Hans Rudolf Rudi David
*24.9.1919 in Sondershausen; ✡13.4.2009 in Beer Yakov
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Siegfried Simon David *13.9.1884 in Sondershausen; ✡18.12.1942 in Auschwitz
Mutter Babette Rosenthal *15.7.1889 in Mellrichsstadt; ✡14.3.1937 in Sondershausen
Großeltern Rudolf David und Mathilde Weinberg, beide 1930 verstorben
Onkel Zwillingsbruder des Vaters Dr. jur. Ludwig David *12.9.1884 in Sondershausen; Rechtsanwalt in Sondershausen; oo Matilde Kastenberg
Geschwister
Herbert Joshua David *14.2.1921 in Sondershausen; ✡ 20.11.2005 in Arbel, Kinnereth; oo 1947 in Kinnereth Margot Kramer *1.3.1925 in Berlin
Beruf Landwirtschaftlicher Arbeiter, Lagerleiter
Adressen Sondershausen; Netzer Sereni
Heirat 18.8.1963 in der Rambam Synagoge von Beer Yakov mit Shoshana Ben Yakar *1930; beide wohnhaft in Netzer Sereni
Kinder
Lior David
Weiterer Lebensweg
Vater betreibt eine Strickerei in Sondershausen
4 Jahre Volksschule
4 Jahre Mittelschule
1933 zur Lehre in den Textilbetrieb des Vaters
Er stellt einen Antrag zur Unterstützung der Ausreise nach Shanghai bei der Israel. Gemeinde Leipzig
Auswandererkartei Leipzig
März 1938 Flucht von Onkel Ludwig mit Ehefrau Matilde nach Palästina
31.3.1938 Einreise von Onkel Ludwig mit Kapitalisten Zertifikat A (I) in Haifa
April 1938 Rudy mit Bruder Herbert David zur Hachschara ins Landwerk Neuendorf;
Ebenfalls 1938 kommt Ohny Ohnhaus nach Neuendorf, er schreibt:
“ Es gab drei Gruppen auf dem Hof: Religiöse Gruppe – P. Yip(?) und Wolfi (Wolfgang Meyerstein) waren in dieser Gruppe; Rudy (David) war in der allgemeinen Gruppe; und ich war in der zionistischen Gruppe.“
10.11.1938 Vater Siegfried verhaftet im Novemberpogrom, als Aktionsjude in „Schutzhaft“ in Buchenwald;
Novemberpogrom im Landwerk Neuendorf
Die Holocaust-Überlebende Eva Gillat berichtet, dass 12 bewaffnete SA-Männer auf Motorrädern das Gutshaus umstellten und die gesamte Belegschaft – mit Ausnahme derjenigen, die die Tiere auf dem Hof versorgten – dort zwangsweise festgehielten. Die Bewohner des Landwerks verbrachten fünf lange Tage auf dem hermetisch abgeriegelten Areal, unter der Drohung der Besatzer, den Gutshof samt den eingesperrten Menschen niederzubrennen. Hinzu kam die beständige Sorge und bedrückende Ungewissheit über ihre Angehörigen ›zuhause‹ in diesen Novembertagen. Die Mädchen hielten nachts in den Schlafräumen abwechselnd Wache aus Angst vor Vergewaltigung. Männer, die über 20 Jahre alt waren, etwa 40 Personen, seien in das ›KZ Sachsenhausen‹ verschleppt worden.
Kurt Gumpel berichtet:
»… eines Nachts plötzlich ein SS-Trupp auftauchte, der die Praktikanten in das KZ Sachsenhausen verbringen sollte. Nur dem beherzten Eingreifen des jüdischen Leiters der Einrichtung, Alex Moch, gelang es, den SS-Führer zu überzeugen, dass der landwirtschaftliche Betrieb nicht ohne ausreichende Arbeitskräfte geführt werden könnte, so dass wenigstens der jüngere Teil der Praktikanten, darunter auch Kurt, verschont blieb.«
Dez. 1938 Entlassung des Vaters aus Buchenwald;
Mai bis September 1941 Auflösung der Hachscharalager Ahrensdorf, Jessen, Havelberg u.a.; Verlegung der Chaluzim in das Lehrgut Neuendorf im Sande; nur ein kleiner Teil darf noch im Landwerk selbst arbeiten, die meisten werden zur Zwangsarbeit bei Unternehmen in Fürstenwalde verpflichtet.
Rudy David schreibt:
„Im Jahre 1939 hatte ich auch die Möglichkeit, nach Kenia oder Santo Domingo zu gehen. Dann gab es auch die Möglichkeit, nach Eretz Israel zu gehen, aber da ich eine Freundin hatte und sie keine Erlaubnis bekam, mitzukommen, blieb ich in Neuendorf.“
Sommer 1941 Rudy David ins Forsteinsatzlager Hasenfelde, er schreibt:
„Ich zog in ein Arbeitslager in Hasenfelde. Wir waren dort eine Gruppe von 30 Leuten. Die meisten arbeiteten auf einem deutschen Landgut, und ich hatte zufällig das Glück, bei einem Privatbauern angestellt zu sein, zu wesentlich besseren Bedingungen, was Lebensmittel usw. angeht.
Hasenfelde war ein kleines Dorf. Dort bekamen wir ein Haus und lebten alle zusammen.“
u.a auch Heinz Cohn (*14.4.1914 in Hombruch, Dortmund; ✡ 22.4.1943 in Auschwitz) dessen Vater Max auch aus Sangershausen kam.
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“ zur Vorbereitung der „Fabrikaktion“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
7.4.1943 Zustellung der Transportlisten für Neuendorf
10.4.1943 mit 14 Chawerim und ein Kleinkind aus Hasenfelde mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit einem regulären Zug von Fürstenwalde nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager ehemalige Jüdische Mittelschule in der Große Hamburger Straße
19.4.1943 auf dem 37. Osttransport von Berlin nach Auschwitz
Esther Bejarano erinnert sich:
„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“
20.4.1943 Bei der Selektion an der Rampe wird Rudy Dawid zur Zwangsarbeit im Auschwitz-Nebenlager Monowitz eingewiesen; die Auschwitz-Häftlingsnummer 116960 wird ihm in den linken Unterarm tätowiert.
Nach der Quarantäne in den Blöcken 23 und 24 zur Zwangsarbeit im Kabelkommando und Kommando 80 Elektrikerkommando
Todesmarsch von Auschwitz nach Dora und Bergen-Belsen
15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten
18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca. 60 000 Häftlinge; 10000 Männer aus Monowitz
18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau
Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:
Asher Aud:
„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“
Sigmund Kalinski:
„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“
Rudy David über den Marsch nach Gleiwitz:
„Wir gingen zu Fuß und dieser Marsch ging durch Schnee und Kälte und viele Leute blieben auf dem Weg, weil sie nicht weitermachen konnten. Ich erinnere mich nur noch an die SS, die auf sie geschossen haben. Ich weiß auch, dass einige der Menschen während dieser Reise weggelaufen sind und es geschafft haben, sich in den Wäldern und an allen möglichen Orten zu verstecken.“
Isidor Philipp berichtet:
„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“
19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück, Sachsenhausen
Isidor Philipp berichtet:
„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“
Nach einer 11-tägigen Irrfahrt durch Schlesien, Tschechien, Deutschland Österreich kommen sie endlich im KL Dora-Mittelbau an, wo in Tunneln die V1 und V2-Raketen-Produktion betrieben wird.
Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.
Rudy David hat Glück und kommt ins Kleinteilelager.
März 1945 Auflösung von Dora-Mittelbau, die Häftlinge werden in die KL Bergen-Belsen,Neugamme, Ravensbrück getrieben.
Rudy David kommt nach Bergen-Belsen
15.4.1945 Befreiung von Bergen-Belsen durch die Royal Army
April 1945 Rückkehr von Rudy David nach Sondershausen:
„Ich habe niemanden aus der Familie gefunden. Die Häuser und die Fabrik standen. Ich ging zunächst zum Bürgermeister, um das Nötigste zu besorgen – Lebensmittel und Kleidung. Der Bürgermeister sah mich und kannte unsere Familie gut. Er brachte mich ins Zimmer und wir saßen dort – ich glaube – fast zwei Stunden und es war ihm egal, wer vor der Tür stand. Er sagte mir: „Nehmen Sie die Fabrik zurück und wir werden sehen, was als Nächstes kommt.“ Das tat ich, ich bekam dort eine Wohnung und bekam, was ich brauchte, und ich ging zurück, um in der Fabrik zu arbeiten.
