Margot Hes
*28.6.1924 in Wenkheim; ✡ in Auschwitz
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Josef Hes *30.5.1886 in Papenburg; ✡11.10.1953 in Frankfurt
Heirat der Eltern 30.12.1913
Mutter Bertha „Betty“ von der Wall *29.10.1894 in Norden; ✡ 2.4.1934 in Idstein im Taunus
Stiefmutter Grete Preiss *7.3.1907 in Sawodzie, Kattowitz; ✡ ?
Großmutter Sophie Hes geb. Wertheim *4.2.1862 in Bentheim; ✡16.1.1943 in Theresienstadt; oo Joel Hes (1855-1928) aus Papenburg
Tante Rebecca Becki Fromm geb. Hes *11.12.1887 in Papenburg; ✡31.1.1943 in Auschwitz; Heirat mit Meier Fromm * 4.7.1871 in Westheim; Lehrer und Mochel in Nördlingen; ✡16.7.1919 in Nördlingen; Meier Fromm war in erster Ehe mit Karolina Kissinger verheiratet (*4.1.1866 in Rödelsee, ✡12.11.1915 in Nördlingen), die Großtante des US-Außenministers (1973-77) Henry Kissinger (*27.5.1923 in Fürth)
Geschwister
Senta Hes *12.10.1919 in Osterode; ✡18.8.1942 in Riga bei Massenerschießung
Myrtil (Myrtin)Hes *7.11.1920 in Malmö; Kürschner ✡ 30.3.2006 in Zürich; oo Hanni Goldmann (*19.10.1923)
Gerda Hes *25.5.1925 in Gailingen; ✡ nach November 1942 in Auschwitz
Joel Hes *9.7.1930 in Idstein; ✡ 19.11.2013 in Ramat Hasharon; *24.1.1931; 18.1.2003 in Ramat Hasharon
Beruf Haushaltsschülerin; Landwirtschaftliche Praktikantin
Adressen Wenkheim; Frankfurt, Ostendstraße 11; Berlin; Neuendorf
Heirat ledig
Kinder –
Weiterer Lebensweg
22.6.1920 Einreise der Eltern aus Deutschland nach Malmö; Beruf des Vaters: Kantor
17.9.1920 Mutter Betty Hes erneut nach Malmö
18.10.1920 Mutter Betty nach Lund
7.11.1920 Geburt des Bruders Myrtil in Malmö
22.3.1928 Stellenanzeige in „Der Israelit“
1928 Vater Josef Hes übernimmt die religiöse Betreuung der Gemeinde Idstein und den Religionsunterricht für die rituelle Abteilung in der Heilerziehungsanstalt Calmenhof
1930 bis 1938 Vater Josef Hes leitet als Psychotherapeut eine rituelle Pension für „Pyschopathen und Nervöse“
Margot Hes besuchte vermutlich die „Judenschule“ in Wiesbaden, untergebracht in einer Baracke hinter dem Bahnhof; dort lernten 160 Schüler, auch die Kinder aus Idstein.
7.10.1936 Bruder Myrtil mit sieben anderen auf einer Liste jüdischer Schüler in München
1937 Vater sucht Krankenschwester und Hausangestellte
Bis 1938 Vater Josef Hes war der letzte Lehrer und Shochot in Idstein
10.11.1938 Vater Josef im Novemberpogrom in Frankfurt verhaftet; nach Dachau s.u.
10.11.1938 Cousin Justin Joel im Novemberpogrom in Frankfurt verhaftet; nach Buchenwald
1939 nach dem November-Pogrom zieht die Familie nach Frankfurt
17.5.1939 mit den Eltern und Geschwistern in Frankfurt bei Minderheiten-Volkszählung
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung der noch bestehenden in „Jüdisches Arbeitseinsatzlager“
Mai bis September 1941 Auflösung der Hachscharalager Ahrensdorf, Jessen, Havelberg; Verlegung der Chaluzim in das Lehrgut Neuendorf im Sande; nur ein kleiner Teil darf noch im Landwerk selbst arbeiten, die meisten werden zur Zwangsarbeit bei Unternehmen in Fürstenwalde verpflichtet.
5.9.1940 abgemeldet aus Frankfurt nach Berlin, Jüdisches Wohnheim, Lützowstraße 16, hier standen an der Straße Wohn- und Schulgebäude, im Hinterhof die große 2000 Gläubige fassende Synagoge; sie wohnt aber nicht bei ihrer Schwester Senta
10.11.1940 aus Berlin zur Hachschara ins Landwerk Neuendorf im Sande
2.4.1942 Verhaftung der älteren und der bereits bei der Gestapo zuvor auffällig gewordenen Chaluzim aus Neuendorf und Deportation auf Lastwagen in das Sammellager, eine große Turnhalle am Leipziger Platz in Frankfurt/Oder
3.4.1942 Deportation dieser Neuendorf-Gruppe mit 1009 Personen nach Warschau
15.9.1942 Großmutter Sophie mit ihrer Tochter Rebecca Fromm ab Frankfurt nach Theresienstadt
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
29.11.1942 Schwester Gerda auf den 26. Osttransport von Berlin nach Auschwitz
16.1.1943 Tod der Großmutter in Theresienstadt
29.1.1943 Tante Rebecca auf Transport C t von Theresienstadt nach Auschwitz
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
31.3.1943 Die Belegschaftsliste des Landwerk Neuendorf enthält 96 Männer (drei abwesend) und 66 Frauennamen
7.4.1943 Zustellung der Transportlisten für Neuendorf
10. 4.1943 169 Chawerim aus Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager ehemaliges jüdisches Altenheim Große Hamburger Straße 26; in Berlin vom Transport zurückgestellt 16 Personen (Geltungsjuden, Juden aus privilegierten Mischehen etc.)
19.4.1943 Chawerim aus 10 jüdischen Einsatzlagern, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde auf dem 37. Osttransport von Berlin nach Auschwitz (Fabrikaktion)
Esther Bejarano erinnert sich:
„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“
Esther berichtet auch, dass viele alte und schwache Menschen diese mehrere Tage dauernde Fahrt in den Viehwaggons nicht überlebten. Ihre Leichen blieben die ganze Zeit in den Waggons.
Mit Esther saßen viele der Jugendlichen im Waggon, mit denen sie in Neuendorf zusammen war: Eli Heymann, Schimschon Bär, Schoschana Rosenthal, Miriam Edel, Anne Borinski, Hilde Grünbaum, Karla und Sylvia Wagenberg, Herbert Growald und noch viele andere.
20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:
„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“
Sie wird zur Zwangsarbeit im Auschwitzlager Birkenau eingewiesen; Auschwitz-Häftlingsnummer ?
Tod von Margot Hes in Auschwitz
Der Weg des Vaters
Bis 1908 Josef Hes Besuch der Oberschule in Emden
Bis 1920 in Osterode im Harz
1920 als Kantor nach Malmö
1930-1938 betreibt er eine Privatklinik, „rituelle Pension“ für „Psychopathen und Nervöse“
2.4.1934 Tod der Ehefrau Betty in Idstein
1937 Josef Hes per Inserat „eine Krankenschwester mit Kochkenntnissen“ für das Psychopathenheim
Einstellung von Hedwig Preiss als Krankenschwester und Köchin; spätere Heirat
10.11.1938 Josef Hes verhaftet in der Pogrom Nacht
Grete Hes berichtet über die Pogrom-Nacht in Idstein
10.11.1938 Flucht aus Idstein zur Großmutter Sophie nach Frankfurt, Rückertstraße 45
14.11.1938 Inhaftierung des Vaters Josef Hes „in Schutzhaft“ im KL Dachau
1938 Sohn Myrtin gelingt die Flucht nach Zürich
Januar 1939 Entlassung des Vaters Josef Hes aus der „Schutzhaft“ im KL Dachau
1939 sucht er Unterstützung für die Emigration nach Shanghai beim Harbin-Shanghai-Bureau für sich, seine Frau und drei Kinder
Ab März 1939 Vater Josef Angestellter im Büro Lypold
Dezember 1940 Flucht nach Zagreb
Januar 1941 in Draganice
Oktober 1941 über Ljubljana nach Italien
Dezember 1941 in Urbino (Pesaro) Italien
September 1944 in Rom
Februar 1945 zurück nach Urbino
März 1945 zurück nach Rom;
Oktober 1946 Antrag des Vaters Josef , Sohn Myrtin in Zürich besuchen zu dürfen
1948 in Rom IRO-Antrag auf Ausreise in die USA Kanada, Palästina
10.9.1950 Rückkehr nach Deutschland
11.10.1953 Tod in Frankfurt
Schwester Senta Hes
17.11.1937 in Berlin, Pariser Straße 47 bei Liebreich gemeldet als Kinderpflegerin
20.5.1940-5.11.1941 Zwangsarbeit in den KODAK-Werken in Berlin Köpenick, Fotochemische Werke, in der Duplex-Abteilung; Entlassung „ordnungsgemäß“
29.7.42 Gesprächsprotokoll dere RVJD mit den Gestapo-Beamten Stübbe, Prüfer und Dobberke : „Ausser den laufenden und den grossen Alterstransporten sind für den Monat August noch folgende grosse Osttransporte a 1000 Transportteilnehmer vorgesehen. Am 15.8. und am 31.8.1942. Woher die Teilnehmer für diese Osttransporte genommen werden sollen, wird noch geklärt werden. Herr Dobberke wies darauf hin, dass nach dem bisher vorliegenden Material mit kaum mehr als 300 Transportteilnehmern zu rechnen ist. Mit Rücksicht hierauf sollen behördlich die Fragen der Heranziehung in Arbeitseinsatz Befindlicher und in Mischehe Lebender geklärt werden.“
15.8.1942 18. Osttransport mit 1001 Juden von Berlin nach Riga
18.8.1942 Ankunft in Riga-Skirotava; von den 1001 Deportierten hat nur eine Person Riga überlebt
Die Großmutter Sophie Hes und Tante Rebecca Fromm
Sophie Hes geb. Wertheim zog nach dem Tod ihres Mannes Joel zur ebenfalss verwitweten Tochter Rebekka Fromm nach Frankfurt, Rückertstraße 1945
Nach der Pogromnacht kommt die Familie ihres Sohnes Joseph zunächst auch dort unter
Sophie Hes und Tante Rebekka Fromm auf Transport XII/3 von Frankfurt nach Theresienstadt
Sie wohnt zusammen mit Tochter Rebekka in Block I 206 Zimmer 128
16.1.1943 Tod von Sophie Hes in Theresienstadt; Diagnose des jüdischen Arztes Leo Markes: Marasmus (Auszehrung), Altersschwäche
29.1.1943 bereits zwei Wochen später Rebekka Fromm auf dem Transport Ct von Theresienstadt nach Auschwitz, wo sie unmittelbar nach Ankunft in der Gaskammer ermordet wird.
