Herbert Jack Lichtenstein

Foto Archiv Walter Karbach
*8.7.1920 in Oberwesel; ✡19.10.1997 in New York
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Wilhelm Lichtenstein *12.4.1886 in Oberwesel; ✡31.5.1937 in Oberwesel
Mutter Clementine Wolff *29.5.1887; ✡ 1.10.1941 im Israelit. Krankenhaus in Frankfurt
Großvater Karl Lichtenstein *18.4.1857 in Glesch; ✡11.5.1952 in New York;
Großmutter Regina Mayer *18.12.1853 Oberwesel; ✡13.12.1923 Oberwesel
Onkel Theodor Lichtenstein *10.4.1888 in Oberwesel; ✡ 1944 in Auschwitz
Tante Selma Lichtenstein geb. Strauß *16.12.1890 Willmenrod; ✡ 22.3.1981 New Milford, NJ
Schwester
Meta Lichtenstein *3.11.1921 in Oberwesel; ✡ 3.3.1943 in Auschwitz
Cousin/e

Vorne v.l.: A. Voks, Heinz Friedmann, Alex Salm, Wolfgang Jakobs, unbekannt
Hintere Reihe v.l.: Siegfried Rothschildt, Karl Heinz Ulmer, Joachim Israel, Cousin Karl-Heinz Lichtenstein , unbekannt
In der Handwerkerschule der SG Köln ca 1939; Foto „NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln“
Vorne v.l.: A. Voks, Heinz Friedmann, Alex Salm, Wolfgang Jakobs, unbekannt
Hintere Reihe v.l.: Siegfried Rothschildt, Karl Heinz Ulmer, Joachim Israel, Karl-Heinz Lichtenstein , ?
Karl-Heinz Lichtenstein *22.1.1922 in Oberwesel; ✡21.10.1960 Bergenfield, NJ
Günther Lichtenstein *21.1.1925 in Oberwesel; ✡26.9.2013 in Los Angeles
Ruth Lichtenstein *5.1.1931 in Oberwesel; ✡16.10.1958 New Milford, NJ
Beruf Metzger
Adressen Oberwesel, Scharplatz 1; Bielefeld, Horst-Wessel-Straße 76
Heirat 25.6.1950 Ursula Cohn *21.9.1924; ✡20.1.2011 Pleasantville, New York
Kind keine
Weiterer Lebensweg
31.5.1937 Vater verstirbt in Oberwesel an den Folgen eines Autounfalls
10.11.1938 Onkel Heinrich Lichtenstein in Offenbach verhaftet im Novemberpogrom, „Schutzhaft“ in Buchenwald; Häftlingsnummer 23306


5.12.1938 Buchenwald-Entlassungsliste Blatt 1 und Blatt 3 (Auszug)
30.12.1938 Ausstellungsdatum der Kennkarte für Herbert L. in Oberwesel
13.2.1939 Herbert L. im Gut Winkel (Hachschara-Lehrgut Schocken), Spreenhagen in Brandenburg

September 1939 Meldeliste Spreenhagen

1.5.1940 Anmeldung in Beeskow-Storkow, Kreis Fürstenwalde zusammen mit Kurt Löwenthal aus Düsseldorf; zuvor in Hangelsberg, Kreis Fürstenwalde zur Zwangsarbeit auf dem Waldgut Stutgarten, Hangelsberg bei Fürstenwalde (525,3 ha; Besitzer ab 1929 Benno Lewin)

3.7.1940 Herbert L. von der Zwangsarbeit aus Hangelsberg bei Fürstenwalde zurück nach Gut Winkel
Das Umschulungslager in Bielefeld
1939 Nachdem zahlreiche, in Bielefeld lebende Jüdinnen und Juden in „Judenhäusern“ zwangseingewiesen worden waren, schloss die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) mit den jeweiligen Städten Verträge zur Errichtung der Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Schlosshofstraße 73 a und Paderborn, Grüner Weg 86;
Es entstand zunächst ein Wohn- und Arbeitslager in der Koblenzer Straße 4 (heute: Artur-Ladebeck Straße 6), anschließend erfolgte wegen der räumlichen Enge der Wechsel in das Lager in der Schloßhofstraße 73a. Dort bestand eine Unterkunft für alte und kranke Jüdinnen und Juden („Siechenheim“) als Einrichtung der RVJD.

