Leschziner Rosel

Rosel Leschziner geb. Wolf später Rosenthal

*9.3.1903 in Herleshausen; ✡ in Riga

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Seligmann Wolf *18.8.1861 in Nesselröden; ✡25.10.1940 in Herleshausen

Mutter Frida Ledermann *1.3.1866 in Meiningen; ✡ 27.10.1942 in Theresienstadt

Onkel Meier Wolf *1854 in Nesselröden; ✡16.1.1933 in Nesselröden

Tante Bertha Wolf geb. Jakob geb 27.6.1868 in Schmalkalden;

Geschwister

Betti „Paula“ Wolf *5.9.1895 in Herleshausen; ✡ 10.12.1936 in der Anstalt Bethel, Bielefeld, Gadderbaum

Beruf

Adressen Herleshausen, Häusern Hainertor 11 und 15 b; Westerkappeln; Hannover, Braunauerstraße 12, zuletzt Judenhaus

Heirat

1.Ehe 27.5.1930 in Herleshausen Viehhändler Erich Leschziner (*19.8.1904 in Roßberg); (Foto 1974)

Scheidung 9.2.1932

2.Ehe 1939 Paul Rosenthal *5.7.1896 in Göttingen (zuvor mit Wally R. verheiratet)

Kinder –

Die Hachschara Bewegung

In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.

Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.

Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachscharalager (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).

So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.

Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.

Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.

Hof Stern in Westerbeck

Der erste Hachschara-Hof in Westfalen entstand in der Gemeinde Westerkappeln. Die Umschulungs- und Einsatzlager des RVJD in Bielefeld und Paderborn folgten erst später und bestanden von 1939 bis 1943. Die Brüder Leo (1900-1938) und Rudolf Stern (1898-1957) aus Osterkappeln hatten den Hof Elstroth, Westerbeck mit der Hausnummer 74 in der Gemeinde Westerkappeln mit 20 Hektar Land Ende 1932  bei einer Zwangsversteigerung erworben.In den Jahren 1933 bis 1938 verpachteten sie den Großteil ihres Hofes Stern an den jüdischen Pfadfinderbund „Makkabi Hazair“, der hier eine Hachschara-Stätte errichtete. Ab Januar 1934 arbeiteten und lernten hier 104 „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) von 15 und 17 Jahren in der sogenannten Mi-Ha (mittleren Hachschara): 32 Mädchen und 72 Jungen. Manche blieben nur wenige Wochen, andere bis zu eineinhalb Jahren.

1937 in Westerbeck auf dem Hof Stern 27 Bewohner gemeldet

Die Leitung des Hofes lag zuletzt bei dem aus Syke bei Bremen stammenden Ehepaar Dora und Siegfried Löwenstein, die mit ihrer Tochter Grete auf dem Hof lebten.

Von Juni 1936 bis zum Februar 1938 verließen viele Jugendliche den Hof, zumeist in ihre Heimatorte, das häufigste Abmeldedatum war der 18.2.1938.

9./10. November 1938 in der Pogromnacht überfiel ein SA-Trupp den Hof. Das Verwalterehepaar Löwenstein wurde brutal misshandelt, das Mobiliar wurde zerstört, Fensterscheiben wurden zerschlagen. Vier junge Männer lebten zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Hof Stern. Sie wurden ebenso wie der Verwalter Siegfried Löwenstein festgenommen und in Westerkappeln inhaftiert. Während Löwenstein nach einer Woche auf den Hof zurückkehren konnte, wurden die vier anschließend für einige Wochen ins KZ Buchenwald verschleppt. Einem der vier gelang noch die Flucht ins rettende Ausland. Die anderen drei wurden später in den Osten deportiert und kamen in Buchenwald, in Riga und Stutthof um

Weiterer Lebensweg

1922 Schwester Betty nach Bethel, Bielefeld Gadderbaum

1925 Eröffnung eines Kindergartens in der Turnhalle des TuS Herleshausen

1928 Aufgabe des Kindergartens, sich für 1928 nur zwölf Kinder anmelden

1928-1932 Sommerferien-Betreuung jüdischer Kinder im Ferienheim in der Neuen Mühle

1930 Heirat Erich Leschziner

1932 Scheidung von Erich Leschziner

1932-1934 Pension für jüdische Ferienkinder auch in den Häusern Hainertor 11 und 15 b,

1934-36 Pension für jüdische Erwachsene im Elternhaus

November 1935 bis März 1936 abgemeldet nach Frankfurt (als Kindermädchen?)