Gedenken
14.1.1977 Page of Testimony für die Großmutter Sophie von Cousin Justin Joel Fromm, Kanada, dem Sohn der Tante Rebekka
Grabstein für Bruder Joel auf dem New Ramat Hasharon Morasha Cemetery
Quellen
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1071982
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1071879
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de862848
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de871544
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1071778
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1071879
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11211198
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11211199
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/5046042
BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)
Max Kreutzberger Collection, Leo Baeck Institute, MF 798
Harald Lordick, Das Landwerk Neuendorf: Berufsumschichtung – Hachschara – Zwangsarbeit; in Pilarczyk, Ulrike (Hrsg) Hachschara und Jugendalija, Schulmuseum Steinhorst, 2019
Lore Shelley (Editor), The Union Kommando in Auschwitz, Lanham, New York, London, 1996
Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010, Hartung Gorre Verlag
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316
Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten
Harald Lordick, Landwerk Neuendorf in Brandenburg, in: Kalonymos, 2017, Heft 2
Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989
Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013
Anneliese Ora-Borinski, Erinnerungen 1940 – 1943, Kwuzat Maayan-Zwi, Israel 1970
Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386
Video-Interview mit Issy Philipp 1994
Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015
Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Sehr geehrter Herr Dr. Wittstamm,
ich melde mich hier aus Idstein im Taunus, weil ich Ihren Artikel zu Margot Hes mit großem Interesse gelesen habe! Vielen Dank dafür!
Ihr Vater Josef Hes war der letzte Lehrer und Shochot in Idstein, der von 1930 bis 1938 eine rituelle Pension für „Pyschopathen und Nervöse“ betrieb. Nach meinen Unterlagen hatte er fünf Kinder!? Ich glaube die Mutter dieser Kinder war Berthy Hes geborene von der Wall aus Norden in Ostfriesland. Sie starb hier laut Sterberegister am 2.4.1934 im Alter von 39 Jahren.
1937 suchte Josef Hes per Inserat eine tüchtige Krankenschwester mit Kochkünsten für sein Privatheim. Dies war möglicherweise Grete Preish (*1907), die 1928 bis 1933 Mitglied der SPD in Hamburg war und die er später heiratete. Sie war die Stiefmutter der folgenden Kinder:
1. Myrtil Hes (*7.11.1930 in Malmö) Er überlebte in Zürich, wurde Kürschner und gründete eine Familie.
2. Eine weitere Tochter ist mir noch unbekannt, aber Josef Hes suchte 1934 per Inserat im Israelitischen Familienblatt eine Stellung für seine 17 1/2 Jahre alte Tochter als Kindermädchen für ein pyschopathisches Kind oder „zu einer nervösen Dame“.
3. Margot Hes (*28.6.1924 in Wenkheim)
4. Gerda Hes (* 25.5.1925 in Gailingen)
5. Joel Hes (*9.7.1930 in Idstein)
Weil ich zum 9.11. an einem Zeitungsartikel zu Josef Hes recherchiere, würde mich sehr interessieren, welche Verbindung Margot Hes nach Recklinghausen hatte. Haben Sie irgeneine Idee, warum der ältesten Sohn in Malmö geboren wurde? Haben Sie weitere Informationen über Joel Hes?
Ich kann Ihnen gerne Dokumente schicken und auch einen Bericht von Grete Hes-Gruber, die mit den drei jüngsten Kindern und ihrem Mann nach der Pogromnacht Idstein fluchtartig verlies.
Viele Grüße an Sie von hier aus Idstein
Silvia Berger-Hönge