Herrmann Rosa

Rosa Herrmann geb. Samuel

*22.3.1900 in Freudenburg

Staatsangehörigkeit deutsch, staatenlos

Religion jüdisch

Vater Samuel Samuel *7.5.1864; 1936 New York; ✡1.7.1948 in New York

Heirat der Eltern 5.6.1899 in Osann

Mutter Amalie Ermann *14.2.1874 in Osann; oo 5.6.1899; ✡18.1.1925 in Freudenburg

Schwager Theodor Herrmann *4.7.1900 in Greimerath; ✡24.2.1942 in Paulseck, Zwangsarbeitslager des Ghetto Lodz

Schwägerin Bertha Herrmann *26.2.1884 in Greimerath; ✡ Theresienstadt; oo Max Tobias

Schwägerin Ernestine Herrmann *21.7. 1897 in Greimerath; ✡12.9.1942 Kulmhof; oo Behr

Tante Ida Samuel geb. Weil *5.5.1868 in Steinfurt; ✡ 1942 Auschwitz

Geschwister

Adolf Samuel *25.9.1901 in Freudenburg; ✡ 22.10.1962 in New York; oo Kahn

Jetta Samuel *20.6.1904 in Freudenburg; ✡ 26.3.1998 in USA; oo Kurt Oppler

Willi Samuel *14.2.1906 in Freudenburg; ✡ 23.4.1992 in New York; oo Ermann Betty Samuel *14.9.1907  in Freudenburg; ✡ 4.5.1994 USA

Beruf Hausfrau

Adressen Greimerath; Trier; Köln, Moselstraße 74

Heirat

1.Ehe 1922 Josef Herrmann * 16.11.1894 in Greimerath; ✡28.3.1945 Lauenburg

2.Ehe 1.1.1954 in St. Louis Witwer Jakob Julius Hermann *22.7.1902 Niederzerf; *4.2.1968 St. Louis

Familie Herrmann, Josef, Kurt, Amalie, Bernhard, Rene und Rosa

Kinder

Bernhard Herrmann * 2.6.1923 in Greimerath; ✡14.8.1951 in New York; oo 1950 Barbara Klein

Amalie Herrmann * 21.4.1926 in Greimerath; ✡3.3.1945 in Stutthof

Kurt Herrmann *15.2.1928 in Greimerath; ✡ 3. Sept. 2023; oo Margie Levy (*19.8.1930, ✡24.6.2009 Florida)

Rene Herrmann * 24.1.1929 in Greimerath; ✡ 4.11. 2018

Weiterer Lebensweg

10.11.1938 Reichspogromnacht

„Das Haus der Herrmanns wurde von einem Schlägertrupp aus Losheim verwüstet“.

Die Familie flüchtet aus Greimerath über Trier nach Köln.

Sohn Rene berichtet:

„Während der , Kristallnacht‘ verwüsteten Losheimer und Saarburger SA-Männer unsere Wohnung und warfen Mobiliar und Wäsche auf die Straße. Anschließend wurde ein Trierer Jude namens Siegfried Leib, der in Greimerath arbeitete, mit einem Schild ,Ich bin ein Judenschwein‘ durch das Dorfgetrieben. Die Dorfbevölkerung war entsetzt und aus Angst vor der gewalttätigen, bewaffneten Truppe von fremden SA-Männern unfähig zur Hilfe. Ein RAD-Führer, der mit seinen Leuten bei uns einquartiert war, verhinderte, dass man alle Zimmer verwüstete. Nach dem Abzug der SA-Horde halfen uns Greimerather Männer, die abends von der Arbeit kamen, beim Aufräumen. Sie waren genauso geschockt wie wir.

Vor Kriegsbeginn wurden dann zahlreiche Wehrmachtssoldaten und Westwallarbeiter bei uns einquartiert. Am 3.7.1939 veräußerten meine Eltern ihr Hausanwesen einschließlich des Inventars des Gasthauses und der Metzgerei sowie ihr sonstiges Grundeigentum für 19.350 RM. Anschließend ging die ganze Familie mit Onkel Theo (Theo Herrmann) zunächst nach Trier, dann im Herbst nach Köln und fand dort bei meiner Tante Berta (Tobias, Köln-Porz), der Schwester meines Vaters, Unterschlupf. Wir Kinder besuchten eine jüdische Schule und bleiben insgesamt 2 1/2 Jahre in Köln.“

November 1941 Deportationsbefehl der Gestapo

Sammellager Messehallen Köln Deutz

7.12.1941 deportiert mit 1011 Juden aus Köln nach Riga

12.12.1941 Ankunft Skirotawa, Fußmarsch ins Ghetto Riga; Unterbringung in der Kölner Straße.

14.12.1941 Sohn Bernhard mit 200 jungen Männern aus Köln und Kassel Fußmarsch vom Ghetto in das 18 km entfernte Aufbaulager Salaspils

