Rudi Manfred Frank
* 23.4.1914 in Bruchenbrücken, Friedberg, Hessen; ✡ 3.5.1988 in New York
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Max Frank *9.11.1882 in Niederwöllstadt ; ✡27.7.1938 in Bruchenbrücken
Heirat der Eltern 11.2.1908 in Bruchenbrücken
Mutter Thekla Reichenberg *4.10.1881 in Bruchenbrücken; ✡ 14.5.1963 in Manhattan
Großeltern Isaak Frank und Karoline Rollhaus
Geschwister
Hugo Frank *8.6.1910 in Bruchenbrücken; ✡vor 1945 inTreblinka
Beruf Landarbeiter
Adressen Bruchenbrücken; Westerkappeln; Puerto Plata, Santo Domingo
Heirat Erna Elsa Spitz *4.1.1917 in Frankfurt; ✡26.7.2004 in Hempstead, New York
Kinder
Kurt Max Frank *15.12.1942; oo 1964 in New York Madeline Zunno *18.11.1943
Steven Frank *21.8.1949
Die Hachschara Bewegung
In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.
Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.
Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).
So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.
Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.
Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.
Hof Stern in Westerbeck
Der erste Hachschara-Hof in Westfalen entstand in der Gemeinde Westerkappeln. Die Umschulungs- und Einsatzlager des RVJD in Bielefeld und Paderborn folgten erst später und bestanden von 1939 bis 1943. Die Brüder Leo (1900-1938) und Rudolf Stern (1898-1957) aus Osterkappeln hatten den Hof Elstroth, Westerbeck mit der Hausnummer 74 in der Gemeinde Westerkappeln mit 20 Hektar Land Ende 1932 bei einer Zwangsversteigerung erworben. In den Jahren 1933 bis 1938 verpachteten sie den Großteil ihres Hofes Stern an den jüdischen Pfadfinderbund „Makkabi Hazair“, der hier eine Hachschara-Stätte errichtete.
Januar 1934 Beginn der Hachschara; die ersten Chawerim heißen Henry Cohen (Altkarbe), Edgar Adamski (Leipzig) und Markus Lichter (Chemnitz)
Von 1934 -1938 arbeiteten und lernten hier 97 „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) 31 Mädchen und 66 Jungen, im Mittel 19 Jahre alt. Manche blieben nur wenige Tage, andere bis zu eineinhalb Jahren zwei allerdings sogar zweieinhalb Jahre
1937 in Westerbeck auf dem Hof Stern 27 Bewohner gemeldet
Von Juni 1936 bis zum Februar 1938 verließen viele Jugendliche den Hof, zumeist in ihre Heimatorte, 18.2.1938 18 Personen abgemeldet aus Westerbeck. Dieser Exodus markiert wohl das Ende der strukturierten Hachschara-Ausbildung.
März -August 1938 nur noch fünf Chaluzim auf dem Hof gemeldet.
Die Leitung des Hofes lag zuletzt (Mai-November 1938) bei dem aus Syke bei Bremen stammenden Ehepaar Dora und Siegfried Löwenstein, die mit ihrer Tochter Grete auf dem Hof lebten.
9./10. November 1938 in der Pogromnacht überfiel ein SA-Trupp den Hof. Das Verwalterehepaar Löwenstein wurde brutal misshandelt, das Mobiliar wurde zerstört, Fensterscheiben wurden zerschlagen. Vier junge Männer lebten zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Hof Stern. Sie wurden ebenso wie der Verwalter Siegfried Löwenstein festgenommen und in Westerkappeln inhaftiert. Während Löwenstein nach einer Woche auf den Hof zurückkehren konnte, wurden die vier anschließend für einige Wochen ins KZ Buchenwald verschleppt. Nur Rudi Frank kann durch Flucht ins Ausland entkommen.
3.12.1938 Zwangsverkauf des Hofes an den Landwirt Heinrich Pöppelwerth aus Haustenbeck/Lippe
Weiterer Lebensweg
17.5.1938 bei der Minderheiten-Volkszählung mit der Mutter, der Großmutter Karoline Frank und Bruder Hugo in Bruchenbrücken
zur Hachschara auf den Hof Westerbeck/Stern, Hachscharalager des jüdischen Pfadfinderbundes „Makkabi Hazair“ auf Gut Westerbeck in Westerkappeln
9./10. November 1938 in der Pogromnacht überfiel ein SA-Trupp den Hof. Das Verwalterehepaar Löwenstein wurde brutal misshandelt, das Mobiliar wurde zerstört, Fensterscheiben wurden zerschlagen. Rudi Frank und drei junge Männer wurden ebenso wie der Verwalter Siegfried Löwenstein festgenommen und in Westerkappeln inhaftiert. Während Löwenstein nach einer Woche auf den Hof zurückkehren konnte, wurden die vier anschließend für einige Wochen ins KL Buchenwald verschleppt. Kurzfristige Rückkehr auf den Hof.
Frühjahr 1939 Rudi Frank endgültig aus Westerkappeln abgemeldet
Als einzigem der vier kann Rudi Frank 1940 durch Flucht ins Ausland entkommen, seine drei Chawerim kommen in der Shoa um.
Das SOSUA Settlement Projekt
Die „Dominican Republic Settlement Association“ (Dorsa) erwarb 1939 eine brachliegende ehemalige Bananenplantage in Sosúa ab. 800 jüdische Siedler kamen in der ersten Welle von 1940 bis 1942 in den ersten karibischen Kibbuz.
11.4.1940 Rudi Frank emigriert nach Santo Domingo; Ziel: SOSUA Settlement Project
8.5.1940 Ankunft in Ciudad Truijllo zusammen mit anderen Chaluzim wie Marianne Schüler und Herbert Rosenfeld mit dem vom Hachschara-Lager Kersdorf bei Briesen organisierten Transport auf der SS CONTE BIANCAMANO von Genua nach Santo Domingo
6.9.1940 Registrierung von Rudolf Frank in Sosua
1.-10.9.1940 die spätere Ehefrau Erna Spitz auf der SS CAMERONIA von Glasgow nach New York zur Weiterfahrt nach Santo Domingo, SOSUA Settlement Project
29.9.1940 Registrierung von Erna Spitz in Sosua
25.10.1941 Mutter Thekla Frank-Reichenberg nach Santo Domingo, vermutlich auch über Genua, da nicht in den New York-Passagierlisten erfasst
Nov. 1944 Antrag zur Aufnahme in die US-amerikanische Sozialversicherung
9.3.1953 Einbürgerung als US Citizen
3.5.1988 Tod in New York
Gedenken
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Grabstein für den Vater Max auf dem jüdischen Friedhof Assenheim, Niddatal, Wetteraukreis
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 6495); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85
Anträge und Ansprüche der US-amerikanischen Sozialversicherung, 1936-2007
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/70379258
Peter W. Lande, Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History
Hans-Ulrich Dillmann, Susanne Heim: „Fluchtpunkt Karibik – Jüdische Emigration in der Dominikanischen Republik“. Christoph Links Verlag, Berlin 2009
Gisbert Strotdrees, Kibbuz Westerbeck (Hof Stern), in: Hachschara als Erinnerungsort, 12.12.2022.
https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/4.pdf
https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/ein-kibbuz-in-westfalen/
https://archive.org/stream/MitteilJdischerPfadfinder/Nr.%2010%20%281936%29_djvu.txt
Jüdische Einwohner von Westerkappeln seit 1933 mit Belegungsliste Westerbeck, erstellt von der Gemeinde Westerkappeln am 14.11.1946