Binheim Ruth

Ruth Henriette Binheim

*30.3.1925 in Hannover; ✡ 18.7.2019 in Utrecht; oo Jacques Wallage

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Fritz Binheim *14.2.1888 in Schwalenberg, Detmold; ✡ 3.3.1943 Auschwitz

Heirat der Eltern am 8.10.1920 in Schwalenberg

Mutter Frieda Adler *28.1.1893 in Emden; ✡3.3.1943 Auschwitz

Großeltern Julius Binheim und Fanny Michaelis

Großeltern Leopold Adler und Jette Valk (1855-1932)

Geschwister

Hans Werner Binheim *24.1.1923 in Hannover; ✡18.9.1941 in Mauthausen

Hanna Binheim * 7.10.1926 in Hannover; ✡ 24.4.2020 in Danville, Kalifornien; oo Fritz Cohen/Carter

Beruf Kinderpflegerin

Adressen Hannover, Ebhardtstr. 1, Goethestr. 47 p/a Goldmann; Amsterdam,

Heirat 1958 Jacques Wallage *1.2.1904 in Onstwedde; ✡30.4.1988 Bosch en Duin, Zeist

Kinder Hans Werner Wallage *16.6.1959

Weiterer Lebensweg

Novemberpogrom

Der Manufakturwarenladen der Eltern wird verwüstet; Ruth Binheim berichtet:

„Es waren keine Menschen, es waren Tiere, die unseren Laden demolierten! Und wir konnten gerade noch nach oben fliehen.“

Kindertransport

4.1.1939 Ruth mit den Geschwistern Hans Werner und Hanna mit dem Kindertransport Berlin -Hannover über Bielefeld, Rheine in die Niederlande nach Amsterdam

4.1.1939 es wurden drei Gruppen gebildet

– Dommelhuis Eindhoven nur Jungen

– Losser K.L. Smitoord nur Mädchen, 40 Mädchen sind in Oldenzaal ausgestiegen

– Zeehuis Bergen aan Zee gemischt Jungen und Mädchen

4.1.1939 Hans Werner Binheim ins Zeehuis, Verspijckweg 5, Bergen, zusammen mit Hans Claus Naftalie, Walter Otto Dreyfus und Werner „Meinsche“ Davidsaus Bochum

Conrad Hiegentlich erklärt sich bereit, die drei Geschwister Binheim aufzunehmen, der Antrag wird vom Kindercomitee abgelehnt

23.3.1939 das Zeehuis in Bergen wird aufgelöst, verlegt ins Ons Boschhuis, Driebergen

29.6.1939 Wechsel ins Huize Kraaybeek Driebergen

1939 Hans Werner Binheim eingesetzt beim Aufbau des Vluchtelingenkamp Westerbork

4.10.1939 Schwester Hanna nach Groningen in die Familie Wallage

Amsterdam

12.4.1939 Fritz Cohen angestellt als Koch im Hotel Hiegentlich, dort lernt er später die dort beschäftigten Schwestern Schwestern Ruth und Hannah Binheim kennen

21.5.1940 Ruth Binheim in das Flüchtlingsquartier, Oostelijke Handelskade 12, Amsterdam

31.5.1940 Ruth in das Hotel Hiegentlich, Amsterdam, Nieuwe Hoogstraat 9/11

Ruth Binheim macht einen verkürzten Kurs als „Kinderpflegerin“. Anschließend arbeitet sie in der Creche, dem Kinderheim gegenüber der zum Sammellager umfunktionierten „Hollandsche Schouwburg; in der Creche wurden die Kinder aus dem Sammellager betreut; viele wurden heimlich zu Pflegeeltern gerettet.

Auch Hanna Binheim kommt als Haushilfe in das Hotel Hiegentlich, Amsterdam, Nieuwe Hoogstraat 9/11

Werkdorp Nieuwe Sluis

27.2.1940 Bruder Hans Werner von Driebergen kommend zur Hachschara ins Werkdorp Wieringen

Träger des „Jüdisches Werkdorf Nieuwe Sluis“ ist die „Stichting Joodse Arbeid“ (Stiftung Jüdische Arbeit); hier werden jüdische Jugendliche zu Landarbeitern umgeschult (Hachschara) als Vorbereitung auf die Ansiedlung in Palästina (Alija). Die Ausrichtung war neutral, nur etwa ein Drittel der Chawerim waren auch zionistische Chaluzim (zionistische Pioniere)

Auflösung des Werkdorp

20.3.1941 Auflösung des Werkdorp durch den SD der SS; 210 der 290 Lehrlinge werden nach Amsterdam verbracht und in Familien untergebracht; Gerd Vollmann berichtet darüber:

„Am 20. März kamen morgens blaue Busse von der Amsterdamer Gemeindebahn am Rande des Polders. … Die ca. 300 Werkdörfler wurden inspiziert durch Lages in Uniform und Barbie in Zivil.

