Hirsch Fritz

Fritz Hirsch

*29.4.1903 in Bromberg; ✡ 1982 in Australien

Staatsangehörigkeit deutsch, staatenlos

Religion unbekannt

Vater unbekannt

Mutter unbekannt

Geschwister unbekannt

Beruf Schreiner

Adressen Bromberg; Berlin; Wolzig; Werkdorp Wieringermeer

Heirat Charlotte Potratz *11.9.1907

Tochter

Sonja Hirsch*19.11.1931

Weiterer Lebensweg

Das jüdische Jugend- und Lehrheim in Wolzig

Jugendheim Wolzig; großes Gebäude ganz links; Sammlung Ralph Gabriel

November 1929 Eröffnung der Erziehungsanstalt für verwahrloste Jugendliche in Wolzig bei Berlin

Träger war der Deutsch-Israelitische Gemeindebund

Laut Auskunft der Gedenkstätte Sachsenhausen, handelte es sich „um das jüdische Erziehungsheim Wolzig bei Königs-Wusterhausen, eine 1929 gegründete reformpädagogische Einrichtung, die ab 1933 von der Umgebungsgesellschaft feindselig betrachtet wurde.“

Anfang 1933 befanden sich in dem Heim 68 Jungen, im Juni 1933 noch 43 davon acht nicht jüdisch.

27.2.1933 zwischen 22.00 und 22.30 Uhr kommen bewaffnete SS-Männer auf einem Lastwagen zum um Fritz Hirsch und Hans Lubinski noch in der Nacht des Reichstagsbrandes zu verhaften. Da sich der eine im Urlaub, der andere in Berlin befand und niemand vom Personal etwas sagte, musste der Trupp unverrichteter Dinge abziehen.

Überfall der SA auf das Jugend-und Lehrheim in Wolzig

Unter dem Vorwand kommunistischer Umtriebe überfiel eine SA Einheit das Heim und verschleppte am 7.6.1933 34 Jungen zwischen 13 und 19 ins KZ Oranienburg, wo sie bis zum 10.7.1933 festgehalten wurden.

Das KL Oranienburg war von der SA-Standarte 208 am 21.3.1933 in einer ehemaligen Brauerei eingerichtet worden, Ende April übernommen vom Potsdamer Regierungspräsident.

7.6. 1933 Der jüdische Gärtner R. Goldschmidt berichtet:

„Um 4 Uhr früh erschien ein Lastwagen mit SA. Die Männer waren bewaffnet, ein Gruppe umstellte das Heim, andere verschafften sich gewaltsam Zutritt, und mit Gebrüll jagte man die Erschrockenen mit Hilfe des Gewehrkolbens aus den Betten zum Hof. Er gab Fußtritte, und Gummiknüppel traten in Aktion, bis die Aufstellung in Marschordnung vollzogen war. Zur gleichen Zeit ging eine andere Gruppe ins Heim und versteckte unter Matratzen, Schränken und Schreibtischen Revolver, Seitengewehre, Totschläger, kommunistische Flugblätter, Broschüren und Bildmaterial gegen das Dritte Reich.“

9.6. 1933 Schreiben des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes an den Regierungspräsidenten in Potsdam:

„In dieser Zeit wurde das Heim durchsucht. Es wurde unter dem Kopfkissen des Zöglings Werner Treuherz eine Schußwaffe gefunden. Treuherz wurde gerufen und gefragt, wie lange er schon in dem Bett, in dem die Waffe gefunden worden sei, schlafe. Er erwiderte: >>Ein Jahr << und bekam zur Antwort: »Und dann hast du nicht bemerkt, daß du eine Pistole unter dem Kopfkissen hast? « Nach Aussage des zurückgebliebenen Personals sollen auch einige Schriften gefunden und beschlagnahmt worden sein.“

Sechs Verhaftungen

Es wurden, nachdem der Landrat des zuständigen Kreises Beeskow-Storkow telefonisch von dem Ergebnis der Durchsuchung verständigt war, verhaftet: Direktor Oskar Friedmann, Gärtner (Richard) Goldschmidt, Bürohilfe Betty Armer, Erzieher Max Gebhard, Erzieher Fritz Hirsch, Zögling Werner Treuherz. Die genannten Verhafteten und außerdem sämtliche Zöglinge des Heim es wurden gegen 10 1/ 2 Uhr vormittags auf Lastautos verladen und nach Angabe von SA-Leuten in das Konzentrationslager nach Oranienburg überführt.

