Verständig Ella

Ella Verständig geb. Reisner

*1.9.1902 in Hannover; ✡ 5.3.1943 in Auschwitz

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Samuel Mordechai Reisner

Mutter Regina Friede *1868; 1937 in Wilhelmshaven

Geschwister

David Julius Reisner *8.2.1899 in Hannover; ✡31.12.1944 in Stutthof

Albert Reisner *1.9.1900 in Wilhelmshaven; ✡31.1.1991 in Netanja

Jenny Reisner *7.1.1904; 14.12.2000 in Sydney

Karl Reisner *6.7.1905 in Wilhelmshaven

Beruf

Adressen Hannover; Rüstringen; Wilhelmshaven, Tanndeich 4; Berlin; Bielefeld, Schloßhofstraße 73 a

Heirat Hermann Hersch Verständig *28.2.1901 in Sokolow; ✡ nach 9/1942 Auschwitz

Kinder

Luise Susi Verständig *31.3.1931 in Wilhelmshaven; ✡ 5.3.1943 in Auschwitz

Hannelore Verständig *8.5.1936 in Wilhelmshaven; ✡ 5.3.1943 in Auschwitz

Weiterer Lebensweg

14.12.1938 Flucht der Töchter Luise und Hannelore mit den Großeltern A. Grünberg aus Osnabrück, Markt 11 nach Monster, Niederlande

17.5.1939 Ella mit Ehemann ohne die Kinder in Wilhelmshaven bei Minderheiten-Volkszählung

23.8.1939 beide Töchter im Huize Kraaybeek, Hoofdstraat 63, Driebergen

später in Hilversum, Rudelsheimstichting, Verdilaan 10

zuletzt in Amsterdam bei Mevr. Johanna Reisner, Amsterdam, Beethovenstraat 19

1939 Ehemann Hermann Hersch Verständig flieht nach Brüssel

Das Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Schlosshofstraße 73 a

1939 Nach­dem zahl­rei­che, in Bie­le­feld le­ben­de Jü­din­nen und Ju­den in „Ju­den­häu­sern“ zwangs­ein­ge­wie­sen wur­den, schloss die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) mit den jeweiligen Städten Verträge zur Errichtung der Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Ko­blen­zer Stra­ße 4 und Paderborn, Grüner Weg 86;

Anfang September ent­stan­d für zu­nächst 36 Praktikanten ein Wohn- und Ar­beits­la­ger in der Ko­blen­zer Stra­ße 4 (heu­te: Ar­tur-La­de­beck Stra­ße 6). Das Haus beherbergte zuvor die Praxis des nach Holland geflüchteten Orthopäden Dr. med. Bernhard Mosberg.

23.3.1940 wegen der räumliche Enge Wechsel von 57 Bewohnern in das Lager in der Schloß­hof­stra­ße 73a, einem ehemaligen Gutshof.

Dort bestand auch eine Un­ter­kunft für alte und kran­ke Jü­din­nen und Ju­den („Sie­chen­heim“) als Ein­rich­tung der RVJD. Vom Lager aus wurden die Männer kolonnenweise bei den Straßen-, Tief- und Gleisbauarbeiten der Fa. Nebelung & Sohn eingesetzt.

1940 erfolgte ein Austausch männlicher Bewohner mit dem Umschulungslager Paderborn; die zionistischen Chawerim wechselten nach Paderborn und umgekehrt. Allein am 9. und 10.Juni 1940 kommen 10 Paderborner in das Lager in der Schloß­hof­stra­ße 73a.

14.8.1940 aus Berlin kommend angemeldet in Bielefeld

5.3.1941 vorübergehend abgemeldet nach Berlin, Jüdisches Krankenhaus, Iranische Straße 2

17.3.1941 wieder angemeldet aus Berlin, Jüdisches Krankenhaus, Iranische Straße 2 nach Bielefeld

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager Bielefeld“

6.12.1941 beide Töchter zurückgeholt aus Amsterdam ins Einsatzlager Schloßhofstraße 73 a; sie wohnten bis zum 5.12.1941 bei Mevr. J. Reisner, Amsterdam, Beethovenstraat 19

8. 9.1942 Ehemann Hermann aus dem belgischen Durchgangslager in Mechelen nach Auschwitz, Konzentrations- und Vernichtungslager; Cosel (Kozle), Durchgangslager für die Organisation Schmelt

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz deportiert, um den Arbeitskräftebedarf im Nebenlager Buna zu decken.

26.2.1943 abends wird mitgeteilt, dass das Lager Schloßhofstraße aufgelöst und sämtliche Insassen „nach dem Osten abgeschoben“ werden.

27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Bielefeld“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.

1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Bielefeld, mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz

Erwin Angress berichtet:

„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“

2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager

3.3.1943 Ankunft und Selektion der ‚Alten Rampe‘ am Güterbahnhof von Auschwitz;

Ernst Michel berichtet:

„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“

Nicht eingewiesen in Auschwitz Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943

„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“

Gedenken

12.4.1912 Page of Testimony für Hermann Verständig von Neffe Matatia Lekhemi Goldfarb

Quellen

Auszug aus dem Hausbuch Schloßhofstraße des Einwohnermeldeamtes Bielefeld (Signatur: StArchBi, Bestand 104,3 Einwohnermeldeamt, Nr. 1547)

Daniel Hoffmann, Lebensspuren meines Vaters, Wallstein Verlag 2007

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

www.dokin.nl/deceased_children/hannelore-verstandig-born-8-may-1936/

www.dokin.nl/deceased_children/luise-susi-verstandig-born-31-mar-1931/

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de990283

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de990285

Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7

Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013

Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998

www.80jahrepogrom.jgpb.de/erwin-angress/

https://www.statistik-des-holocaust.de/OT430302_5.jpg

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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