
Estera Meiseles geb. Karfiol-Dörfler
*20.6.1895 in Landshut, Lancut, Galizien; ✡ 1965 in Antwerpen
Staatsangehörigkeit Österreich,polnisch, staatenlos
Religion jüdisch
Vater Karfiol; ✡ vor 1910
Mutter Ch. Dörfler
Geschwister
Eva Chawa Karfiol *29.5.1899 in Landshut; oo Bernd Zamojre
Anna Karfiol * in Landshut; oo Ostersetzer
Beruf Weißnäherin, Kauffrau
Adressen Altona (1938 zu Hamburg), Friedenstraße 52, Juliusstraße 12-14; Adolphstraße155

Heirat 1927 in Hamburg Moritz Moses Joseph Meiseles *12.10.1897 Sosnowitz; ✡1943 Auschwitz
Schwiegereltern Salomon Meiseles und Priwa Jeckel
Kinder
Arie Meiseles *12.1.1930 in Hamburg; ✡2.11.1998 in Tel Aviv; oo 1958 Yona Deborah Horowitz (2.9.1936-2.11.2013)

Oskar Falk Meiseles *1.3.1931 in Hamburg; ✡ ?

Kuno Meiseles *18.2.1934 in Hamburg; ✡ 1955
Weiterer Lebensweg
1901 Einschulung Volksschule
1907 Entlassung aus der Volksschule
1907-1909 weiterführende Schule
Früher Tod des Vaters
1910 Zuzug der Witwe Ch. Dörfler mit ihren drei Töchtern nach Altona
Eröffnung eines Weißwarengeschäftes; Ausbildung zur Weißnäherin; später übernimmt Estera das Textilgeschäft von ihrer Mutter
1927 Heirat mit Moritz Meiseles; Übernahme des Geschäftes nach Kapitaleinbringung durch Moritz
August 1938 Auflösung des Textilgeschäftes
Polenaktion
28.10.1938 Abschiebung der Familie aus Chemnitz nach Zbaszyn. Estera berichtet:
„Wir mussten alles stehen und liegen lassen. Wir haben einfach alles abgeschlossen und sind weggefahren. Wir hatten eben resigniert und nahmen an, dass unser Vermögen ohnehin beschlagnahmt werden würde. Am nächsten Tag durften wir aber dann von Bentschen wieder zurückfahren, weil inzwischen andere Vereinbarungen zwischen Deutschland und Polen getroffen worden waren. Von diesem Zeitpunkt an haben wir unsere Auswanderung in die USA betrieben.“
Kommentar FJW: Einzelne Züge trafen zu spät ein; Polen hatte die Grenze abgeschlossen. Diese Transporte mussten dann in die Heimatorte zurückgeführt werden.
Haftbefehl
Dezember 1938 Meiseles verschicken 7 Umzugskisten nach Belgien
Schwester Eva und Schwager Bernd Zamojre geraten wegen einer Geldsendung nach Polen ins Visier der Zollfahndung und der Gestapo.
13.1.1939 Hausdurchsuchung in der Wohnung der Schwester, der zufällig anwesende Ehemann Moritz wird ebenfalls im Durchsuchungsprotokoll notiert.
14.1.1939 Flucht der Eheleute Meiseles nach Düsseldorf; die Söhne Arie und Falk kommen zur Familie Hillelsohn, Kuno ins Kindertagesheim der Jüdischen Gemeinde, Jungfrauenthal 37
16.1.1939 Sicherungsanordnung, Sperrung der Konten durch den Oberfinanzpräsidenten

17.1.1939 Haftbefehl der Zollfahndungsstelle Hamburg gegen die Ehepaare Meiseles und Zamojre
2.2. 1939 Estera kehrt nach Altona zurück, reicht eine Beschwerde bei der Devisenstelle ein, da ihre Wohnung ausgeräumt und versiegelt wurde. Verhaftung und Untersuchungshaft
Februar 1939 Ehemann Moritz Meiseles flüchtet illegal nach Antwerpen zu seiner Schwägerin Anna Ostersetzer, Minervastraße 1a.