Willy Lages, SS-Sturmbannführer, Leiter des Sicherheitsdienstes in Amsterdam; Klaus Barbie, SS-Obersturmführer, Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Amsterdam

Unser Betriebsleiter Kemmerlin sorgte dafür, dass ca. 60 Jungen und Mädels bleiben durften, um das Vieh usw. zu versorgen. Die anderen kriegten 10 Minuten die Gelegenheit, um etwas zu packen und dann wurden wir mit Bussen nach Amsterdam gebracht…“

Unterbringung der 210 Werkdorper zunächst in Asschers Diamantschleiferei im Amsterdamer „Pijp“

27.3.1941 Unterbringung der Werkdorper in Gastfamilien oder bei Verwandten; Hans geht ebenfalls in das Hotel Hiegentlich, Amsterdam, Nieuwe Hoogstraat 9/11

Zweite große Razzia in Amsterdam

14.5.1941 Bombenexplosion im Marine-Offiziersclub Amsterdam auf der Bernard-Zweerskade ist Anlass für Verhaftungswelle

Juni 1941 Zweite große Razzia in Amsterdam; der SD geht bei dieser Razzia anders vor als bei der ersten Razzia im Februar 1941, bei der  Juden wahllos auf der Straße aufgegriffen und festgenommen wurden; bei der zweiten Razzia nutzen die Deutschen Adresslisten und gehen gezielt zu den Häusern von dem sie wissen, dass dort Juden leben.

11.6.1941 SS-Obersturmführer Klaus Barbie von der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Amsterdam“ erschleicht sich durch Täuschung die Adresslisten der „Werkdorper“

Zum Zeitpunkt der Verhaftung war Ruth Binheim gerade Kekse einkaufen.

11.6.1941 „Vergeltungsmaßnahme“; Hans Werner Binheim mit 300 vorwiegend Jugendlichen, davon 61 „Werkdorper“ im Durchgangslager Schoorl inhaftiert; von ihnen werden vier, die keine vier jüdischen Großeltern haben, freigelassen.

22.6.1941 Deportation der 296 in Schoorl Inhaftierten in das KL Mauthausen; dort werden sie durch extrem harte Arbeit im Steinbruch und oftmals tödliche medizinische Experimente ermordet; keiner überlebt das Jahr 1941

18.9.1941 Tod von Hans Werner Binheim im KL Mauthausen; „auf der Flucht erschossen“

Ruth Binheim macht einen verkürzten Kurs als „Kinderpflegerin“. Anschließend arbeitet sie in der Creche, dem Kinderheim gegenüber der zum Sammellager umfunktionierten „Hollandsche Schouwburg; in der Creche wurden die Kinder aus dem Sammellager betreut; viele wurden heimlich zu Pflegeeltern gerettet.

Kamp Westerbork

26.5.1943 Ruth und Hannah ins polizeiliche Judendurchgangslager Kamp Westerbork

3.3.1944 Ruth und Hannah Binheim Transport von 732 Juden von Westerbork nach Auschwitz

5.3.1944 Ankunft in Auschwitz; Ruth und Hannah Binheim an der Rampe von Auschwitz zur Zwangsarbeit selektiert

Todesmarsch

15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten

Die SS-Wachmannschaften verbrennen die Lagerkartei und Transportlisten, sprengten die Krematorien und zünden die Magazine mit dem geraubten Häftlingseigentum an.

18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca. 60 000 Häftlinge; 10000 Männer aus Monowitz

18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau

Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:

Zofia Posmysz:

„Der letzte Tag in Auschwitz war der 18. Januar. Nach drei Tagen und drei Nächten zu Fuß wurden wir in offenen Güterwagen nach Ravensbrück gebracht.“

Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück, Sachsenhausen

Der Auschwitz Frauen Block

22.1.-27.1.1945 auf Transport in offenen Kohlewaggons über KL Groß-Rosen und KL Sachsenhausen (jeweils wegen Überfüllung abgewiesen) bis ins KL Ravensbrück; dort zunächst ins „Jugendlager“.

