*17.3.1925 in Schneidemühl; ✡ nach dem 29.2.1945 in Ellrich
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Sally Naftaniel *15.4.1904 in Thorn; ✡23.11.1942 in Auschwitz
Mutter Henriette Jacobsberg *23.5.1905 in Krojanke; ✡ 1943 in Auschwitz
Geschwister
Margot Naftaniel *19.7.1931 in Schneidemühl; ✡ 1943 in Auschwitz
Beruf Landwirtschaftlicher Praktikant, Schlosser
Adressen Schneidemühl; Berlin; Neuendorf
Heirat ledig
Kinder –
Weiterer Lebensweg
Acht Jahre deutsche Volksschule
15.6.1938 Vater verhaftet in der ASR-Aktion „Arbeitsscheu Reich“,
20.6.1938 Vater in „Schutzhaft“ in Sachsenhausen
17.5.1939 mit den Eltern und Schwester Margot in Schneidemühl bei Minderheiten-Volkszählung
Die Deportation der Juden aus Stettin und Schneidemühl am13.2.und 21.2.1940
21.2.1940 Siegfried und seine Schwester nach Berlin, die Mutter nach Radinkendorf deportiert
Eine für das RSHA erstellte Liste vom 9.4.1940 beschreibt die Räumung des Bezirks Schneidemühl:
„Am 21. Februar 1940 wurden die im Regierungsbezirk Schneidemühl wohnhaften Juden im Ort Schneidemühl gesammelt und im Gemeindehaus sowie in der jüdischen Leichenhalle notdürftig untergebracht. Es handelte sich um insgesamt 544 Personen. Am 22. Februar wurden 104 Personen nach Neuendorf überführt. Von diesen kamen zum Forsteinsatz 25 Personen, in Heime und Pflegeanstalten 16 Kinder, ins Krankenhaus 3 Kinder, ins Altersheim Friedenstr. 15 Personen, ins Siechenheim Lichterfelde 2 Personen, in die Sammelpflegestelle Elsasserstrasse 3 Personen; in Neuendorf befinden sich 40 Personen. Am 27. Februar wurden mit einem Krankentransport 17 Personen in das Siechenheim Lichterfelde verbracht. Es sind davon 4 Personen verstorben. Am 11. März wurden 165 Personen in das Durchgangslager Glowno b/Posen abtransportiert. Diese wurden am 2.4. und 6.4. aus Glowno entlassen, und zwar nach Neuendorf 65 Personen, nach Radinkendorf 45 Personen, in ein Heim in Bielefeld 38 Personen, in das Altersheim Friedenstrasse 7 Personen, in das Siechenheim Berlin-Lichterfelde 4 Personen, in Pflegestellen Berlin 2 Kinder, in Glowno verstorben 3 Personen, im Krankenhaus Posen verblieben 1 Person. Aus Schneidemühl sind am 4. April 49 Personen verbracht worden, und zwar sind 22 Kinder in Heime und Pflegestellen in Berlin, 27 Erwachsene nach Radinkendorf gekommen. Zur Einzelentlassung kamen (vor allem ins Krankenhaus) 6 Personen, in Schneidemühl verstorben sind 4 Personen. Es befinden sich noch in Schneidemühl 199 Personen.“
23.2.1940 Mutter Henriette aus dem „Jüdischen Arbeitsheim Radinkendorf“ ins Landwerk Neuendorf

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung der noch bestehenden in „Jüdisches Arbeitseinsatzlager“

24.1.1942 Siegfried aus Berlin ins Landwerk Neuendorf im Sande; zuvor in Berlin mit der Schwester Margot im Auerbach’schen Waisenhaus oder einer Pflegefamilie)
2.4.1942 Verhaftung der älteren und der bereits bei der Gestapo zuvor auffällig gewordenen Chaluzim aus Neuendorf und Deportation auf Lastwagen in eine große Turnhalle nach Frankfurt/Oder
3.4.1942 Deportation dieser Neuendorf-Gruppe mit 1009 Personen nach Warschau

13.7.1942 Schwester Margot aus Berlin ins Landwerk Neuendorf im Sande
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
31.3.1943 Die Belegschaftsliste des Landwerk Neuendorf enthält 96 Männer (drei abwesend) und 66 Frauennamen
7.4.1943 Zustellung der Transportlisten in Neuendorf
10. 4.1943 169 Chawerim aus Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager ehemaliges jüdisches Altenheim Große Hamburger Straße; in Berlin vom Transport zurückgestellt 16 Personen (Geltungsjuden, Juden aus privilegierten Mischehen etc.)
19.4.1943 auf dem 37. Osttransport als Teil der Fabrikaktion, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde.
Esther Bejarano erinnert sich:
„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“
Esther berichtet auch, dass viele alte und schwache Menschen diesen mehrere Tage dauernden Horrortrip in den Viehwaggons nicht überlebten. Ihre Leichen blieben die ganze Zeit in den Waggons.
Mit Esther saßen viele der Jugendlichen im Waggon, mit denen sie in Neuendorf zusammen war: Eli Heymann, Schimschon Bär, Schoschana Rosenthal, Miriam Edel, Anne Borinski, Hilde Grünbaum, Karla und Sylvia Wagenberg, Herbert Growald und noch viele andere. Schimschon und Esther hatten sich getrennt, sie hatte inzwischen ein Auge auf Eli Heymann geworfen, an dessen Seite sie den Transport in die Hölle überstand.
20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:
„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“