5.5.1939 Entlassung von Estera Meiseles aus der Untersuchungshaft nach Zahlung von 1.000 holländischen Gulden an die Hamburger Zollfahndungsstelle; sie muss Deutschland bis zum 15.7.1939 verlassen haben
17.5.1939 Arie und Oskar in Holsten, Altona, Wohlers Allee 58 I bei Fam. Hillelsohn bei der Minderheiten-Volkszählung
24.7.1939 lässt Estera sich bei der Finanzkasse Altona 700 RM Steuerrückzahlung auszahlen
25.7.1939 Abmeldung aus Hamburg
Erneuter Haftbefehl für Estera, mit Funkspruch der Kripo Hamburg an alle Grenzstellen; Verhaftung in Hamburg; Geld und Schmuck werden ihr abgenommen; laut Akten:
„Frau Meiseles selbst hatte nach der Verhandlung außer den Fahrkarten und ihrem Trauring nur noch rund RM 30 bei sich.“
25.7.1939 Flucht von Schwager Jecheskiel Oskar Meiseles nach Belgien
27.7.1939 Flucht von Estera nach Lodz
Beginn des 2. Weltkrieges
1.9.1939 Einmarsch der Wehrmacht in Polen
September 1939 Verhaftung des Schwiegervaters Salomon Meiseles in der 2. Polenaktion als „feindlicher Ausländer“
Oktober 1939 Estera mit dem Pass einer „arischen“ Polin nach Deutschland
Oktober 1939 Estera mit den drei Söhnen durch einen „Schleuser“ über die grüne Grenze nach Antwerpen; die Familie lebt in Antwerpen, L. v. Ruusbroekstraat 20
22.11.1939 Salomon Meiseles eingewiesen in das KL Sachsenhausen
19.1.1940 Tod von Salomon Meiseles in Sachsenhausen
9.10.1940 Moritz Meiseles von der Gestapo Antwerpen vorgeladen. Daraufhin gehen sie in Brüssel in ein Versteck bei dem Lebensmittelhändler Achille Canzali in der Rue des Glands 20
15.8.1942 Schwager Jecheskiel Oskar Meiseles vom SS-Durchgangslager Mechelen nach Auschwitz
6.7.1943 Ehemann Moses in Brüssel festgenommen
7.7.1943 Ehemann Moses Internierung im Durchgangslager Mechelen
31.7.1943 Ehemann Moses deportiert auf dem XXI. Transport von Mechelen nach Auschwitz
1943 -Januar 1944 Estera im Versteck bei Familie; Bericht von Estera:
„Später wurden die Kinder durch die Widerstandsbewegung versteckt auf christliche Namen bei Katholiken, wo sie zur Kirche gehen mussten.“ (in Melle/Belgien)
22.1.1944 Ester Meiseles verhaftet in Brüssel
25.1.1944 Internierung im Durchgangslager Mechelen
4.4.1944 Estera auf dem XXIV. Transport von Mechelen nach Auschwitz
Jan 1944 – Jan 1945 im KL Auschwitz
Todesmarsch
15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten
18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca. 60 000 Häftlinge; 10000 Männer aus Monowitz
18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau
Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:
Zofia Posmysz:
„Der letzte Tag in Auschwitz war der 18. Januar. Nach drei Tagen und drei Nächten zu Fuß wurden wir in offenen Güterwagen nach Ravensbrück gebracht.“
Estera Meiseles berichtet:
„Am 18. Januar 1945 erfolgte die Evakuierung von Auschwitz und begann für uns der Todesmarsch zu Fuss. Wer nicht weiterkonnte wurde erschossen. Dann landete ich in Ravensbrück. Von dort wurde ich weitertransportiert nach Retzow bei Rechlin i. M. und zuletzt nach Malchow in M. zu Fuss. Wie ich das alles durchgehalten habe, ist mir heute noch ein Rätsel. Gott wollte den Kindern doch wenigstens die Mutter erhalten.“
Januar-Mai 1945 Ravensbrück
22.1.-27.1.1945 Die Frauen aus Auschwitz auf Transport in offenen Kohlewaggons über KL Groß-Rosen und KL Sachsenhausen (jeweils wegen Überfüllung abgewiesen) bis ins KL Ravensbrück; dort zunächst ins „Jugendlager“,
Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.