Auszug aus dem Hausbuch Schloßhofstraße des Einwohnermeldeamtes Bielefeld
14.8.1940 Umschulungslager in Bielefeld, Schlosshofstraße 73a,

Herbert Lichtenstein (liegend) u. a. im Straßenbau eingesetzt, jüdische Lagerinsassen mit französischen Zwangsarbeitern auf dem Gelände der Arbeitseinsatzzentrale Schloßhofstraße 73a, Foto: Stadtarchiv Bielefeld)
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung „Jüdisches Arbeitseinsatzlager Bielefeld“
23.2.1942 von Bielefeld nach Berlin zur Solinger Straße 6, dann Friedländer. 26./2.

9.3.1942 von Berlin zurück in das Lager in der Schloßhofstraße 73a
Herbst 1942 Errichtung von Baracken für junge Familien auf dem Gelände in Bielefeld.


27.7.1942 Theodor Lichtenstein mit Frau Selma, seinem Vater Karl und den drei Kindern vom Güterbahnhof Koblenz-Lützel auf dem Transport Trier – Koblenz – Köln nach Theresienstadt, Ghetto
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz deportiert, um den Arbeitskräftebedarf im Nebenlager Buna zu decken.
27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Bielefeld“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.
1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Bielefeld, mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz
Erwin Angress berichtet:
„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“

2.3.1943 ab dem Güterbahnhof Bielefeld für 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit den 69 Insassen des Lager Bielefeld Schloßhofstraße und allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager Paderborn.
3.3.1943 Ankunft und Selektion der ‚Alten Rampe‘ am Güterbahnhof von Auschwitz;
Ernst Michel berichtet:
„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“
Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943
„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“
Herbert eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, auf LKW in die Quarantäneblöcke des „Arbeitslager Buna“ gebracht; Tätowierung der „nichtarischen“ Häftlinge, er bekommt die Auschwitz-Häftlingsnummer 105483 in den linken Unterarm tätowiert
3.3.1943 Schwester Meta in der Berliner Fabrikaktion mit 32 Frauen aus dem Siemens-Gemeinschaftslager Kommandantenstraße 58-59 auf dem 33. Osttransport von Berlin nach Auschwitz

28.9.1944 Cousin Karl Heinz auf Transport Ek von Theresienstadt nach Auschwitz

16.10.1944 Onkel Theodor von Theresienstadt nach Auschwitz
Das Auschwitz-Außenlager Jawischowitz
Paul Hoffmanns Sohn Daniel schreibt:

Die Auflösung von Auschwitz
15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten
18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca. 60 000 Häftlinge; 10000 aus Monowitz
19.1.1945 Evakuierung der ca 2000 Häftlinge aus dem Auschwitz Außenlager Jawischowitz 1945 (Bergwerk Andreasschächte) nach Buchenwald
Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:
Asher Aud:
„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“
Sigmund Kalinski:
„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“
Isidor Philipp berichtet:
„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“
Isidor Philipp berichtet:
„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“
Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.

22.1.1945 Ankunft in Buchenwald; er bekommt die Buchenwald-Häftlingsnummer 117482

24.1.1945 deportiert in das Buchenwald Außenlager Ohrdruf S III, dann in das erst im Januar 1945 errichtete Teillager Espenfeld; südlich von Gotha sollte ein unterirdisches Hauptquartier für die deutsche Reichsregierung gebaut werden.
14.2.1945 aus Buchenwald kommen in das Kommando S III, Ohrdruf: die Chawerim Simon Gossel, Walter Keschner, Rolf Elkeles, Siegfried und Erich Tichauer.
2.4.1945 Räumung von Ohrdruf, Todesmarsch nach Buchenwald (51 km)
Das Ende des KL Buchenwald
5.4.1945 Himmlers Befehl zur Evakuierung von Buchenwald (47500 Häftlinge);
6.-10.4.1945 Die SS beginnt mit der Evakuierung des Konzentrationslagers; etwa 28.000 Häftlinge des Stammlagers und mindestens 10.000 Häftlinge der Außenlager werden auf insgesamt 60 Marschrouten – meist zu Fuß – auf die Todesmärsche getrieben, 12000 (Schätzung) kommen auf diesen Märschen um.
6.4. 1945 von den ca. 6000 Juden im Lager, können etwa 3000 versteckt werden; 3105 Juden werden im Lager zusammengetrieben, in den Werkshallen der DAW (Deutsche Ausrüstungswerke) eingesperrt und Richtung Flossenburg in Marsch gesetzt
7.4.1945 Todeszug nach Dachau verlässt Weimar mit ca. 7000 Häftlingen
10.4.1945 9.280 Insassen haben an diesem Tag Buchenwald in zwei Kolonnen verlassen. Die SS kündigt für den folgenden Tag die vollständige Räumung des Lagers an.
Evakuierung des KL Buchenwald in Güterwaggons nach Theresienstadt, Flossenbürg und Dachau

