Schmerler Moritz

Moritz Moses Nathan Schmerler

*10.10.1886; ✡ in Polen vor dem 8.5.1945

Staatsangehörigkeit polnisch

Vater Artur Schmerler aus Weißrussland nach Karlsruhe

Mutter Amalia Batia Spanier aus Weißrussland nach Karlsruhe

Geschwister

Beruf Kaufmann, Bergarbeiterkleidung

Adressen Bochum, Königstraße 26 (heute Annastraße)

Heirat 1912 in Köln Cilly Spanier-Meisseles *12.3.1892 in Czarnokonce Wielkie; ✡ in Polen vor dem 8.5.1945

Kinder

Fanny Schmerler *1915 in Bochum; oo Max

Shulamith Susi Schmerler *21.4.1923 in Bochum; 30.12.2001; ✡oo Nadir

Josef Arthur „Bubi“ Schmerler *26.6.1931 in Bochum

Weitere Verwandte in Bochum

Hermann Hersch Schmerler *20.11.1883 in Solotwina

Weiterer Lebensweg

1898 Familie Schmerler zieht nach Karlsruhe

1912 Heirat in Köln

1912 Umzug nach Bochum

1938 Tochter Fanny Schmerler nach Heirat in die USA emigriert

28.10.1938 Moritz, Cilly und Artur Schmerler ausgewiesen in der ersten Polenaktion, deportiert nach Zbaszyn

Hachschara in Urfeld

Susi Schmerler zur Hachschara ins Umschulungslager Urfeld auf dem Dietkirchener Hof zwischen Bonn und Köln-Wesseling, Besitzer war der mit Arthur Stern befreundete nichtjüdische Architekt Albrecht Doering aus Urfeld.

Von 1933 bis 1938/39 war der Dietkirchener Hof als Kibbuz/Beth Chaluz ein Zentrum der Vorbereitung auf die Alija nach Palästina für ca 60 Jugendliche über 18 Jahren.  Das Zentrum des Hechaluz hieß auch Kibbuz Bamaaleh („Bamaaleh“=im Aufstieg), finanziert von dem jüdischen Textilfabrikanten und Architekten Arthur Stern – zu Beginn noch gemeinsam mit der Reichsregierung! Die landwirtschaftliche Ausbildung erfolgte auf Urfelder Bauernhöfen.

Anfang 1938 auch mittlere Hachschara für 15–17-Jährige Chaluzim.

28.10.1930 Herbert Taub verhaftet in Urfeld in der ersten Polenaktion, zusammen mit neun weiteren Chaluzim u.a. Susi Schmerler, Leo Geffner und Josef Kleinmann sowie Muchi, Max, Oskar und Ida (nicht identifiziert). Susi Schmerler notierte in ihrem Tagebuch:

„Doch da kam man uns mitten in unseren (Alija-) Plänen dazwischen. Eines Tages kamen mehrere Polizisten ins Beth Chaluz und brachten 10 Ausweisungsbefehle. Wir rechneten alle damit, dass uns noch 2-3 Monate Zeit bleiben würde. Doch nein! Es sollte heute noch sein! Wir telefonierten mit dem Flugplatz, wann das nächste Flugzeug nach London ging, doch die Polizei stand daneben und forderte von uns, dass wir sofort mitkommen müssten. Nicht einmal unsere Sachen durften wir mitnehmen.“

Novemberpogrom in Urfeld

10.11.1938 im Novemberpogrom verprügelten vier besoffene bewaffnete Nazis die Chaluzim und zerstörten das Inventar. Der nichtjüdische Hausbesitzer Doering vertrieb die Eindringlinge mit seinen Söhnen, bewaffnet mit Jagdwaffen; nachts versteckte er die Chaluzim in seinem Keller.

Das Elend der 15000 in Zbaszyn

Frieda Herschberg aus Bochum schreibt

„Zbaszyn, 1.11.1938  Wir sitzen hier in Pferdeställen, Baracken, Schulen, Wartesälen usw. Brauchst dir keine Sorgen zu machen, wir sind gesund und leben noch. Der Mensch ist stärker als Eisen.“… „Wir sind interniert. Wir dürfen nicht von hier rausfahren ins Innere des Reiches. Wir schlafen auf dem Fußboden, müssen aber zufrieden sein, dass wir in einem warmen Zimmer sind, dagegen 1000-sende Menschen die in Baracken und Pferdeställen wohnen.“

Januar 1939 Abkommen zwischen der polnischen und der deutschen Regierung, dass rund 6000 Familienangehörigen der zuvor Ausgewiesenen (Frauen und Kinder) die Einreise nach Polen ermöglicht wurde. In kleinen Gruppen konnten Ausgewiesene zur Regelung von Vermögensangelegenheiten nach Deutschland zurückkehren.