Und weiter:
Als ich bei der Anlage ankam, lief sie. Die Person, die es aktiviert hat, war ein Nazi. Er rannte weg und blieb weg. Der Bürgermeister und die Leute, die irgendein Amt innehatten, halfen mir, und ich kam ohne Probleme wieder rein. Ich begann zu arbeiten. Ich habe dort etwa eineinhalb Jahre gearbeitet.“
Dann wird ihm die Gängelei durch die KPD zuviel, er flüchtet von der russischen in die englische Zone, findet dort aber niemand mehr von der NOHAM Gruppe, lebt noch einige Zeit bei einem Freund in Lübeck
Sommer 1949 nach Marseille
August 1949 Einreise in Haifa, Er geht zu nächst in den Kibbuz Ginosar, wo sein Bruder Herbert lebt, wechselt dann aber in den Kibbuz Netzer Sereni
Später ist er Lagerleiter in der Möbelfabrik von Netzer Sereni
Zelig Lesh aus dem Kibbuz erinnert sich:
„Wir verkauften Möbel an Fabriken, die damals im Industriezentrum in Nes Ziona ansässig waren, und machten große Aufträge, und an viele andere Käufer, die kamen, um im Showstore zu kaufen. Rudy David war der Lagerleiter der Schreinerei. Ich erinnere mich, dass es ohne ihn nichts gäbe. Sein Lager hatte alles.“
18.8.1963 Heirat in der Rambam Synagoge in Beer Yakov mit Shoshana Ben Yakar; beide wohnhaft in Netzer Sereni
13.4.2009 Tod an Candida-Septikämie in Krankenhaus Shmuel Harofe, Beer Yakov
Alija Beth des Bruders – Sonderhachschara VII – der Paraguay-Transport- Untergang der Patria
August 1940 Bruder Herbert auf die illegale Alija beth ohne Einreise-Visa. Nach Ankunft in Haifa werden die Ma’apilim auf die SS PATRIA umgeladen; um die vorgesehene Deportation nach Mauritius zu verhindern zündet die Haganah eine Bombe im Maschinenraum; das Schif geht mit 250 Ma’apilim unter. Bruder Herbert gehört zu den Geretteten. Nach 10 Monaten im Internierungscamp der Briten in Atlit geht er in den Kibbuz Ginosar.
Das Schicksal des Vaters
1930 der Vater übernimmt die Strickerei des Großvaters Rudolf David in Sondershausen; Betrieb 1936 eingestellt
1922 beginnt er eine Liebesbeziehung zur „arischen“ Haushälterin Schlüter
1928 trennt er sich von seiner Ehefrau und wohnt nun mit Marie Schlüter zusammen, dies auch nach Erlass der Rassengesetzen 1935
1.1.1936 Verkauf des Wohnhauses; er wird selbst dort Mieter
1936 Aufgabe der Strickerei
Vater Ludwig wird Obmann der jüdischen Gemeinde
20.3.1941 Zwangsarbeit als Straßenkehrer in Nordhausen
20.9.1941 vorläufige Festnahme nach Denunziation
20.12.1941 Vater vom Landgericht in Erfurt wegen „fortgesetzter Rassenschande“ in den Jahren 1935 bis 1941 zu 18 Monaten Zuchthaus und 3 Jahren Ehrverlust verurteilt
20.9.1941 –1.12.1942 Vater Siegfried im Landsgerichtsgefängnis in Weimar und Zuchthaus in Halle
2.12.1942 mit Gefangenentransport nach Auschwitz
18.12.1942 Tod des Vaters in Auschwitz
Gedenken
Pages of Testimony für den Vater Siegfried von Jehuda und Rudi David
Quellen
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/12067184
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1004435
https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Manfred de Vries, Mauritius – Insel des Lebens, BtJ-Magazin, April 2019
https://www.ushmm.org/online/hsv/person_advance_search.php?SourceId=19584
https://www.ushmm.org/online/hsv/source_view.php?SourceId=19561
www.raoulwallenberg.net/general/ruth-kl-uuml-ger-mossad-le/
Rudolf Stern (Chawer aus Dortmund), Meine Aliyah – 13. Oktober 1939 – 29. Januar 1940; unveröffentlichtes Manuskript, 1987
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212894
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130832620
Arolsen Archives, Signatur 15510045a