22.4.1945 Ankunft in Leitmeritz; dann Theresienstadt; hier lernt er seine spätere Frau Ursula Cohn kennen
7.5.1945 Die SS übergibt das Ghetto Theresienstadt an das Rote Kreuz
8.5.1945 Befreiung von Theresienstadt durch die Rote Armee
An Flecktyphus (medizinisch korrekt: Fleckfieber) erkrankt, wird Herbert L. nach der Befreiung durch die Rote Armee von russischen Ärzten behandelt und muss sechs Wochen liegen. Als er wieder zu Kräften gekommen ist, kann er zusammen mit anderen Rheinländern nach Bonn fahren, wo sich Überlebende sammeln, um nach Hause gebracht zu werden.
25.7.1945 von Bonn dann Rückkehr nach Oberwesel
1945 für drei Wochen im Städtischen Krankenhaus in Frankfurt Sachsenhausen


8.1.-24.1.1947 Herbert mit dem Großvater Karl, Tante Selma und deren Kindern Karl-Heinz (mit seiner Verlobten Irene Wolff), Günther und Ruth auf der SS Marine MARLIN von Bremen nach New York
Gedenken
Quellen
Auszug aus dem Hausbuch Schloßhofstraße des Einwohnermeldeamtes Bielefeld (Signatur: StArchBi, Bestand 104,3 Einwohnermeldeamt, Nr. 1547)
Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 400, 3/Fotosammlung, Nr. 95-013-079
Walter Karbach aus Trier (vormals Oberwesel) hat mit zahlreichen Hinweisen zu dieser Biografie beigetragen.
https://www.statistik-des-holocaust.de/III2-11.jpg
https://portal.ehri-project.eu/units/us-005578-irn45433-irn49823
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/en1106998
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/en1000826
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/en915842
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/5278198
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/71032185
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 7269); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Daniel Hoffman, Lebensspuren meines Vaters, Wallstein Verlag 2007
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT430302_1.jpg
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998
Herbert Lichtenstein hat in New York eine Metzgerei betrieben. Einer seiner Geschäftspartner war Albrecht Weinberg, ein Holocaustüberlebender, der jetzt in Leer/Ostfriesland lebt. Herbert Lichtenstein hat seinen Vornamen in New York in Jack geändert. Albrecht Weinberg hat dieses in einem Zeitzeugengespräch am 15.4.2024 in der Gedenkstätte Mittelbau/Dora bestätigt.
Danke für diesen Hinweis auf Albrecht Weinberg. Haben Sie eine Quelle? Ich kenne folgende Adresse: Herbert Lichtenstein, c/o Weinberg, 700 West, 178th Street, New York 33. Meines Wissens musste Herbert Lichtenstein den Betrieb aus gesundheitlichen Gründen seinem Teilhaber überlassen. Gibt es eine Quelle?
Walter Karbach aus Oberwesel
Herbert Lichtenstein war in meiner Heimatstadt geboren. Viele aus Oberwesel haben die Lager nicht überlebt, einige sind auch verschollen oder umgebracht worden.Ich vermute das es sich um jenen Herrn Lichtenstein handelt der jahrelang meinem Großvater aus New York schrieb. Den Schaarplatz 1 an dem die Familie lebte gibt es auch heute noch .Dort sind Stolpersteine verlegt .
Hallo Daniela,
hast du die Briefe noch, die Herbert Lichtenstein an deinen Opa schrieb?
Walter
Ich habe nur einen gesehen den mir meine Omi zeigte , er war aus New York. Ich habe noch viele Fotos meiner Großeltern, aber ich weiß nicht wirklich ob der Brief darin enthalten ist .Mein Opa Willi war 1907 geboren, ich vermute das er wenn mit Herberts Vater geschrieben haben könnte .Das Einzige was ich weiß ist das mein Opa in der Nacht öfters etwas zu Essen brachte ,als Lichtensteins noch in Oberwesel wohnten .Wenn ich etwas finde Walter , dann melde ich mich.