Weinstock Abraham

Abraham Weinstock

*8.7.1892 im ostgalizischen Peczenizyn; ✡13.4.1959 New Jersey

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Joseph Weinstock; ✡?

Mutter Gittel Wächter; ✡ ?

Geschwister unbekannt

Beruf Lehrer

Adressen Köln; Ahaus; Rheine, Salzbergener Straße 1;  Herleshausen, Bahnhofstraße 6; Gelsenkirchen, Wanner Straße 24, Von-der-Recke-Straße 9

Heirat 1918 in Rheine Martha Müller *16.2.1893 in Herleshausen; ✡nach 1.10.1944 in Stutthof

Schwiegereltern Meier Müller (1843-1913) und Sara Oppenheim (1859-1939)

Sohn

Heinz Weinstock *7.3.1921 in Rheine; ✡März 1945 nach der Befreiung (Foto Gelsenzentrum)

Die Israelitische Volksschule Gelsenkirchen

Bericht von Andreas Jordan, Gelsenkirchen:

„Seit der Verselbstständigung der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen war diese bemüht, eine eigene Volkschule zu unterhalten. Es gelang, eine Volksschule an der damaligen Neustraße einzurichten. Ab 1893 wurde aufgrund der wachsenden Zahl der jüdischen Bevölkerung Gelsenkirchens mit der Errichtung einer Schule an der Ringstraße 44 begonnen. Bereits 1907 mußte das Gebäude mit der weiter wachsenden Schülerzahl erweitert werden.

Bis zum Jahr 1936 wurden in dieser Schule in drei Klassen bis zu 155 Kinder unterrichtet. Durch die Flucht zahlreicher Familien aus Nazi-Deutschland sank die Zahl der jüdischen Schülerinnen und Schüler erheblich. Mitte der Dreißiger Jahre wurde die Schule an der Ringstraße auf Druck der braunen Machthaber geschlossen. Auch von den weiterführenden Schulen und den Volksschulen bspw. in Buer wurden die jüdische Kinder vertrieben. In einem alten Schulgebäude an der Josefstraße in der Neustadt wurde dann die Israelitische Volksschule eingerichtet. Hier sammelten sich die jüdischen Kinder und Jugendlichen, dort wurde versucht, für die unterschiedlichen Jahrgänge eine Erfüllung der Schulpflicht möglich zu machen. Ende 1937 besuchten etwa 60% aller noch in Deutschland lebenden jüdischen Kinder jüdische Schulen. Reichsweit wurden jüdische Schülerinnen und Schüler nach der so genannten „Reichskristallnacht“ endgültig aus den öffentlichen Schulen ausgeschlossen.“

Abraham Weinstock (links) mit der Oberklasse der jüdischen Schule Gelsenkirchen 1939

Weiterer Lebensweg

12.3.1913 Erste Lehrerprüfung in Köln abgelegt

17.1.1917 Zweite Lehrerprüfung in Ahaus

1.1.1921 Eintritt als Lehrer in die Jüdische Schule in Rheine, Nachfolger von Ludwig Baum

Mitglied im Verein israelitischer Lehrer der Rheinprovinz und Westfalens

1921 Geburt von Sohn Heinz in Rheine

1921 Umzug nach Gelsenkirchen

1.10.1921 Abraham Weinstock „ Hauptlehrer“ der jüdischen Schule Gelsenkirchen, Karlstraße 5; Leiter S. Katz

1924/25 Vorsitzender des Jüdischen Jugendbunds Ortgruppe Rheine mit 30 Mitgliedern

25.10.1928 Mittelschullehrer-Prüfung

Lehrer und Vorbeter der Solinger Synagogengemeinde

1932 Leiter des jüdischen Männer Unterstützungsverein in Rheine

Die Ausweisung aus Rheine

1933 Lehrer in Rheine

11.4.1933 der Direktor des Schlachthofes Dr. med. vet. Bonnekessel beschuldigt Weinstock deutschfeindlicher Äußerungen im Zusammenhang mit der von der NSDAP behaupten „Greuelpropaganda“ der Auslandsjuden

13.4.1933 auf Anweisung des Landrates aus der Schutzhaft entlassen

15.4.1933 schreibt der Lingener Volksbote, dass der jüdische Lehrer Abraham Weinstock „wegen Äußerungen zugunsten der ausländischen Greuelpropaganda in Schutzhaft genommen“ und aus der Stadt ausgewiesen worden war.

11.5.1933 Sohn Heinz wird in Rheine vom Gymnasium Dionysianum verwiesen; die Familie zieht sich daraufhin nach Herleshausen (Geburtsort der Ehefrau Martha) zurück, wo Sohn Heinz weiter zur Schule gehen kann.

1933 In Herleshausen kommt es zu einem erneuten Konflikt mit den örtlichen Behörden, da der 12-jährige Sohn Heinz sich gegen antisemitische Mitschüler wehrt (siehe unten „Entnazifizierung“)

Juli 1934 Umzug der Familie nach Gelsenkirchen Wanner Straße 24, nach Einstellung als Lehrer an der Israelitischen Schule an der Ringstraße; Kollegium: Weinstock, Erna Goldbach, Sally Spier und Salomon Katz

Juli 1934 Umzug der Familie nach Gelsenkirchen Wanner Straße 24

Mitte 1935 Einweihung eines Lehrhausesmit Kursen für Erwachsene in Palästinakunde und Hebräisch, später in Englisch; Leitung Rabbiner Dr. Siegfried Galliner, unterstützt von den Lehrern S. Katz und A. Weinstock

1935 kommt als Lehrer Siegfried Ullmann aus Castrop hinzu

1936 Lehrer S. Katz geht nach Bad Ems (Schulfoto 1932)

1936 Wechsel der jüdischen Schule von der Ringstraße in ein altes Schulgebäude in der Josefstraße

24.3.1937 unterschreibt er als Schuldirektor der Israelitischen Schule an der Josefstraße und als Klassenlehrer das Abgangszeugnis von Isidor Jeckel (auf dem Foto 3. von rechts)

Er unterrichtet ab Januar 1939 auch die letzten jüdischen Kinder aus Recklinghausen

17.5.1939 mit Ehefrau Marta und Sohn Heinz in Gelsenkirchen bei Minderheitenzählung

Juli 1939 „zwangsweise pensioniert“; Umzug in die Von-der-Recke-Straße 9

Dezember 1941 im Krankenhaus in Gelsenkirchen; er wird vertreten durch Erna Goldbach

Brief der Schülerin Ruth Markus an den ehemaligen Lehrer Erich Jakobs (Recklinghausen)

Deportation nach Riga

Jan. 1942 Deportationsbefehl der Gestapo

24.1.1942 Verbringung von 349 Gelsenkirchener Juden ins Sammellager Ausstellungshalle Wildenbruchplatz, davon 9 flüchtig und ein Suizid (Helene Lewek)

27.1.1942 339 Juden deportiert aus Gelsenkirchen nach Dortmund

27.1.1942 Weitertransport von Dortmund nach Riga-Skirotawa mit Ehefrau und Sohn Heinz

1.2.1942 Ankunft Skirotawa, Fußmarsch ins Ghetto Riga

Juli-2. November 1943 schrittweise Auflösung des Ghettos; Einrichtung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald und verschiedener Betriebslager mit lokaler Kasernierung; Kommandant des KL Kaiserwald Sturmbannführer Albert Sauer

3. November 1943 Auflösung des Ghetto Riga

November 1943 im Armeebekleidungsamt ABA 701 in Mühlgraben, Kasernierung

Sommer 1944 Auflösung des KL Kaiserwald, Riga

Juli – September 1944 Transporte der Arbeitsfähigen aus Riga per Schiff nach Stutthof

6.8-9.8.1944 1. Großer Transport mit der „Bremerhaven“ von Riga nach Danzig

28.9.-1.10.1944 3155 Häftlinge aus Riga Kaiserwald, 300 von der Lenta auf dem Frachtschiff „Kanonier“ von Riga->Danzig

1.10.1944 Ankunft in Stutthof mit Ehefrau und Sohn Heinz

10.3.1945 Befreiung in Stutthof; ihm soll mit Sohn Heinz die Flucht gelungen sein; Sohn Heinz soll einen Tag nach der Befreiung von einem russischem Bauern erschossen worden sein.

Liste der “Mitglieder der Jüdischen Kultusgemeinde, die am 27. 1. 1942 verschleppt wurden und nicht zurückgekehrt sind”, Nachkriegsaufstellung der Jüdischen Kultusgemeinde Gelsenkirchen

November 1945 Rückkehr nach Herleshausen

Entnazifizierung des Herleshausener Bürgermeisters Karl Fehr

Weinstock in seinem Zeugenschreiben vom 19. Dezember 1945:

„Schon bevor die Nazis an die Macht kamen, war ich mit Herrn Fehr bekannt, der immer ein wohlwollender und hilfsbereiter Bürgermeister war. Gerade im Jahre 1933 erfuhr ich seine unbedingt unbestechliche Haltung gegenüber jedem Einwohner. Damals schäumten die Nazibanden mit blinder, zügelloser Leidenschaft über. Mein 12 Jahre alter Sohn, der dachte, dass er dem Antisemitismus der anderen Kinder trotzen könne, wurde angezeigt und gemeldet wegen solch einer verrufenen Handlung und die Polizeigewalt forderte von Herrn Fehr, sich in das Mittel zu legen. Ich wurde amtlich vorgeladen. Herr Fehr entschuldigte sich wegen der Vorladung. Ich erklärte, dass er dadurch nur seine Pflicht erfüllt hätte und [er] bat mich, meinen Sohn zu tadeln, um diesen Fall zu schlichten. Wann immer ich oder meine Familie mit Herrn Fehr in Verbindung kamen, wurden wir stets mit freundlicher Zuvorkommenheit behandelt.

Ich bin durch die Nazis verfolgt worden,3 ½ Jahr bin ich in einem KZ gewesen. Ich habe meine Frau und meinen Sohn verloren. Ich denke deshalb, dass ich berechtigt bin zu fordern, dass alle, die an diesem unaussprechlichen Elend schuld sind, streng bestraft werden sollten. Andererseits, z. B. in dem Fall Fehr, bin ich froh zu helfen und zu retten diejenigen, die in ihrer Stellung bedroht und in den brüllenden Strudel hineingezogen waren, aber ihre aufrechte Überzeugung trotz brutaler Gewalt bewahrt haben.“

August 1946 nach Gelsenkirchen, Von-der-Recke-Straße 3

29.9.1946 schreibt Minna Aron aus Recklinghausen an den früheren Lehrer der jüdischen Schule Erich Jacobs, dass Abraham Weinstock als Vorbeter während der Jonteftage in der Gemeinde aushilft.

3.-16.1.1947 Abraham Weinstock als Witwer auf dem US Transporter SS ERNIE PYLE von Bremen nach New York, finanziert vom HIAS

Januar 1947 endgültig in Herleshausen abgemeldet

März 1950 Antrag auf Wiedergutmachung beim Regierungspräsidenten in Darmstadt gestellter Nach Ortswechsel wird der Vorgang von dort nach Nordrhein-Westfalen abgegeben.

Die ,hessische‘ Entschädigungsakte schließt mit einem Vermerk vom 4. Oktober 1962:

„Ansprüche sind erledigt. Es wird Rente gezahlt.“

Gedenken

Grabstein auf dem Mount Lebanon Cemetery, Iselin, New Jersey, United States (Billion Graves)

11.10.2019 Stolpersteine für seine Ehefrau Martha Müller und ihre Brüder in Herleshausen, Bahnhofstraße 6

Stolperstein für Sohn Heinz in Rheine vor dem Gymnasium Dionysianum

Geplanter Stolperstein in Gelsenkirchen

Quellen

Klaus-Peter Friedrich, Zum Lebensweg der jüdischen Kindergärtnerin Rosel Leschziner geb. Wolf aus Herleshausen; Eschweger Geschichtsblätter 30/2019; Link:

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20439/Herleshausen%20Friedrich_Lebensweg_aus%20EG_30_2019.pdf

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Briefe der jüdischen Gemeinde Recklinghausen an Erich Jacobs aus dem Jahre 1941, Privatarchiv Fredel Fruhman

BBF/DIPF/Archiv, Gutachterstelle des BIL – Preußische Volksschullehrerkartei
Regierungsbezirk Münster

https://www.werratalverein1883.de/fileadmin/user_upload/upload_zv/Suedringgau/HeimatKulturDenkmal/20191219_SRG_Steinverlegung6_5_Mueller.pdf

https://www.statistik-des-holocaust.de/OT420127-Gelsenkirchen15.jpg

https://www.dionysianum.de/index.php?option=com_attachments&task=download&id=1659

Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 7263); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85

Wolfgang Scheffler, Diana Schulle, Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten Juden 2011

http://www.stolpersteine-gelsenkirchen.de/familie_markus_jeckel_stolpersteine.htm

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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1 Kommentar

  1. Guten Tag, mein Name ist André Schaper und ich bin Historiker aus Rheine. Vielen Dank für diesen sehr ausführlichen Beitrag über Abraham Weinstock. Wir planen für dieses Jahr einen Stolperstein für ihn in Rheine neben dem bisher schon verlegten Stolperstein seiner Frau zu verlegen. Ihre Informationen helfen uns sehr die Sachlage zu ergänzen. Beim Lesen ist mir aufgefallen, dass Ihnen einige rheinenser Quellen fehlen. Gerne kann ich Ihnen diese zur Verfügung stellen.
    Mit freundlichen Grüßen
    A. Schaper

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