8.2.1945 Deportation von Ravensbrück in das Außenlager Retzow, Fliegerhorst bei Rechlin, Flugplatz Lärz (1943-1945 Außenlager des KL Ravensbrück mit bis zu 3000 Frauen)

Die seit Januar aus Ravensbrück in das Außenlager Retzow (Fliegerstandort und die Erprobungsstelle Rechlin-Lärz ) verlegten Frauen mussten in der Kiesgrube Kotzow arbeiten, Kies wurde mittels Feldbahnen nach Lärz und Rechlin transportiert. Die Einsatzfähigkeit der Start- und Landebahnen nach Luftangriffen sollte gewährleistet werden.

10.4.1945 Russischer Fliegerangriff auf den Flugplatz Rechlin (Bei diesem Angriff kommt mein Onkel Hans Wittstamm (Uffz. bei der Luftwaffe) ums Leben

2. 5.1945 eine Vorhut der Roten Armee erreichte nach dem Sieg der 4. Luftarmee den Fliegerstandort und die Erprobungsstelle Rechlin-Lärz bei Ort Retzow.

2.5.1945 Befreiung von Ruth und Hannah Binheim; den Tag der Befreiung in Retzow erlebten nur noch 71 Frauen, so auch Ilse Heymann aus Dortmund, Ester Meiseles aus Landshut, Margarete Schultz aus Königsberg.

Fabrikaktion

17.5.1939 beide Eltern in Hannover, Goethestr. 47 bei der Minderheitenzählung

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“ als Vorbereitung auf die „Fabrikaktion“

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

Verbringung der Eltern in das Sammellager ehem. Isr. Gartenbauschule, Wunstorfer Straße

2.3.1943 beide Eltern im geschlossenen Güterwaggon auf dem aus Bielefeld kommenden Transport ab Hannover  über Erfurt und Dresden nach Auschwitz; die im Rahmen der „Fabrikaktion“ verhafteten 243 Juden aus Hannover und Braunschweig wurden dem Koppelzug angeschlossen

3.3.1943 Ankunft und Selektion der ‚Alten Rampe‘ am Güterbahnhof von Auschwitz;

Tod der Eltern in den Gaskammern von Auschwitz

Nachkriegszeit

Sommer 1945 Rückkehr in die Niederlande; Ruth und Hannah Binheim in das Noodziekenhuis Nijmegen, Dobbelmagweg

3.8.1945 Anmeldung in Groningen

Ruth (links) und Hannah Binheim 1946

6.-11.11.1947 Schwester Hannah auf der SS QUEEN MARY nach New York

Als Kontakt gibt sie die Pflegeltern in Groningen an; Ziel Tante Hedwig Papadionos

12.8.1948 Ruth Binheim nach Amsterdam

Ca 1958 Heirat mit Jacques Wallage aus Groningen

16.6.1959 Ruth Wallage nennt ihren Sohn nach dem verstorbenen Bruder Hans Werner

1986 Einweihung des Mahnmals in Mauthausen im Beisein von Ruth und Hans Werner Wallage: „Ein Spruch auf einem Mahnmal für die ermordeten ungarischen Juden hat uns sehr beeindruckt: „Vergesst uns nicht, wir die hier getötet worden sind, weil das Vergessen des Bösen ist die Erlaubnis zu seiner Wiederholung“

Gedenken

2017 Stolpersteine in Hannover für Hans Werner Binheim und seine Eltern

Juni 1994 und 3.10.1995 Pages of Testimony für Hans Werner und die Eltern von den Schwestern Hanna Carter und Ruth Wallage

Quellen

http://www.werkdorpwieringermeer.nl/en/hans-werner-binheim-2/

http://www.dokin.nl/deceased_children/hans-werner-binheim-born-24-jan-1923/

http://dokin.nl/surviving-children/Hanna-Binheim-born-7-Oct-1926

http://dokin.nl/surviving-children/Ruth-Binheim-born-30-Mar-1925

https://archief.amsterdam/indexen/persons?ss=%7B%22q%22:%22Binheim%22%7D

Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 7501); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130260133

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130260134

https://anderetijden.nl/aflevering/113/De-vlucht-na-de-Kristallnacht

http://www.joodsmonument.nl/en/page/399390/mijn-oom-hans-werner

https://www.mappingthelives.org

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://yvng.yadvashem.org/ad

Niederlande, Bevölkerungsregister, 1810-1936; Bron: boek, Deel: 146, Periode: 1912-1938

www.werkdorpwieringermeer.nl/

https://www.oorlogsbronnen.nl/mensen?personterm=Ontruiming%20Joods%20Werkdorp%20Wieringermeer

https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_nwd_430302-2.html

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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