Juni 1942 Rückkehr von Sohn Bernhard geschwächt aus Salaspils

Ende Januar 1942 Rene feiert Bar Mitzwa in Riga im Betsaal der Kölner Gruppe

Karl Schneider berichtet:

„Schon während Bestehens des Ghettos hatten wir verschiedene Bar-Mizwas zu verzeichnen. Der erste unserer Gruppe war ein Sohn der Eheleute Jupp Herrmanns. Den damaligen Verhältnissen entsprechend wurde dieser hohe Tag der Jugendlichen festlich gefeiert.“

Kurt Herrmann gehörte zu den Jungen der Ordonanz für die Kommandantur und den Ältestenrat auf der Leipziger Straße:

Kurt Herrmann musste sich um den Boxer-Hund von Kommandant Roschmann kümmern; er berichtet:

„Ich lebte in ständiger Angst: Roschmann hätte für diesen Hund alle im Ghetto umgebracht.‘

Eines Tages, kurz nachdem ihm die Ohren gestutzt worden waren, riss sich der Hund los und kroch unter dem Zaun an der Ludzas Iela hindurch, wobei er mit seinen Verbänden im Stacheldraht hängen blieb. Als er den Hund dem Kommandanten zurückbrachte, erinnert er sich:

‚Ich ließ die Leine los und ließ den Hund alleine ins Büro laufen. Ich dachte, wenn er sieht, dass der Verband fehlt, erschießt er mich. Also stand ich einfach draußen und pinkelte jeden Tropfen aus, den ich in mir hatte.‘

Juli-2. November 1943 schrittweise Auflösung des Ghettos; Einrichtung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald und verschiedener Betriebslager mit lokaler Kasernierung; Kommandant des KL Kaiserwald Sturmbannführer Albert Sauer

3. November 1943 Auflösung des Ghetto Riga

November 1943 Familie Herrmann in die Außenkasernierung Armeebekleidungsamt ABA 701 in Mühlgraben

Sommer 1944 Auflösung des KL Kaiserwald, Riga

Juli – September 1944 Transporte der Arbeitsfähigen aus Riga per Schiff nach Stutthof

6.8.-9.8.1944 1. Großer Transport mit der „Bremerhaven“ von Riga nach Danzig

Die Trennung der Familie

28.9.-1.10.1944 Ehemann Josef mit den vier Kindern zusammen mit 3155 Häftlingen aus Riga Kaiserwald, 300 von der Lenta auf dem Frachtschiff „Kanonier“ von Riga->Danzig

Rosa Herrmann bleibt auf der Lenta.

Die Rettung von Rosa Herrmann im AEL Nordmark

29.9.- 3.10.1944 140 Zwangsarbeiter ABA 701 mit dem Frachtschiff „Sanga“ nach Libau, Lettland

13.-14.10. 1944 Die letzten 50 Männer, 10 junge Frauen mit der „Drechtdijk“ auch „Drächtig“ nach Libau

SS-Sonderlager Libau in Lettland, Arbeit im Hafen, Be- und Entladen von Schiffen

22.10.1944 Fliegerangriff auf Libau mit zwei Toten unter den Häftlingen

22.12.1944 schwerer russischer Bombenangriff auf die besetzte Stadt, 13 Lagerinhaftierte kommen um

19. 2. 1945 200 Häftlinge von Libau auf dem mit Granaten- und Patronenhülsen beladenen Kohlefrachter „Balkan“ über die Ostsee erst Richtung Lübeck, wegen Bombenangriffen umgeleitet nach Hamburg;

10 junge Männer bleiben bei der SS in Libau zurück und werden am 9.5.1945 in Libau befreit

27.2.1945 Ankunft in Hamburg, von der Gestapo in Gefängniswagen vom Hafen nach Fuhlsbüttel

27.2.1945 – 11.4.1945 Polizeigefängnis Fuhlsbüttel „Kola-Fu“, Zuchthaus und Konzentrationslager

12.-15.4.1945 86 km Fußmarsch nach Kiel, ins „Arbeitserziehungslager“ (AEL) „Nordmark“ in Hassee, Außenlager des KL Neuengamme in Kiel.

Rettungsaktion „Graf Bernadotte“ durch das Schwedische Rote Kreuz

Nach Verhandlungen des schwedischen Graf Bernadotte und Norbert Masur vom World Jewish Congress, Stockholm mit Heinrich Himmler nahe Berlin werden u.a. 153 jüdische Häftlinge und ihre Kinder nach Schweden freigelassen.

1.5.1945 153 Juden mit weißen Bussen des Roten Kreuz nach Pattburg, Dänemark, Entlausung in der Quarantänestation; weiter mit dem Zug nach Kopenhagen

2.5.1945 mit der Fähre nach Malmö; erste Quarantäne ca. 10 Tage

4.5.1945 Befreiung des AEL Nordmark Hassee durch britische „Royal Army“

13.5.1945 in Smålandsstenar, Schweden in Quarantäne

8.6.1945 Holsbybrunn, Ausländerheim der Schwedischen Ausländerkommission

Dez. 1945 nach Ryds Brunn Ausländerlager, Flüchtlingsheim

18.6.-1.7.1946 Emigration von Rosa Herrmann auf der SS GRIPSHOLM von Göteborg nach New York;

Ziel ist der Vater, der bei Rosa’s Schwester Jetta und Mann Kurt Oppler wohnt

Kontakt Cousin Ludwig Samuel in Stockholm

Befreiung in Goddentow

1.10.1944 Ankunft von Kurt Herrmann mit dem Vater und Brüdern Rene und Bernhard im KL Stutthof

September Ehemann Josef mit den drei Söhnen ins Außenkommando Burggraben bei Danzig, tägliche Verbringung auf die Schichauwerft, U-Boot-Bau

Todesmarsch nach Pommern

Sohn Rene berichtet:

„Ich blieb mit meinem Vater und meinen Brüdern, da Bernhard nicht mehr gehen konnte, im Lager zurück. Dieses wurde im März 1945 zunächst von den Russen beschossen, wobei ich von einigen Granatsplittern verletzt wurde, und am 10.03.1945 befreit. Mein Vater überlebte die Befreiung schwer krank nur um wenige Tage. Meine Brüder und ich kamen in ein russisches Armeehospital in Lauenburg, wo wir, abgemagert – ich wog nur noch 79 Pfund – und typhuskrank, behandelt wurden. Wir wollten aber nicht im russisch beherrschten Gebiet bleiben, verließen daher Mitte September das Hospital und gelangten mit Hilfe eines russischen Majors über Posen und Stettin nach Berlin. Dort blieben wir ungefähr drei Monate: Kurt und ich lebten in einem jüdischen Altenwohnheim, Bernhard verbrachte die Zeit im Krankenhaus.“

28.3.1945 Tod des Ehemanns Josef im Stadtkrankenhaus Lauenburg

„Nachdem Kurt in Lauenburg erfahren hatte, dass unsere Mutter von Riga am 02.10.1944 nach Libau gekommen und dort angeblich bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen sei, hatten wir angenommen, auch die Mutter verloren zu haben. In Berlin trafen wir aber eine Frau, die wir aus Riga kannten. Sie erzählte uns, dass sie Briefe aus Schweden bekommen habe, die mit ,Rosel‘ unterzeichnet waren. Als wir diese sahen, erkannten wir die Handschrift unserer Mutter und wussten, dass sie noch lebte. Sie war Ende Februar 1945 von Libau in das Zwangsarbeiterlager Hamburg und dann nach Kiel gekommen, wo sie und andere am 04.05.1945 vom schwedischen Diplomaten Graf Bernadotte freigekauft worden waren. Wir telegraphierten ihr sofort ‚Berni, Kurt, Rene -o.k.‘.“

1945 Rückkehr von Kurt und René nach Greimerath; sie wohnen und arbeiten bei einem Bauern; Versuche nach Schweden zur Mutter Rosa zu gelangen, scheitern an der Weigerung der britischen Militärbehörden.

August 1946 Ausreise der drei Söhne nach Schweden mit gefälschten Pässen, die Mutter ist aber bereits in den USA

27.11.-20.12.1946 Emigration der drei Söhne auf der SS REMLAND von Malmö nach Baltimore

Ziel Mutter Rosa; Kontakt Miss S. Samuel in Stockholm

1952 Einbürgerung von Kurt Herrmann, US Citizenship in New York

Gedenken/Ehrung

25.10.2018 Kurt und Rene Herrmann Ehrenbürger der Gemeinde Greimerath

Quellen

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de860416

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1221105

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1215773

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de982354

http://www.mahnmal-trier.de/Personen/herrmann_r.html

Karl Schneider „Erinnerungen an das jüdisch-religiöse Leben im Ghetto von Riga…“ handgeschriebenes Manuskript, im Nachlass gefunden, veröffentlicht von Arntz, Hans-Dieter: Religiöses Leben der Kölner Juden im Ghetto von Riga, nach den Erinnerungen von Karl Schneider, Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 53 (1982), S.127-152

https://www.mappingthelives.org

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 7133); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85

Kurt Herrmann, Gespräch mit Gertrude Schneider 21.12.2000 in Fort Lauderdale

https://www.statistik-des-holocaust.de/OT411207_13.jpg

Wolfgang Scheffler, Diana Schulle, Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten Juden 2011

Christin Sandow (Hrsg.), Käthe Fries, Schießen Sie mich nieder, Lukas Verlag 2017

Gertrude Schneider, Reise in den Tod, Deutsche Juden in Riga 1941-1944, Laumann-Verlag, 2008, Seite 127

Gertrude Schneider, Exile and Destruction, The Fate of the Austrian Jews 1938-1945; Praeger 1995

Hilde Sherman: Zwischen Tag und Dunkel. Mädchenjahre im Ghetto, Frankfurt/M.-Berlin-Wien, 1984

Anita Kugler, Scherwitz – Der Jüdische SS-Offizier, 2017

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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