Kettner Lilly

Lilly Kettner ; verw. Ticho; verh. Ofek

*2.4.1923 in Floridsdorf, Wien; ✡ 2011

Staatsangehörigkeit Österreich

Religion jüdisch

Vater Ludwig Kettner *13.7.1888 in Wien; ✡ ? in Israel

Mutter Franzi Winkler*20.4.1889 in Wien ; ✡ ? in Israel

Geschwister keine

Beruf landwirtschaftliche Praktikantin; Kinderpflegerin

Adressen Wien, Hauptstraße 25; Amsterdam, Herculesstraße 15

Heirat

1. Ehe 10.1.1948 Josef Aharon Paul Ticho *30.8.1918; ✡23.3.2005

2. Ehe Chaim Ofek *1911; Schatzmeister im Kibbuz Netzer Sereni; ✡1990

Kinder zwei

Vardit Ticho *November 1950

Freundin HannaHannerl Rubel *8.10.1922 in Wien; 1998 in Haifa, Autounfall; oo Karl Glesinger; oo Fritz Lindner

Weiterer Lebensweg

Vater im 1. WK in rusischer Kriegsgefangenschaft; stellvertr. Direktor einer Privatbank mit Prokura in Wien

Volkschule und fünf Jahre Mittelschule in Wien bis zum Einmarsch der Wehrmacht in Österreich

12./13.3.1938 Einmarsch der Wehrmacht, Annexion von Österreich

Dezember 1938 Lilly Kettner auf Kindertransport von Wien nach Den Haag

11.12.1938 Quarantäne in Den Haag, Copernicusstraat 159

10.1.1939 Huize Overvoorde, van Vredenburchweg 174, Rijswijk

13.9.1939 Huis ten Vijver, Dwarsweg 3, Scheveningen

2.2.1940 Loosdrecht, Jugend-Aliyah-Centrum im „het Paviljoen“, Loosdrecht; in ihrem Bericht erwähnt Lilly Kettner die Madrichim Lodi Cohn, Menachem Pinkhoff, seine spätere Frau Miriam Waterman, Hannah Asher und deren Mann Naftali, Betty Britz später Stern, Joachim „Schuschu“ Simon, Erika Blüth, Sekretärin der Jugendalija in den Niederlanden und den Abgesandten aus dem Kibbuz Na’an: Uri Kochba

10.5.1940 Einmarsch der Wehrmacht in die Niederlande; dadurch zerschlägt sich die für den Juni vorgesehene Alijah, an der Jugendliche unter 18 Jahren mit Verwandten in Palästina teilnehmen sollten.

Herbst 1941 Lilly Kettner von Loosdrecht als Haushilfe in einer Familie in Amsterdam; Ausbildung zur Kinderpflegerin in der Jüdische Kindertagesstätte in der Middellaan, unmittelbar gegenüber der „Joodse Schouwburg“, dem Sammellager für die Transporte ins Judendurchgangslager Westerbork.

Von der Krippe aus hilft sie dabei, zahlreiche Kinder aus der Schouwburg beim Morgenspaziergang in die Illegalität zu schleusen

Sie bekommt einen „Oproep“ zur Deportation nach Westerbork, kann aber durch Erika Blüth vom Joodse Raad von Amsterdam zunächst wegen ihrer Funktion in der Kinderkrippe eine Freistellung bekommen. Sie hat durch ihre Eltern in Palästina die „Albersheimverklaring“ als potenzielle Austauschkandidatin

8.7.1942 Lilly Kettner freigestellt vor Deportation wegen ihrer Funktion in der Kinderkrippe Lilly Kettner

20.6.1943 Große Razzia in Amsterdam,

14.7.1943 Zentrumsrazzia, Razzia in der Kinderkrippe, alle Bewohner werden verhaftet und zum Bahnhof gebracht, um nach Westerbork deportiert zu werden

24.7.1943 Lilly Kettner ins Lager Westerbork eingewiesen; Rolf Rosenthal, einer der Loosdrecht-Chaluzim sorgt dafür, dass sie sie in die Baracke 69 kommt, wo auch andere Chaluzim einquartiert sind.

Enge Freundin in Westerbork: Hannerl Rubel aus Wien

Enge Freundin Hannerl Rubel aus Wien

Lilly Kettner fährt täglich mit einer Gruppe über Assen mit dem Zug zum Arbeitseinsatz in einer Marmeladenfabrik nach Meppel.

September 1943 Mit Hilfe von Miriam Waterman aus der Gruppe um Joop Westerweel gelingt ihr am Bahnhof Meppel mit gefälschten Papieren die Flucht als Aafje van Hoving.