Die Verhafteten sind nach Berlin gebracht worden.“

10.7.1933 Entlassung der 34 Wolziger aus dem KL Oranienburg

Fritz Hirsch berichtet in seiner Biografie von brutalen Verhören und Misshandlungen durch SA und Gestapo im Gefängnis in Spandau während seiner Haft vom 6. Juni 1933 bis Oktober 1933

Oktober bis Dezember 1933 kümmert Hirsch sich noch um die zurückgekehrte Jungen, die zumeist zu den Eltern zurückkehre, dann übernimmt er als Schreiner Tischler-Umschulungskurse für erwachsene Juden in Berlin;

Träger des „Jüdisches Werkdorf Nieuwe Sluis“ ist die „Stichting Joodse Arbeid“ (Stiftung Jüdische Arbeit); hier werden jüdische Jugendliche zu Landarbeitern umgeschult (Hachschara) als Vorbereitung auf die Ansiedlung in Palästina (Alija). Die Ausrichtung war neutral, nur etwa ein Drittel der Chawerim waren auch zionistische Chaluzim (zionistische Pioniere)

Werkdorp Nieuwe Sluis

Februar 1934 Flucht nach Amsterdam nach Überprüfung des Kursus durch die Gestapo

Im März 1934 kommt eine kleine Gruppe von Volontären als Aufbaugruppe in die verlassenen Baracken auf der Farm. Dreieinhalb Jahre lang dienten diese als Unterkunft für die Gruppe der Bauarbeiter. Ende 1934 stehen vier Baracken und eine Kantine dicht beieinander rund um das Haukes-Haus.

24.4.1934 angemeldet in Barsingerhorn

5.11.1934 angemeldet mit Frau und Tochter in Barsingerhorn als Betriebsleiter von Dr. Hans Lubinski

Oktober 1934 Aufnahme des regulären Ausbildungsbetriebs

Im Zentrum des Werkdorfs wird ein Gemeinschaftshaus errichtet, die Baracken werden in einem Halbkreis herumgebaut.

Anfang 1937 Offizielle Eröffnung der nun fertiggestellten Anlage.

Fritz Hirsch als Ausbilder der Schreinerwerkstatt im Werkdorp mit Werner Münzer und Fritz Littmann
1939 Ausflug nach Castricum

Auflösung des Werkdorp

20.3.1941 Auflösung des Werkdorp durch den SD der SS; 210 der 290 Lehrlinge werden nach Amsterdam verbracht und in Familien untergebracht; Gerd Vollmann berichtet darüber:

„Am 20. März kamen morgens blaue Busse von der Amsterdamer Gemeindebahn am Rande des Polders. … Die ca. 300 Werkdörfler wurden inspiziert durch Lages in Uniform und Barbie in Zivil.

Willy Lages, SS-Sturmbannführer, Leiter des Sicherheitsdienstes in Amsterdam; Klaus Barbie, SS-Obersturmführer, Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Amsterdam

Unser Betriebsleiter Kemmerlin sorgte dafür, dass ca. 60 Jungen und Mädels bleiben durften, um das Vieh usw. zu versorgen. Die anderen kriegten 10 Minuten die Gelegenheit, um etwas zu packen und dann wurden wir mit Bussen nach Amsterdam gebracht…“

Unterbringung der 210 Werkdorper zunächst in Asschers Diamantschleiferei im Amsterdamer „Pijp“

27.3.1941 Unterbringung der Werkdorper in Gastfamilien oder bei Verwandten;

11.6.1941 Offizielle Abmeldung der 210 Werkdorper aus der Gemeinde Wieringermeer 1.8.1941 endgültige Schließung des Werkdorpes

1941 Fritz Hirsch zur Wehrmacht eingezogen,

er hält Kontakt zu niederländischen Widerstandskämpfern

Onderduiker bis 1945 nach dem von einem Feldgericht über ihn verhängten Todesurteil.

Nachkriegszeit

16.12.1949 Fritz Hirsch mit Frau und Tochter von Den Haag nach Australien

Arbeit in seinem Beruf als Tischler

1982 Tod in Australien

Gedenken

1978 Ehrung durch Yad Vashem für ihn und seine Frau als

>>Gerechte unter den Völkern«.

Quellen

Klaus Drobisch, Überfall auf jüdische Jungen im Juni 1933; Dokumente; 1993

„The Times“ vom 19. September 1933 „Life in a Nazi camp. A farm student’s experience“

Mitteilungen von Astrid Ley, Gedenkstätte Sachsenhausen

https://www.myheritage.de/research

https://www.mappingthelives.org

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/81739105

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Staatsarchiv Israel, Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947

https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de

Peter W. Lande,  Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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