Kleczewski Jutta

Jutta Naomi Kleczewski

*19.12.1920 in Berlin; Überlebende; ✡1995

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Berisch Dov Max Kleczewski *29.5.1891 in Sompolno; ✡ 11.3.1942 in Bernburg

Mutter Grete Lindemann *21.9.1896 in Berlin; ✡ März 1943 in Auschwitz

Bruder

Alfred Akiba Kleczewski *21.3.1923 in Berlin

Beruf

Adressen Berlin, Markgrafenstraße 63, Prinzenstraße 12; Ahrensdorf; Neuendorf

Heirat Herr Bar

Kinder zwei

Dror Bar

Weiterer Lebensweg

1.4.1927 Einschulung in die Volksschule

April 1935-April 1936 Besuch der Oberklasse (9. Klasse)

12.9.1938 Ankunft von Bruder Alfred in Tel Aviv

Zur Hachschara ins Landwerk Ahrensdorf, Pfadfinderbund Makkabi HaZair

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung der noch bestehenden in „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager“

Juli -September 1941 Auflösung des Hachscharalagers Ahrensdorf; Verlegung in das Lehrgut Neuendorf im Sande;

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

10. 4.1943 Aus Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager Große Hamburger Straße

19.4.1943 auf dem 37. Osttransport als Teil der Fabrikaktion, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde.

Esther Bejarano erinnert sich:

„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“

Esther berichtet auch, dass viele alte und schwache Menschen diesen mehrere Tage dauernden Horrortrip in den Viehwaggons nicht überlebten. Ihre Leichen blieben die ganze Zeit in den Waggons.
Mit Esther saßen viele der Jugendlichen im Waggon, mit denen sie in Neuendorf zusammen war: Eli Heymann, Schimschon Bär, Schoschana Rosenthal, Miriam Edel, Anne Borinski, Hilde Grünbaum, Karla und Sylvia Wagenberg, Herbert Growald und noch viele andere. 20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:

„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“

Häftlingsnummer  ?

15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner  30 km aus dem Osten

18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge;

18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau

Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:

Zofia Posmysz:

„Der letzte Tag in Auschwitz war der 18. Januar. Nach drei Tagen und drei Nächten zu Fuß wurden wir in offenen Güterwagen nach Ravensbrück gebracht.“

Asher Aud:

„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“

Sigmund Kalinski:

„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“

Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück

Isidor Philipp berichtet:

„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“

21./22.1. 1945 Ankunft in Loslau

22.1.-27.1.1945

auf Transport in offenen Kohlewaggons über KL Groß-Rosen und KL Sachsenhausen (jeweils wegen Überfüllung abgewiesen) bis ins KL Ravensbrück; dort zunächst ins „Jugendlager“,

Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.

Route von Lübz, Parchim, Neustadt-Glewe, Ludwigslust, wo sie in einem Bahnwärterhaus nahe eines großen US-Camp unterkommen. Hier kommt es zum Wiedersehen von Naomi und Esther „Krümel“ Loewy (Bejarano) mit Theo Lehmann und Issy Philipp, zu diesem Zeitpunkt bei einem Bauern in Rastow 12 km nördlich von Ludwigsburg.

Issy Philipp berichtet:

Ich lieh mir von der Familie ein Fahrrad und fuhr eine 30 Kilometer-Strecke nach Rostock. Ich erzählte es schon, dort traf ich die überlebenden Mädchen. Auf dem Rückweg hatte ich zwei Mädchen auf dem Rad, Naomi und Krümel. Eine davon ist heute in Kfar Macabi, im Norden. Vor zwei Monaten haben sie die Hochzeit ihres Sohnes gefeiert. Sie waren mit Theo auf Hachschara. Naturlich, als sie Theo sahen und Theo sah sie, eine große Freude.

Über das DP-Camp Lüneburg kommen Sie in das neben dem alten KL liegende DP Camp Bergen-Belsen, dort erstmals Kontakt mit der Jewish Brigade, die dort einen Stützpunkt hatte. Die Jewish Brigade empfiehlt ihnen den „Kibbuz Buchenwald“ auf dem Gehringshof aufzusuchen.

in DP-Camp Lüneburg

Vom „Kibbutz Buchenwald“ Gehringshof vermutlich durch die Bricha (Schleuseraktionen) der Jewish Brigade nach Frankreich, dann nach Marseille gebracht

17.-27.3.1946 Alija beth auf der SS TEL HAI von Marseille nach Haifa

Verhaftung durch die britische Mandatsmacht im Camp Atlith

Das Schicksal der Eltern

13.9.1939 Vater verhaftet in der zweiten Polenaktion

19.9.1939 Vater „Schutzhaft“ im KL Sachsenhausen

17.9.1940 Verlegung des Vaters aus dem KL Sachsenhausen in das KL Dachau

12.7.1941 Vater verlegt aus dem KL Dachau in das KL Buchenwald; Häftlingsnummer 8655

10.10.1941 Vater im Arbeitskommando 12 in Buchenwald

26.11.1941 Beginn der Begutachtung durch Dr. Mennecke auf der vom Lagerkommandanten vorbereiteten Liste von 1200 Juden zur Selektion der Häftlingseuthanasie 14f13

Ende November/Anfang Dezember 1941 Selektion in Buchenwald durch Dr. Fritz Mennecke

11.3.1942 Vater überführt von Buchenwald in die Euthanasieanstalt Bernburg/Saale

11.3.1942 Tod des Vaters in Bernburg a. d. Saale, durch Gas erstickt

1.3.1943 Deportation der Mutter von Berlin nach Auschwitz

Gedenken

17.7.1955 Pages of Testimony für die Eltern von Bruder Akiba Kleczewski

8.10.1956 Pages of Testimony für die Eltern von Onkel Abraham Stern

Grabstein für Naomi Bar auf dem Magshimim Cemetery, Israel

Quellen

Video-Interview mit Issy Philipp, 1994

Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989

Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/12661451

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/6277932

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1090084

Peter W. Lande,  Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History

https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316

Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen

Herbert Fiedler, Eine Geschichte der Hachschara; Verein Internationale Begegnungsstätte Hachschara-Landwerk Ahrensdorf e.V

Herbert und Ruth Fiedler, Hachschara, Hentrich & Hentrich 2004

http://www.hachschara-ahrensdorf.de/html/body_anfang.html

Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015

Urs Faes, Ein Sommer in Brandenburg, Suhrkamp 2015

https://objekte.jmberlin.de/person/jmb-pers-12574/Herbert+Sonnenfeld?se=Suche&qps=q%3DSonnenfeld

https://www.ortschroniken-mv.de/images/d/d9/MAL_KZ_Aussenlager.pdf

https://www.ernster.com/annot/564C42696D677C7C393738333839313434333533387C7C504446.pdf?sq=2

https://www.spiegel.de/geschichte/esther-bejarano-ist-tot-erinnungen-an-den-sommer-1945-a-06923ddf-6dc0-4c75-8136-011be044df7a

https://www.topfundsoehne.de/ts/de/service/mediathek/videos/2020/139178.html

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883

Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013

Video-Interview mit Issy Philipp 1994

Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989

Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013

Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386

Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert