Erich Jacobs
*19.12.1906 in Nuttlar, Meschede, ✡6.3.1973 Trenton, New Jersey, USA
Vater Meyer Jacobs *12.10.1861 in Boerger ✡ 28.10.1918 in Nuttlar, „Spanische Grippe“
Heirat der Eltern 13.1.1891 in Nuttlar, Bestwig; Meyer Jacobs wohnt 1891 in Recklinghausen
Mutter Emma Weinberg 16.4.1866, ✡17.4.1941 in Nuttlar
Geschwister
Adele Jacobs *15.10.1891 in Nuttlar; oo Louis Herzstein
Bertha Jacobs *18.10.1893 in Nuttlar; Sept. 1984 in Rockland USA
David Jacobs *11.10.1895 in Nuttlar; Lehrer in Oelde; kriegsgefallen 3.11.1916 in Verdun
Alfred Jacobs *6.4.1897 in Nuttlar; Rabbiner in Bad Kreuznach; ✡15.4.1972
Rosa Jacobs *2.2.1899 in Nuttlar; ✡9.10.1944 in Auschwitz; Isaac Weinberg (1884-1944)
Frieda Jacobs *31.3.1902 in Nuttlar; ✡21.12.1982 in Montreal; oo Salomon Neumann (*1905), Sohn Uriel 1935
Hilde Jacobs *1904 in Nuttlar; ✡1978 in Jerusalem; oo Ferdinand Nisson Bayer, Rabbiner in Euskirchen
Erich Jacobs *19.12.1906 in Nuttlar, ✡6.3.1973 Trenton; oo Hetti Neumann (1909-2007)
Erika Jacobs *21.11.1912 in Nuttlar; ✡23.7.1943 in Sobibor; oo Herman Cohen (1908-1943)
David Jacobs *11.10.1895 in Nuttlar, Lehrer in Oelde, ✡3.11.1916 kriegsgefallen in Verdun, Musketier der 4. Kompangnie Infanterie Regiment 56 „Wesel“, stationiert in Münster
Ausbildung / Beruf
Schulzeit in Meschede und Brilon
1919 Parshas Vayigash Bar Mitzvah von Erich Jacobs
Lehrerseminar in Köln
Ergänzende Studien in Berlin und Frankfurt
Ausbildung zum Kantor und zum Schächter
Heirat 3.10.1934 in Kassel (Standesamt) Jettchen Hetti Neumann * 18.10.1909 in Kassel; ✡ 13.8.2007 in New York
Kinder
Jethro Jacobs *1939 in Recklinghausen
Fredel Jacobs *1948 oo David Fruhman *1949; drei Kinder
Adressen Nuttlar; Unna bis 1937; Recklinghausen, Dienstwohnung auf dem Schulgelände Steintor 5; Sachsenstr.13; Kellerstr.21
Weitere Lebensdaten
1923 erste Anstellung als Chasn der jüdischen Gemeinde in Ibbenbueren
1923-1926 – Lehrerseminar in Köln
1925 erste Anstellung als Lehrer
1926 Qualifikation als Lehrer an Jüdischen und öffentlichen Schulen
Dec. l926-Apr. 1928 – Lehrer am jüdischen Waisenhaus in Frankfurt/Main
1926-1931 Student an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main
1930 Studium in Berlin für 1-2 Semester
1932 Qualifikation als Shochet
Dez. 1932- May 1933 Lehrer, Chazen und Shochet in Crumstadt
Mai 1933-November 1937 angestellt als Chazen, Lehrer und Prediger in Unna
2.11.1937 – 1.7.1941 Lehrer der israelitischen Volksschule Recklinghausen
Nach seinem Antritt als Lehrer in Recklinghausen will Rabbi Selig Auerbach die Aufsicht über die Schule an sich ziehen. Erich Jacobs wehrt sich heftig und erfolgreich dagegen; Gemeindevorsteher Ludwig Hirsch gesteht ihm 1939 kurz vor seiner Emigration:
„Jetzt will ich Ihnen etwas sagen: Ich war sehr gegen Sie, als Sie den Streit mit Dr. Auerbach hatten, aber trotzdem habe ich Sie auch sehr respektiert. Ich sah, dass wir einen Lehrer bekommen hatten, der für seine Rechte kämpfte, und ein solcher Mann war sicher der richtige Lehrer für unsere Kinder.“
9.11.1938 Verwüstung der Schule und Dienstwohnung
Erich Jacobs wird aus dem Bett getrieben, muss barfuß über Scherben laufen und flüchtet sich blutend in das nahegelegene Polizeipräsidium, wo er in „Schutzhaft“ genommen wird
Der geplante Transport ins KL Sachsenhausen verzögert sich um 8 Tage, entfällt dann ganz, da die KL überfüllt sind; laut Erich Jacobs soll die Verzögerung dem Gestapochef von Recklinghausen zu verdanken sein
24.11.1938 Entlassung von Erich Jacobs aus dem Polizeigefängnis
Das Ehepaar Jacobs kommt zunächst im Haus der Familie Adolf und Else Aron Paulusstraße 6 unter.