Rechtsstreit um die Sommerpension

22. 4.1936 stellt den vorgeschrieben Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb eines Fremdenheims im Haus ihrer Eltern

20.7.1936 Ablehnung des Antrages; Widerspruch; Verwaltungsstreitverfahren vor dem Kreisverwaltungsgericht

31.8.1936 Kreisverwaltungsgericht gibt dem Kommissar zur Wahrnehmung des öffentlichen Interesses Recht, die Erlaubnis für den Pensionbetrieb nicht erteilt; Widerspruch

10.12.1936 Tod der Schwester Betti in der Anstalt Bethel Haus Kanaa

Es steht zu vermuten, dass Rosel ihrer Schwester Betti in der Sterbephase beigestanden ist.

Dezember 1936 Rosel Leschziner zur Hachschara auf den Hof Westerbeck/Stern Hachscharastätte des jüdischen Pfadfinderbundes „Makkabi Hazair“ auf Gut Westerbeck in Westerkappeln

9.7.1937 Erlaubnisurkunde des Kreisverwaltungsgerichts nach Zahlung der Schankerlaubnissteuer

27.7.1937 Ankunft von Erich Leschziner in Santos, Brasilien

13.10.1937 aus Westerkappeln abgemeldet nach Herleshausen

Sommer 1938 Wiedereröffnung mit 7 Pensionsgästen

25.7. 1938 Meldung an den Landrat, dass sieben Gäste verpflegt wurden, von denen fünf im Haus untergebracht waren. Diesen stand nur ein Abort außerhalb des Hauses zur Verfügung, zudem sei die Abortgrube überfüllt. Fischer empfahl die „Zurückziehung der Erlaubnis“.

Bürgermeister Fehr teilte dem Landrat mit, dass „die Pension am 18.8.38 geschlossen worden ist“

17.5.1939 bei den Eltern in Herleshausen bei Minderheiten-Volkszählung

Anfang September 1939 nach Heirat mit Paul Rosenthal nach Hannover, Braunauerstraße 12 zur Untermiete; Zwangsumzug ins Juden-Ghettohaus, jüdisches Altersheim im Stadtteil Kirchrode, Brabeckstr. 86

„Aktion Lauterbacher“ und Deportation nach Riga

 „Aktion Lauterbacher“ benannt nach dem Gauleiter Hartmann Lauterbacher

3. 9.1941 Polizeilicher Räumungsverfügung für rund 1.200 Juden in Hannover, ihre Wohnungen bis 18 Uhr am 4. September zu räumen. Zwangsumzug ins Juden-Ghettohaus Tiergartenstraße

15.12.1941 Von Bahnhof Fischerhof in Hannover-Linden nach Riga Skirotawa

18.12.1941 Ankunft Rangierbahnhof Skirotawa, Fußmarsch ins Ghetto Riga

Juli-2. November 1943 schrittweise Auflösung des Ghettos Einrichtung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald und verschiedener Betriebslager mit lokaler Kasernierung

Nach der Ankunft in Riga keine weiteren Nachrichten von Paul und Rosa Rosenthal

Tod von Paul und Rosa Rosenthal in Riga

Juni 1942 Schriftwechsel in Herleshausen betreffend den Verkauf des elterlichen Hauses:

„Meier Wolf und Frau Röschen Rosenthal geb. Wolf als Eigentümer von Flur 11 Nr. 80, Hausgarten,

10,20 ar [und] Flur 8 Nr. 80, Acker, 8,21 ar..“

23.7.1942 Julie Wolf geb. Müller aus Herleshausen ->Theresienstadt; 15.4.1943 Theresienstadt

6.9.1942 Mutter Frieda mit Schwägerin Berta aus Herleshausen nach Theresienstadt

29.9.1942 Tante Berta Wolf von Theresienstadt auf Transport Bs nach Auschwitz

27.10.1942 Tod der Mutter Frieda in Theresienstadt

Gedenken

Quellen

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de911373

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de954084

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de994227

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/5135676

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/5135511

https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_nwd_411215-1.html

Peter W. Lande,  Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History

https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/ein-kibbuz-in-westfalen/

https://archive.org/stream/MitteilJdischerPfadfinder/Nr.%2010%20%281936%29_djvu.txt

Jüdische Einwohner von Westerkappeln seit 1933 mit Belegungsliste Westerbeck, erstellt von der Gemeinde Westerkappeln am 14.11.1946

https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_nwd_411215.html

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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