommenderiestraße 11
Quellen
Preußische Verlustlisten vom 4.11.1918 Seite 27467; 10.1.1919 Seite 28653
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939 https://www.mappingthelives.org/
https://service.virtuos.uni-osnabrueck.de/wikifarm/fields/stolpersteine/index.php/Main/SternHertzIda
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_wfn_411213-o1.html
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT411213_Bielefeld9.jpg
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de976384
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 8458); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85
Gertrude Schneider, Reise in den Tod, Deutsche Juden in Riga 1941-1944, Laumann-Verlag, 2008
Hilde Sherman: Zwischen Tag und Dunkel. Mädchenjahre im Ghetto, Frankfurt/M.-Berlin-Wien, 1984
Aufbau, Nach Schweden gerettet; Ausgabe vom 22.6.1945
Bernd Philipsen, Fred Zimmak, Hrsg., Wir sollten leben, Novalis 2020
Dietlind Kautzky, Thomas Käpernick (Hrsg.), Mein Schicksal ist nur eins von Abertausenden VSA 2020