Sommer 1939 in einer in Zbaszyn erstellten Liste der in Deutschland geborenen, nach Herkunftsort der Familie

Oktober 1939 Lager Zbaszyn wird aufgelöst, viele die nicht schon vorher in die Wohnorte ihrer Verwandten gingen, werden in die polnischen Ghettos transferiert

Susi Schmerler wird in Urfeld verhaftet und von dort deportiert; sie berichtet im Februar 1939:

„Es sind ungefähr 25 Chalutzim, die alle schon in Deutschland auf Hachschara waren und jetzt zur Auslands-Hachschara oder Alija gehen sollten. Doch da kam man uns mitten in unseren Plänen dazwischen. Eines Tages kamen mehrere Polizisten ins Beth Chaluz und brachten 10 Ausweisungsbefehle. Doch nein! Es sollte noch heute sein!“

Auf dem Bahnsteig in Zbaszyn findet sie ihre Eltern wieder.

3. 12.1938 Frau Rosel Naftalie Bochum, Querenburgerstraße 24 schreibt an Georg Feigmann

„Du wolltest wissen, welche Bochumer Familien von der Ausweisung nach Polen betroffen wurden: Es waren Brand, Baron, Flaumenhaft, Segall, Unger, Sporn, Ziegellaub, Schreiber, Zucker, Lauber, Wiener, Goldwerger, Insler, Lustmann, Schmerler, Jäckel, Rosenheck, [unleserlich], Herschberg, Plesser, Weißmann, Literat, Goldberger ich und noch einige alleinstehende Personen, die ich nicht beim Namen kenne. Ich will nun Schluß machen und würde mich freuen, bald wieder etwas von Dir zu hören. Lebe wohl und sei herzlichst gegrüßt in Freundschaft von Deiner Frau Rosel Naftalie“

Ausreise einer Chaluzim-Gruppe aus Zbaszyn mit Hechaluz-Zertifikaten

6.3.1939 Susi Schmerler kann mit Visum nach Deutschland zurück, um ihre Alija nach Palästina anzutreten, zunächst nach Berlin zur Jewish Agency in der Meineckestraße 10

9.-12.1939 in Bochum, wohnt bei Fam. Leo Müntz in Gerthe. Betreut wird sie von Lehrerin Else Hirsch, die sie auch am 12.3.1939 abends zum Bahnhof Bochum bringt.

13.3.1939 in München

15.3.1939 Abreise mit dem Schiff aus Triest

August 1939 letzte Nachricht von Moritz und Cilly Schmerler an ihre Tochter Susi

1.9.1939 Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen

Oktober 1939 Lager Zbaszyn wird aufgelöst

Moritz mit Frau und Sohn nach Warschau, später nach Krakau

Keine weiteren Daten bekannt

Gedenken

Wiederholte Pages of Testimony von Tochter Shulamit Nadir für Moritz, Cilly und Artur Schmerler

Stolpersteine für Moritz, Cilly und Artur Schmerler in Bochum Annastraße 26

Quellen

Hubert Schneider (Hrsg.) Das Tagebuch der Susi Schmerler, eines jüdischen Mädchens aus Bochum, LIT-Verlag, 2018

https://www.bochum.de/C125830C0042AB74/vwContentByKey/W289AGF9919BOLDDE/$FILE/073_075_Schmerler_Familie.pdf

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de966612

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de966609

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de29389

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de966605

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de2030884

https://www.kortumgesellschaft.de/tl_files/kortumgesellschaft/content/download-ocr/erinnernzukunft/Mitteilungsblatt-EfdZ-2011-Nr-15.pdf

https://www.kortumgesellschaft.de/tl_files/kortumgesellschaft/content/download-ocr/erinnernzukunft/Mitteilungsblatt-EfdZ-2012-Nr-16.pdf

Hubert Schneider, Die Entjudung des Wohnraums: Judenhäuser in Bochum; Münster, 2010

Hubert Schneider, Leben nach dem Überleben; LIT-Verlag 2014

Gedenkbuch der Opfer der Shoa aus Bochum und Wattenscheid, 2000

Manfred Keller/Gisela Wilbertz (Hg.), Spuren im Stein. Ein Bochumer Friedhof als Spiegel jüdischer Geschichte, Essen 1997

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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