Dezember 1938 versucht er mit Neffe Herbert Herzstein beim Botschafter der Domikanischen Republik in Köln für viel Geld Visas zu erstehen; die Zertifikate stellen sich aber als großanlegter massenhafter Betrug heraus.
Februar 1939 nach der Geburt von Jethro Umzug als Untermieter von zwei Räumen bei Familie Eichenwald, Kellerstr. 21, Hausbesitzer ist das Ehepaar Speck („Mischehe“)
Unterricht erfolgt im Nachbarhaus, Kellerstr. 19
19.12.1938 nach Morddrohung Emigration von Rabbi Selig Auerbach mit Frau und Tochter nach Amsterdam, vermutlich zu seinem Bruder Jacob Joseph Auerbach Amsterdam, Kastanjeplein 3
Dezember 1939- September 1941 nach der Flucht von Rabbi Auerbach übernimmt Erich Jacobs die Funktion des Rabbi für die verbliebene jüdische Gemeinde.
Jüdische Schulen in Westfalen 1939
Für den Juni 1941 weist eine unvollständig erhaltene Übersicht der RVJD folgende Schulen und Schülerzahlen aus: Bielefeld (24), Bochum (15), Burgsteinfurt (12), Detmold (13), Hagen (14), Herford (9), Laasphe (15), Minden (14), Münster(25) und Recklinghausen (9). Die Planungen sahen die Schließung der Schulen in Bochum, Burgsteinfurt, Herford, Laasphe und Recklinghausen im Sommer vor. Im Oktober 1941 bliebendamit vorerst die acht Schulstandorte Bielefeld, Detmold (17), Dortmund, Gelsenkirchen (60), Hagen (14), Minden (14), Münster (32) und Paderborn (52) bestehen. (zitert nach Hartmann, Jürgen)
1.10.1939 Entlassung aus staatlicher Anstellung als Lehrer; die jüdische Gemeinde bezahlt weiter
26. 9.1940 Onkel Karl (New York) zahlt die Schiffsreise für die Familie Jacobs
7. 3.1941 Familie Jacobs erhält Einreisevisum für Ecuador; da Argentinien keine Transitvisa ausstellt, versuchen sie über Russland und Japan nach Ecuador zu reisen
21.3.1941 der Antragschlägt fehl: Japan lehnt Durchreisevisa ab.
1.7.1941 jüdische Volksschule von der Stadt Recklinghausen aufgelöst (nur noch 7 Schüler)
8.9.1941 abgemeldet nach Ecuador; mit Frau Hetti und Sohn Jethro
8.9.1941 Schwiegervater Salomon Neumann aus Recklinghausen abgemeldet nach Kassel
8.9.1941 -13.9.1941 Erich Jakobs mit Familie über Bremen, Berlin, Frankfurt, Paris, Irun, Barcelona
Familie Jacobs sind die letzten jüdischen Recklinghäuser, denen die Flucht gelang; Schwiegervater Salomon Neumann folgt eine Woche später aus Kassel mit dem allerletzten Transport aus Deutschland nach Barcelona. Erich Jacobs schreibt:
„Da Opa alle notwendigen Transitvisa hatte, konnte er bald weiterreisen; er ging nach Ecuador; wir brachten ihn zum Schiff. Er blieb bis nach dem Krieg in Ecuador, ging dann nach Amerika, wo wir uns dann wieder trafen.“
1941 registriert als jüdischer Flüchtling mit Frau und Sohn Jethro im Büro des „Joint“ (American Jewish Joint Distribution Committee AJDC) in Barcelona mit der Reg.Nr. 1803
13.9.1941-19.1.1942 vier Monate Warten in Barcelona; Arthur Rautenberg verhilft ihm beim Joint zu den erforderlichen Durchreise-Visa. Erich Jakobs berichtet:
„Ich habe bereits Herrn Rautenberg erwähnt. In Deutschland hatte er eine wichtige Position als Leiter eines großen Geschäfts. Er war weltgewandt, er verstand es, mit Menschen umzugehen, er war ein begeisterter Zionist, er war nicht religiös. Wir kannten uns nicht und hatten uns erst in Barcelona ein wenig kennengelernt, aber wir sprachen nur selten miteinander. Eines Tages kam Herr Rautenberg zu uns und sagte: Ich sehe, wie unglücklich ihr hier seid wegen der Kaschrut; ich habe euch beobachtet und gesehen, dass ihr das Treif-Zeug nicht esst; ihr müsst also von hier weg! Ihr wisst, dass ich der Dolmetscher zwischen unserer Gruppe und dem Leiter des JOINT bin. Ich habe vor, euch zu helfen!“
21.1.1942 Ankunft Lissabon
24.1.1942 auf der SS SERPA PINTO ab Lissabon über Casablanca, Jamaika, nach Kuba;
14.2.1942 Ankunft in Kuba; dort werden sie zunächst in dem Auffanglager Tiscornia, einem Barackenlager in der kleinen Stadt Casablanca am Eingang zur Bucht von Havanna. Weil ein weiteres Flüchtlingschiff ankommt, dürfen sie nach Havanna übersetzen.
12.3.1946 Flug mit Frau Hetti und Sohn Jethro von Havanna nach Miami
März 1946-November 1947 in New York City
November 1947 Umzug nach Trenton, New Jersey
November 1947-Dezember 1965 als Shochet in Trenton, 49 Union Street
November 1948 Geburt von Tochter Fredel
1951-1972 als Ba’al tefilah für Yamim Nora’im der „German-Jewish
congregation“ in Queens
1952 Einbürgerung als US Citizen
Dezember 1953 Antrag auf Wiedergutmachung in Deutschland
November 1959 Reise nach Israel mit Ehefrau Hetti zur Silberhochzeit
Dezember 1965 Pensionierung
Januar 1966 Umzug zum 482 Riverside Drive
6.3.1973 Tod in Trenton, New Jersey, USA
Quellen
Fotos Privatarchiv Fredel Fruhman
Preußische Verlustlisten vom 28.11.1916
Die jüdischen Gefallenen des deutschen Heeres, der deutschen Marine und der deutschen Schutztruppen, 1914-1918: ein Gedenkbuch, Reichsbund jüd. Frontsoldaten, Verlag Der Schild, 1932
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Wunder geschehen doch noch / Geschichte und Schicksal der jüdischen Familie Jacobs – Erich Jacobs,
Hrsg. von Siegfried Homann, Karl-Heinz Martini, Franz-Josef Wiemer. Aus dem englischen Originalmanuskript übersetzt von Andreas Wiemer (Deutsche Ausgabe; ISBN 3-938481-00-5)
Jürgen Hartmann, Die Bezirksstelle Westfalen der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland in Bielefeld 1939-1943, in: Rosenland. Zeitschrift für lippische Geschichte, 25/2021, S. 68-151. URL
http://www.dorsten-unterm-hakenkreuz.de/
https://eservice2.gkd-re.de/selfdbinter320/DokumentServlet?dokumentenname=545-298fieldBiographie.pdf
www.dorsten-unterm-hakenkreuz.de (Auszug aus Erich Jacobs Memoiren)
Auerbach Selig, Das Bezirksrabbinat Recklinghausen, in Hans Chanoch Meyer, Aus Geschichte und Leben der Juden in Westfalen. Frankfurt 1962, S. 125 – 134
Heinz Reuter, Die Juden im Vest Recklinghausen, Vestische Zeitschrift Bd. 77/78, 1978/1979
Werner Schneider, Jüdische Heimat im Vest Gedenkbuch 1983
Werner Schneider, Jüdische Einwohner Recklinghausens 1816-1945, in: 750 Jahre Stadt Recklinghausen. 1236-1986, hrsg. von Werner Burghardt, Recklinghausen 1986
Georg Möllers / Jürgen Pohl: Abgemeldet nach „unbekannt“ 1942, Die Deportation der Juden aus dem Vest Recklinghausen nach Riga, hrsg. von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Recklinghausen, Klartext Verlag, Essen 2013
U.S. Behördendaten Verzeichnis
U.S. Sterbe-Verzeichnis der Sozialversicherung (SSDI)