März/April 1945 bei Auflösung des „Jugendlagers“ für wenige Tage ins „Frauenlager“ von Ravensbrück
Anfang April 1945 mit einem Personenzug ins Lager Malchow, Außenlager des KL Ravensbrück
April 1945 Erneute Todesmärsche“ mit jeweils 2000 bis 3000 Frauen in zahlreichen Kolonnen aus dem bereits überfüllten KL Ravensbrück in mehrere Richtungen. Geschwächte und kranke Häftlinge, die dem Marsch nicht mehr folgen konnten, wurden erschossen. Die etwa 1500 Überlebenden des ca. 60 km langen Fußmarsches, die im April 1945 im Außenlager Malchow ankamen, sollten hier nur wenige Tage bleiben.
April 1945 Ankunft im Außenlager Malchow.
1.5. 1945 Befehl der SS, das Lager Malchow zu räumen, Todesmarsch über Plau endet in Lübz.
1.5.1945 werden die Frauen erneut auf den Marsch getrieben. In der Umgebung der Stadt Crivitz traf der größere Teil der Sachsenhausener Häftlinge aus dem Waldlager Below auf die Frauen aus dem KL Ravensbrück, deren Todesmarsch sie über das Außenlager Malchow, nicht weit von Below entfernt, geführt hatte.
Der Zug mischt sich mit großen Flüchtlingsströmen. Die Wachmannschaften werden von Tag zu Tag weniger, bis sie ganz verschwunden sind.
3.5.1945 am nächsten Morgen rollen die US-Tanks in die Region; Befreiung
Esther Loewy/Bejarano berichtet von der Befreiung
„Am 3. Mai bin ich befreit worden. An diesem Tag fühlte ich mich zum ersten Mal, seit wir vom Todesmarsch geflüchtet waren, sicher. Sieben Mädchen waren wir, wir haben uns im Wald versteckt. Wir sind erst auf russische Soldaten getroffen und dann auf amerikanische Tanks. Die haben uns aufgenommen, nachdem wir ihnen unsere Nummern auf dem linken Arm gezeigt haben. Sie haben uns nach Lübz gebracht.“
Route von Lübz, Parchim, Neustadt-Glewe, Ludwigslust, wo sie in einem Bahnwärterhaus nahe eines großen US-Army-Camp unterkommen.
Rückkehr nach Belgien
Mai 1945 von Ludwigslust in das DP-Camp Lüneburg
Rückkehr von Estera Meiseles nach der Befreiung zu ihren Söhnen nach Brüssel
Dezember 1950 Rückkehr nach Hamburg
7.2.1951 Antrag auf IRO-Unterstützung zur Ausreise nach Israel
1955 Tod des Sohnes Kuno, Diagnose Schizophrenie
1960er Jahre Emigration der Söhne Falk und Arie nach Israel
Estera zieht zu ihrer Schwester Anna Ostersetzer nach Antwerpen
1965 Tod von Estera Meiseles in Antwerpen
Gedenken
Stolperstein für Moritz Meiseles in Hamburg Altona, Sternschanze, Juliusstraße 12
7.5.2007 Stolperstein für Salomon Meiseles in Bochum, Hochstraße 42
18.1.1950 Pages of Testimony für seinen Vater Moses Meiseles von Arie Meiseles
28.7.1990 Pages of Testimony für Chaim Shlomo und Oskar Meiseles von Arie Meiseles
Quellen
https://collections.arolsen-archives.org/en/document/79468922
https://collections.arolsen-archives.org/en/document/12064448
Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989
Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013
https://www.mappingthelives.org
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939