Sie kommt in dem grenznahen Ort Sevenum in Limburg bei der Familie Jan und Ellie Enckevoort als Landarbeiterin unter.

Dezember 1943 kommt Joop Westerweel nach Sevenum, um die untergetauchten Chaluzim zu bestärken

Lily Ofek berichtet eine besondere Episode:

„Man darf sich an den Morgen erinnern, als ein schickes Auto im Dorf anhielt und hochgewachsene Beamte begannen, nach einem „Versteck“ zu suchen, geführt vom einzigen Spitzel im Dorf, einem Mann, der keinen Tag arbeitete und dessen Familie von den Bauern unterstützt wurde. Das Dorf war so gut organisiert, dass innerhalb von Minuten alle untergetaucht waren und die Nazis niemanden fanden. Einige Tage später kam ein anderer Wagen mit hohen Offizieren, um den Informanten zu einem dringenden Treffen einzuladen, von dem aus er nicht mehr zurückkehrte. Dies zweite Gruppe von „Gestapobeamten“ waren in Wirklichkeit Mitglieder des Untergrunds in Verkleidung.“

18.September 1944 Befreiung von Eindhoven und Sevenum

18. 9.1944 Eindhoven feiert ausgelassen die Befreiung. Die US und britischen Truppen werden mit Jubel und Gesang empfangen. Die Leute tanzen voller Freude auf den Straßen.

19.9.1944 Bomber der deutschen Luftwaffe bombardieren Eindhoven mit hohen Verlusten unter der Zivilbevölkerung

Lilly Kettner über die Befreiung im benachbarten Sevenum im November 1944

„Und die letzte Geschichte über die Besatzung: die Stimme des alten Mannes, sein aufgeregter Schrei: „Kinder, raus, raus, ihr alle! Ich schüttelte ihnen die Hand! Die amerikanischen Soldaten im Dorf!“

1.3.1945 erst Monate später Befreiung von Venlo  durch die 35. ‚Santa Fe‘-Division der 9. US-Armee

Nach Kriegsende betreut Lilly Kettner untergetauchte Kinder in einem Kinderheim in Dieren.

Sommer 1945 mit Militärlastwagen der Jüdischen Brigade, Abfahrt am Jugendalija-Haus in Loosdrecht, wird sie illegal, getarnt in Uniform über die Grenzen nach Paris und weiter nach Marseille geschleust.

9.8.1945 in Dieren kurz vor der Alija; Foto Ghetto Fighters House

Mit der NOHAM-Gruppe aus dem Gehringshof auf der SS MATAROA

4.9.1945 Abfahrt der SS MATAROA aus Marseille, an Bord 600 legale, darunter die 78 Buchenwald Chaluzim und 300 Ma‘apilim wie Lilly Kettner

8.9.1945 Ankunft von Lilly Kettner als Illegale in Haifa auf der SS MATAROA

Die Briten transferieren die MATAROA-Passagiere mit dem Zug nach Athlit, südlich von Haifa.

Die restliche Wegstrecke zum britischen Internierungscamp müssen sie Fuß gehen; hier gelingt Lilly Kettner mit einigen anderen in der Dunkelheit eine vom Kibbuz Ma’ajan Zvi gut organisierte Flucht.

Ihre Eltern holen sie aus dem Kibbuz Ma’ajan Zvi nach Tel Aviv.

Lilly Ofek berichtet:

„Ich kam als Englischlehrerin nach Na’an, mit meinem jüngsten Sohn, als er acht Jahre alt war. Meine Tochter war damals schon in Nahal in Mevo Hama. In Na’an brauchten sie dringend einen Englischlehrer, und ich hatte schon Jahre zuvor in Givat Ada unterrichtet. In Na’an unterrichtete ich Kinder und Erwachsene. Ich habe auch am Ef’al Seminar im Bereich Erwachsenenstudien unterrichtet.“

1980 lernt sie Haim Ofek kennen den Schatzmeister von Netzer Sereni

„Die Geschichte zwischen Haim und mir wurde verwoben, als ich zum ersten Mal bei ihm zu Hause ankam, als ich ihm erzählte, dass ich in Holland ausgebildet worden war, und er ein großes Album öffnete und mir Bilder aus seiner Zeit als Abgesandter zeigte, der im Auftrag der Agentur illegal nach Frankreich reiste, genau wie ich illegal in Israel ankam.“

1980 zieht sie zu Chaim Ofek in den Kibbuz Netzer Sereni

Im Alter kümmert sie sich um die Rosen im Kibbuz.

Alija beth der Eltern auf der SS TIGER HILL

Nach Flucht nach Prag mit Hilfe von Schleusern können Ludwig und Franzi Kettner auf der Schwarzmeerroute entkommen.

Jürgen Rohwer schreibt über die FROSSOULA und die TIGERHILL:

Ein anderer privater Unternehmer hatte schon am 29.5. den Dampfer FROSSOULA mit 658 Flüchtlingen, vor allem aus der Tschechoslowakei, von Sulina auslaufen lassen. Mehrere Annäherungsversuche an die Küste mussten abgebrochen werden. Schließlich brach wegen der Enge an Bord und der völlig unzulänglichen hygienischen Verhältnisse eine Epidemie aus, die den Kapitän zwang, Beyrouth anzulaufen. Am 16.7. lagen in und vor Beyrouth außerdem noch der unter italienischer Flagge fahrende Dampfer BRESLAU mit 650 und das unter griechischer Flagge fahrende Schiff THESSALI mit 500 Einwanderern sowie der Dampfer OSIRIS mit 6-800 Flüchtlingen an Bord. Sie waren Ende Juni von britischen Kriegsschiffen am Eindringen in die Hoheitsgewässer Palästinas gehindert worden. Auch hier hatten Seuchen und Krankheiten an Bord die Kapitäne gezwungen, in dem unter französischer Mandatsverwaltung stehenden libanesischen Hafen um Landeerlaubnis nachzusuchen, die jedoch nur befristet erteilt wurde.

… die TIGER HILL lief nach Beyrouth ein. Hier übernahm es die aus der Quarantäne entlassenen Passagiere der FROSSOULA. Mit seinen nun 1417 Menschen an Bord traf es am 1.9., dem Tag des Kriegsausbruchs in Europa, vor Tel Aviv ein. Nachdem der griechische Kapitän und die Besatzung das Schiff verlassen hatten, steuerte es unter der Führung von Levi Schwartz die Küste an, doch wurde es etwa eine halbe Seemeile vom Strand entfernt von dem Wachboot LORNA gestellt. Ohne auf die Stoppsignale zu achten und trotz des Maschinenwaffenfeuers der LORNA, bei dem zwei Einwanderer umkamen, setzte Schwartz die TIGER HILL bei Sukria, nahe Tel Aviv, auf Strand. Die „Haganah“ hatten inzwischen an der Küste Tausende von Einwohnern mobilisiert, um die Landung zu unterstützen. Es gelang etwa 300 der Passagiere, an Land unterzutauchen, ehe die Polizeikräfte einschreiten konnten.“

300 Jugendliche springen von Bord und mischen sich mit den vom Strand ins Wasser gegangenen Einwohnern.

Die Erwachsenen werden ins britische Internierungslager Athlit gebracht, wo sie für einige Wochen verbleiben.

Gedenken

Beisetzung des Ehemannes Paul Ticho auf dem Rehovot Old Cemetery

Quellen

http://www.dokin.nl/surviving_children/lilly-kettner-born-2-apr-1923/

https://infocenters.co.il/gfh/pdf_viewer.asp?lang=ENG&dlang=ENG&module=search&page=pdf_viewer&rsvr=5@5&param=%3Cpdf_path%3Emultimedia/Files/Idea/%D7%A0%D7%9B%D7%A0%D7%A1%20011613.pdf%3C/%3E%3Cbook_id%3E54896%3C/%3E&param2=&site=gfh

https://www.wlb-stuttgart.de/seekrieg/ksp/schwarzmeer/juden_flucht_schiffe.htm

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130318457

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/5150169

Nurit Cohen Bacia, Die Geschichte eines Ortes, 1948-2009; O-Sonic-Press, 2009

Judith Tydor Baumel, Kibbuz Buchenwald, Hrsg. Kibbuz HaMeuhedet, Tel Aviv 1994

Zeugnisse aus dem Tal des Todes, Veteranen des Kibbuz Netzer-Sereni erzählen; Oranit Verlag, 1998

https://newrepublic.com/article/151061/road-buchenwald

https://www.jewiki.net/wiki/Netzer_Sereni

https://de.wikipedia.org/wiki/Netzer_Sereni

Home – Deutsch

BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)

https://www.mappingthelives.org

http://www.dpcamps.org/listDPCampsbyTeamNo.pdf

http://www.fuldawiki.de/fd/index.php?title=Gehringshof

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/78790374

Arolsen Archives, Arolsen Signatur DE ITS 2.1.1.1 HE 016 JÜD 7 ZM

https://yvng.yadvashem.org/ad

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch

Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz

Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten

Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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