Artur Guttentag
*13.9.1925 in München; ✡ 9.9.1978 in Leipzig
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Herbert Baer; außer dem Namen ist nichts weiteres bekannt
Mutter Lea Guttentag *7.11.1893 in Nürnberg; ledig;✡19.10.1931 in Erfurt
Großvater Jacob Guttentag *26.3.1865 in Czisowka, Schlesien; ✡15.7.1914 in München
Großmutter Lina Emanuel *17.12.1866 in Artolsheim; ✡ 20.5.1944 Theresienstadt
Onkel Arthur Guttentag *5.6.1895 inWürzburg; ✡25.2.1916 bei Verdun
Geschwister –
Beruf Schlosser
Adressen München, Nordendstraße 39/I; Berlin; Erfurt, Futterstraße 5; Jüdisches Waisenhaus in Hamburg, Papendamm 3; Paderborn, Grüner Weg 86; Leipzig
Heirat Nielsen
Kinder
Weiterer Lebensweg
Seinen Vornamen bekommt er zu Ehren des bei Verdun kriegsgefallenen Bruders der Mutter: Arthur Guttentag, Soldat des Feldartillerieregiment Nr. 54, 2. Batterie
19.10.1931 Tod der ledigen Mutter Lea in Erfurt; Artur kommt zur Großmutter Lina nach München
4 Jahre Volksschule; 2 1/2 Jahre Realschule
17.5.1939 bei der Großmutter Karoline in München bei Minderheiten-Volkszählung
23.6.1939 Vertrag zwischen der RVJD und der Stadt Paderborn zur Errichtung des Umschulungs- und Einsatzlagers Paderborn, Grüner Weg 86
9.6.1940 aus dem Jüdischen Waisenhaus in Hamburg, Papendamm 3 angemeldet im Lager Paderborn
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung „Jüdisches Arbeitseinsatzlager Paderborn“
18. 5.1942 Großmutter Lina eingewiesen in das Barackenlager Knorrstraße 148, München
2.7.1942 Großmutter Lina mit dem Transport II/11 Nr. 519 von München nach Theresienstadt
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Paderborn“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.
27.2.1943 die Pforte des Lagers Paderborn wird von Polizisten bewacht, um Fluchten zu verhindern
1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Paderborn; mit der Bahn nach Bielefeld, dann mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz
Erwin Angress berichtet:
„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“
2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager
3.3.1943 Ankunft und Selektion in Auschwitz; Ernst Michel berichtet:
„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“
Artur wird eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, Häftlingsnummer 104941
Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943
„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“
20.5.1944 Tod der Großmutter in Theresienstadt
18.1.1945 „Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge auf dem Todesmarsch über 80 km von Auschwitz nach Gleiwitz; Isidor Philipp berichtet:
„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“
„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“
25.1.1945 Ankunft im KL Mauthausen, Häftlingsnummer 121946
1945 Klinik am Sanatoriumsplatz 2, heute Klinik Harlaching;
KZ-Erholungsheim Kainzenbad bei Garmisch-Partenkirchen;
1966 Wiedersehen mit Paul Hoffmann in Ost-Berlin, beide als Zeugen im Prozess gegen den Standortarzt von Monowitz Dr. Horst Fischer. Im Ost-Berliner Gästehaus Johanneshof teilten sie ein Doppelzimmer. Artur Guttentag wollte Paul Hoffmann davon überzeugen, dass die
DDR die bessere Wahl für einen deutschen Juden sei.
9.9.1978 Tod in Leipzig
Gedenken
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Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Deutsche Verlustlisten vom 17.3.1916 Seite 11663
Die jüdischen Gefallenen des deutschen Heeres, der deutschen Marine und der deutschen Schutztruppen, 1914-1918: ein Gedenkbuch, Reichsbund jüd. Frontsoldaten, Verlag Der Schild, 1932
http://www.denkmalprojekt.org/verlustlisten/rjf_muenchen_wk1.htm
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de882135
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT430302-Paderborn2.jpg
https://www.statistik-des-holocaust.de/II11-1.jpg
https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/13586-lina-guttentag/
https://collections.arolsen-archives.org/en/document/1481290
https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=4150
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998