Philipp Hans 1911

Hans Philipp

*11.9.1911in Recklinghausen; ✡ März/April 1945 Buchenwald,

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch, konvertiert römisch-katholisch

Vater David Philipp *22.02.1880 in Sögel, Hümmling; Kaufmann, Tierarzt ?; ✡ nach 21.4.1942 in Riga

Mutter Alma Sommer *14.4.1876 in Hovestadt, ✡ nach 21.4.1942 in Riga

Geschwister

Walter Philipp *10.9.1906; ✡ 12.3.1974 in London

Erich Philipp *22.06.1908, deportiert 1942 Riga

Senta Philipp *17.6.1913 ✡Juli 1977 Chicago; oo Walter Strauss

Adressen Recklinghausen Oerweg 53, Recklinghausen; Iserlohn, Schützenhof 14
Beruf Dekorateur, Masseur

Heirat 5.10.1932 in Bacharach mit Fides Rudolfine Anna Bönte *7.8.1892(!)

Weitere Lebensdaten

5.10.1932 Heirat in Bacharach; konvertiert röm.-katholisch

Umzug nach Iserlohn,

Arbeit als Dekorateur für das Kaufhaus WEPELA Iserlohnim Besitz Familie Ehrlich, die in einem Gebäude zwei Abteilungen führte: eine WEPELA-Abteilung und ein eigenes Geschäft.

Engagement in der jüdischen Gemeinde, Daniel Hoffmann berichtet von einer Chanukka-Feier:

„Hans Philipp als Dekorateur (war zuständig) für die Kostümierung. Es war ein schönes Fest, …“

11.11.1938 im Novemberpogrom in Iserlohn verhaftet

1.12.1938 Entlassung aus dem Polizeigefängnis Iserlohn

1939 Iserlohn, mit seiner Frau Fides Bönte/Philipp; im Adreßbuch der Stadt und Landkreises Iserlohn (Ausgabe Oktober 1939) ist Hans Philipp als „Dekorateur“ verzeichnet

1939 Emigration Frankreich, Manosque (Alpes-De-Haute-Provence)

Daniel Hoffmann schreibt:

Hans Philipp in Armeeuniform vor dem Cafe Glacier in Manosque

Ab Dezember 1939 erhielt Hans – unter schlechten Bedingungen in einer offe-
nen, staubigen Ziegelfabrik im Internierungslager Camp de Milles – den
Status eines „Dienstleisters der Armee“.

4. 2.1940 Mit dem Symbol der französisch-britischen Flaggen und unter der Adresse seiner Einheit – CRE Aix les Milles 156. RR, 14e Compagnie, 4e Batallion – schrieb Hans mit Datum eine Karte an seinen Bruder Walter, 22 BassettRoad, London W 10

15.1.1941 Adoption als Philipp-Boyer als Versuch ihn zu schützen

April 1941 Beziehung zu der im Cafe Glacier in Manosque als Kellnerin arbeitende Spanierin Manuela Galera (*27.05.1917, Eltern: Anna Alonzo und Clemente Galera
aus Albox, Andalusien) kennen.

Kontakte mit Fides in Iserlohn, um die Scheidung vorzubereiten

April 1942 Geburt der Tochter Anne-Marie Galera im Krankenhaus von Digne

Ende August 1942 erste Razzien, die etwa 7.100 staatenlose Juden erfassten.

25.8.1942 um 23.30 Uhr in Manosque Verhaftung von Hans Philipp durch zwei französische Gendarmen als:
„sujet Allemand PHILIPP Hans nè le Septembre Recklinghausen (Allemagne) de David et de Sommer Anna, sans profession, demeurant a Manosque, No. 39 Boulevard Elimir Bourges“
Bei der Aktion wurden in dem Department insgesamt 54 Verhaftungen vorgenommen.

27.8.1942 Überführung von Hans Philipp per Bahn nach Nizza in eine Kaserne

Verbringung von 277 Männern, 283 Frauen und 15 Kindern nach Marseilles

Manuela Galera erhielt eine Karte, die Hans unterwegs aus dem Zug geworfen hatte:
„Ich reise ab. Ich weiß nicht wohin. Mach alles, was Du kannst – dringendst. Wenn es nicht schon zu spät ist. Dein Hans“

1.9.1942 Von Marseille ins Sammellager Drancy,

7.9.1942 von Bourget-Drancy mit Konvoi Nr. 29 mit 900 Häftlingen nach Auschwitz

9.9.1942 Ankunft in Cosel in Oberschlesien, Verteilung der Deportierten auf Zwangsarbeitslager

Nach Ankunft in Auschwitz Tätowierung der Häftlingsnummer 178211 in den linken Unterarm

1942 Lager Laurahütte im Betonwerk

Bis Januar 1943 Königshütte am Hochofen

ab Februar 1943 im Zwangsarbeitslager Blechhammer (Hydrierwerk der IG Farben).

Einrichtung eines Lagers für französische Häftlinge, Hans und ein Franzose (Nichtjude) als Dolmetscher; Austausch von Briefen und Päckchen mit Manuela Galera

Mai 1944 alliierte Luftangriffe das Hydrierwerk (Produktion synthetischen Benzins)

21.1.1945 Evakuierung des Lagers, Todesmarsch bei eisiger Kälte von -25 Grad.

Ein letzter Brief des französischen Mithäftlings an Manuela Galera:
„Es ist schrecklich, was mit dem Camp Ihres Mannes passiert ist. Das Camp brennt. Ich habe gesehen, dass Hans eine Baracke verließ und begleitet von Bewachern wegging. Entweder werden Sie ihn bald sehen oder ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

9.2.1945 Ankunft aus dem KL-Komplex Groß-Rosen in Buchenwald;

Unterbringung im Kleinen Lager Block 59; Neue Häftlingsnummer 125234

Zugangsliste Buchenwald laufende Nr 125234

5.3.1945 Kommando „20a“ steht für Holzhof; 59 für Baracke 59

2.3.-8.3.1945 im Krankenrevier Buchenwald wegen Durchfall

9.3.1945 erneut ambulant im Krankenrevier

21.3.1945 notiertes Datum auf der Krankenkarte; 2 x (zwei Zähne gezogen)

Daniel Hoffmann berichtet über den Tod von Hans Philipp im Block 59 im „Kleinen Lager“ des KL Buchenwald:

„Eines Tages stand ein etwa 35-jähriger Häftling vor der Box meines Vaters, den er nicht kannte. … Er fragte meinen Vater nach seiner Heimatstadt. Als er Iserlohn nannte, reagierte der fremde Häftling sofort. ‚in unserer Box ist einer aus Iserlohn, Hans Philippp, er liegt im Sterben. Er sei aus Südfrankreich deportiert worden. Hans Philipp, 1911 geboren, war Dekorateur im Kaufhaus WEPELA und mit einer arischen Frau verheiratet.“

5.4.1945 Himmlers Befehl zur Evakuierung von Buchenwald (47500 Häftlinge);

6.-10.4.1945 Die SS beginnt mit der Evakuierung des Konzentrationslagers; etwa 28.000 Häftlinge des Stammlagers und mindestens 10.000 Häftlinge der Außenlager werden auf insgesamt 60 Marschrouten – meist zu Fuß – auf die Todesmärsche getrieben, 12000 (Schätzung) kommen auf diesen Märschen um.

Gedenken

Enkelin Isabelle Le Quéau veröffentlicht 2021 ein Buch über die schicksalhafte Familiengeschichte.

Quellen

Werner Schneider, Jüdische Heimat im Vest Gedenkbuch 1983

Werner Schneider, Jüdische Einwohner Recklinghausens 1816-1945, in: 750 Jahre Stadt Recklinghausen. 1236-1986, hrsg. von Werner Burghardt, Recklinghausen 1986

Isabelle Le Quèau, JE PARS. Je ne sais pour oú, 2021; incl. Fotos aus dem Familienarchiv Philipp

art-kunstmatrixcom/fr/artwork/fotoarchiv-stadt-iserlohn/die-familie-ehrlich-in-
iserlohn

Daniel Hoffmann, Lebensspuren meines Vaters, Wallstein Verlag 2007

Georg Möllers, Franz-Josef Wittstamm, Biografie der Familie Philipp, in: Opferbuch der Stadt Recklinghausen, 2023; Link:

https://eservice2.gkd-re.de/selfdbinter320/DokumentServlet?dokumentenname=545-977fieldBiographie.pdf

Georg Möllers / Jürgen Pohl: Abgemeldet nach „unbekannt“ 1942, Die Deportation der Juden aus dem Vest Recklinghausen nach Riga, hrsg. von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Recklinghausen, Klartext Verlag, Essen 2013

In Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Ellis Island und andere New York Passagierlisten, 1820-1957

Jüdische Holocaust-Gedenkstätten und jüdische Einwohner Deutschlands 1939-1945

Gedenkbuch Opfer und Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945

Landesarchiv NRW, Sterberegister Nordrhein-Westfalen 1874-1938

Arolsen Archiv ITS

https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/6815265?s=Philipp%20Hans%201911&t=222836&p=0

https://collections.arolsen-archives.org/en/archive/6815265/?p=1&doc_id=6815272

https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/6815265?s=125234&t=1749598&p=0

Bundesarchiv Koblenz. Gedenkbuch-Opfer der Verfolgung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933 –1945. Stand: 28. 2. 2020

U.S. Sterbe-Verzeichnis der Sozialversicherung (SSDI)

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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