Neustädter Margarete

Margarete Neustädter geb. Hecht

*28.3.1905 in Lübbecke; ✡5.3.1943 in Auschwitz

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Hermann Hecht *22.12.1869 in Lübbecke;✡ 26.9.1942 in Treblinka

Mutter Hedwig Cohen *22.3.1879 in Castrop; ✡26.9.1942 Treblinka

Geschwister

Annemarie Hecht *20.5.1910 Lübbecke; ✡1992 Chile; oo 1933 Ludwig Kychenthal; 1939 Schwerin;

Beruf Buchhalter;Vertreter

Adressen Lübbecke, Osnabrückerstr. 4; Bielefeld

Heirat 5.3.1925 in Lübbecke Bernhard Neustädter *11.6.1896; ✡ 24.3.1943 in Auschwitz

Kind

Ernst Ludwig Neustädter *23.7.1928 in Lübbecke; 29.8.1921Ruislip Middlesex; ooBeate Lux

Weiterer Lebensweg

Nach der Heirat wird Bernhard Neustädter Mitinhaber der Fa. Hecht, Berufskleiderfabrik

Mitte 1935 fanden sich an den Eingängen der Stadt Lübbecke Schilder mit der Aufschrift „Juden sind an diesem Ort nicht erwünscht“. Gegen den Aushang der antisemitischen Zeitung ‚Der Stürmer‘ in der Nähe seiner Berufskleiderfabrik protestierte Vater Hermann Hecht als der Inhaber beim Landrat.

Aug. 1935 wurden bei antisemitischen Ausschreitungen gegen Geschäftshäuser und Privatwohnungen Fensterscheiben zertrümmert. Das zog die Verhaftung mehrerer Personen nach sich. Für die Pogromnacht konstatierte der Landrat die „totale Zerstörung“ der Synagoge. Wohnungsschäden entstanden bei Vater Hermann Hecht, Bernhard Neustädter, Albert Ruben, Paul Schöneberg und Max Lazarus. Der Schaden belief sich auf ca. 30 000 Reichsmark.

10.11.1938 Bernhard Neuhaus verhaftet im Novemberpogrom, zusammen mit Albert Ruben und Dr. Lothar Lazarus aus Lübbecke. Firmeninhaber Albert Ruben wurde bereits im Stadtgefängnis Lübbecke gezwungen, einen Verkaufsvertrag zu unterschreiben.

Im Rahmen der ‚Arisierung‘ mussten auch Hermann Hecht und Bernhard Neustädter, die Inhaber der Fa. ‚Abraham Hecht‘, ihre Firmenanteile und Immobilien verkaufen.

Ehemann in „Schutzhaft“ in Buchenwald;

Häftlingsnummern Neustädter 29041, Ruben 29052, Lazarus 29071

27.11.1939 Bernhard Neustädter und Albert Ruben entlassen aus Buchenwald

23.12.1939 Dr. Lothar Lazarus entlassen aus Buchenwald

17.5.1939 mit Ehefrau in Lübbecke in bei Minderheiten-Volkszählung

17.5.1939 Sohn Ernst in Hannover bei Minderheiten-Volkszählung

13.6.1939 Sohn Ernst auf der SS Europa von Bremen nach Southampton, nach London

11.9.1939 Bernhard als Büroangestellter mit Ehefrau Grete aus Lübbecke in das Umschulungslager Bielefeld Koblenzer Str. 4

Das Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Schlosshofstraße 73 a

1939 Nach­dem zahl­rei­che, in Bie­le­feld le­ben­de Jü­din­nen und Ju­den in „Ju­den­häu­sern“ zwangs­ein­ge­wie­sen wur­den, schloss die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) mit den jeweiligen Städten Verträge zur Errichtung der Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Schlosshofstraße 73 a und Paderborn, Grüner Weg 86;

Anfang September ent­stan­d zu­nächst ein Wohn- und Ar­beits­la­ger in der Ko­blen­zer Stra­ße 4 (heu­te: Ar­tur-La­de­beck Stra­ße 6). Das Haus beherbergte zuvor die Praxis des nach Holland geflüchteten Orthopäden Dr. med. Bernhard Mosberg.

März/April 1940 wegen der räumliche Enge Wechsel in das Lager in der Schloß­hof­stra­ße 73a.

23.4.1940 Ehepaar Neustädter wechselt in das Lager in der Schloß­hof­stra­ße 73a

 Dort bestand auch eine Un­ter­kunft für alte und kran­ke Jü­din­nen und Ju­den („Sie­chen­heim“) als Ein­rich­tung der RVJD. Vom Lager aus wurden die Männer kolonnenweise bei den Straßen-, Tief- und Gleisbauarbeiten der Fa. Nebelung & Sohn eingesetzt.

1940 erfolgte ein Austausch männlicher Bewohner mit dem Umschulungslager Paderborn; die zionistischen Chawerim wechselten nach Paderborn und umgekehrt.

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager Bielefeld“

8.1.1942 Tod des Lagerleiters Jaruslawski; Bernhard Neustädter übernimmt kommisarisch die Lagerleitung bis Februar 1942

1.8.1942 Eltern Hermann und Hedwig Hecht Transport XI/1, Nr. 156 Münster -> Theresienstadt

Herbst 1942 Errichtung von Baracken für junge Familien auf dem Gelände.

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

Ende Februar/März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz deportiert, um den Arbeitskräftebedarf im Nebenlager Buna zu decken.

27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Bielefeld“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.

1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Bielefeld, mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz

Erwin Angress berichtet:

„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“

2.3.1943 ab dem Güterbahnhof Bielefeld für 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit den 69 Insassen des Lager Bielefeld Schloßhofstraße und allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager Paderborn.

3.3.1943 Ankunft und Selektion der ‚Alten Rampe‘ am Güterbahnhof von Auschwitz;

Ernst Michel berichtet:

„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“

Bernhard Neustädter eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, auf LKW in die Quarantäneblöcke des „Arbeitslager Buna“ gebracht; Tätowierung der „nichtarischen“ Häftlinge, er bekommt die Auschwitz-Häftlingsnummer 105003  in den linken Unterarm tätowiert Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943

„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“

März 1943 Bernhard Neustädter mit Bronchopneumonie im Häftlingskrankenbau von Buna, 24.3.1943 Tod im HKB von Buna: offizielle Todesursache: Bronchopneumonie

Gedenken

3.6.1989 Pages of Testimony für die Eltern und Großeltern Hecht von Sohn Ernst Neustädter

Quellen

Auszug aus dem Hausbuch Schloßhofstraße des Einwohnermeldeamtes Bielefeld (Signatur: StArchBi, Bestand 104,3 Einwohnermeldeamt, Nr. 1547)

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de936967

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de936987

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de961232

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/5278159

https://www.lwl.org/hiko-download/OA_DT/L%C3%BCbbecke_(Beckemann)_511-519.pdf

Bremen Auswandererlisten, 1920-1939

Daniel Hoffmann, Lebensspuren meines Vaters, Wallstein Verlag 2007

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_wfn_43a.html

https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=en&s_id=&s_lastName=Dessauer&s_firstName=&s_place=Gelsenkirchen&s_dateOfBirth=&cluster=true
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT430302_1.jpg

Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7

Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013

Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998

www.80jahrepogrom.jgpb.de/erwin-angress/

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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