Ihm wird die Auschwitz-Häftlingsnummer 117038 in den linken Unterarm tätowiert; eingewiesen zur Zwangsarbeit im Lager Monowitz
15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten
18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge;
18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau
Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:
Zofia Posmysz:
„Der letzte Tag in Auschwitz war der 18. Januar. Nach drei Tagen und drei Nächten zu Fuß wurden wir in offenen Güterwagen nach Ravensbrück gebracht.“
Asher Aud:
„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“
Sigmund Kalinski:
„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“
Isidor Philipp berichtet:
„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“
19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück
Isidor Philipp berichtet:
„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“
26.1.1945 Aufnahme im KL Buchenwald, Häftlingsnummer120645; Block 58
1.2.1945 225 Häftlinge aus Buchenwald (hauptsächlich langjährige Häftlingen aus dem KL Außenlager Auschwitz-Jawischowitz in das Außenlager Adler-Werke in Frankfurt.

16.2.1945 Naftaniel in das Buchenwald-Außenlager Adler-Werke in Frankfurt
29.2.1945 Außenlager Juliushütte in Ellrich
Die Endphase von Ellrich-Juliushütte (Artikel auf Wikipedia)
„Aus dem mit Räumungstransporten aus dem KZ Auschwitz und dem KZ Groß-Rosen vollkommen überfüllten Außenlager Ellrich-Juliushütte herrschten im Frühjahr 1945 katastrophale Verhältnisse. Im März 1945 starben 1000 der 6500 Lagerinsassen. Nicht mehr arbeitsfähige kranke Häftlinge des Lagers wie auch aus dem KZ-Außenlager Boelcke-Kaserne wurden Anfang März 1945 in das KZ Bergen-Belsen überstellt.
Vom 4. bis zum 6. April 1945 wurde das Außenlager geräumt, bevor amerikanische Truppen Ellrich am 12. April 1945 erreicht hatten. Von den 7000 Häftlingen wurden 4000 in das KZ Bergen-Belsen transportiert und 3000 in das Außenlager Heinkel-Werke des KZ Sachsenhausen. Das KZ Bergen-Belsen wurde am 15. April 1945 befreit. Die anderen Häftlinge mussten zwischen dem 20. und 21. April 1945 von Sachsenhausen aus noch einen Todesmarsch in Richtung Norden antreten. Von den insgesamt 12.000 Häftlingen, die das Lager zwischen Mai 1944 und April 1945 durchlaufen haben, kamen rund 4000 ums Leben.“
Das Schicksal der Eltern
15.6.1938 Vater verhaftet in der ASR-Aktion „Arbeitsscheu Reich“,
20.6.1938 Vater in „Schutzhaft“ in Sachsenhausen
17.5.1939 Eltern mit Siegfried und Schwester Margot in Schneidemühl bei Minderheiten-Volkszählung
1939 Emigration des Vaters nach Belgien
25.10.1942 Vater ab Mechelen nach Auschwitz
23.11.1942 Tod des Vaters in Auschwitz
Gedenken
–
Quellen
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1187027
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1125344
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1125345
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130832960
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_brb_schneidemuehl.html
BILDER & DOKUMENTE – הכשרות החלוץ בגרמניה – דור המשך (hachshara-dor-hemshech.com)
Walter Keschner/Ze’ev Keschet,in: Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010
Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010
https://de.wikipedia.org/wiki/KZ-Au%C3%9Fenlager_Ellrich-Juliush%C3%BCtte#
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten
Harald Lordick, Landwerk Neuendorf in Brandenburg, in: Kalonymos, 2017, Heft 2
Esther Bejerano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989
Esther Bejerano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013
Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen
Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386
Video-Interview mit Issy Philipp 1994
Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015
Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212888
https://www.ortschroniken-mv.de/images/d/d9/MAL_KZ_Aussenlager.pdf
https://www.ernster.com/annot/564C42696D677C7C393738333839313434333533387C7C504446.pdf?sq=2
https://www.topfundsoehne.de/ts/de/service/mediathek/videos/2020/139178.html
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013