Pfingst Margot

Margot Pfingst später Mizna

*18.5.1918 in Loetzen; ✡Israel;

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Heinrich Pfingst *10.9.1874 in Bischofsburg; ✡ 23.7.1943 im KL Sobibor

Heirat der Eltern 19.9.1905 in Rössel

Mutter Herta Löwenstein *16.5.1887 in Drengfurt (Srokowo); ✡ 20.1.1936 in Köln

v.l. Anni, Werner, Hilde, Herta, Margot, Heinrich, Doris, Grete Pfingst

Geschwister

Anni Pfingst *26.10.1906 in Loetzen; ✡22.5.2003 in Philadelphia; oo Bertold Jacoby

Margarete Grete Pfingst *1.10.1907; ✡Okt.1984 Bronx, USA; oo Arnold Beerwald

Hilde Pfingst *27.3.1909 in Loetzen; ✡16.1.2000 USA; oo Hans Joachim Cohn

Doris Pfingst *27.2.1911 in Lötzen; ✡2.8.1942 in Auschwitz; oo Heinz Gustav Engers; Sohn Freerk *21.4.1938 in Amsterdam

Elsa Pfingst *1913; März 1914

Werner Pfingst, Werner Finks *18.2.1915 Berlin-Friedenau; ✡ Nov. 1978 USA; oo Sybil Katz

Beruf Landwirtschaftliche Praktikantin

Adressen Berlin; Düsseldorf, Cherusker Straße 46 (Eigentum), Grafenberger Allee 32/34; Osnabrück; Westerkappeln; Ambler, Pennsylvania

Heirat ?Mizna

Kinder

Die Hachschara Bewegung

In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.

Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.

Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).

So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.

Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.

Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.

Hof Stern in Westerbeck

Der erste Hachschara-Hof in Westfalen entstand in der Gemeinde Westerkappeln. Die Umschulungs- und Einsatzlager des RVJD in Bielefeld und Paderborn folgten erst später und bestanden von 1939 bis 1943. Die Brüder Leo (1900-1938) und Rudolf Stern (1898-1957) aus Osterkappeln hatten den Hof Elstroth, Westerbeck mit der Hausnummer 74 in der Gemeinde Westerkappeln mit 20 Hektar Land Ende 1932  bei einer Zwangsversteigerung erworben. In den Jahren 1933 bis 1938 verpachteten sie den Großteil ihres Hofes Stern an den jüdischen Pfadfinderbund „Makkabi Hazair“, der hier eine landwirtschaftliche Ausbildung für die mittlere (14-17 Jahre) und die reguläre Hachschara(>17 Jahre) anbot.

Januar 1934 Beginn der Hachschara; die ersten Chawerim heißen Henry Cohen (Altkarbe), Edgar Adamski (Leipzig) und Markus Lichter (Chemnitz)

1934-1938 arbeiteten und lernten hier 97 „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) 31 Mädchen und 66 Jungen, im Mittel 19 Jahre alt. Manche blieben nur wenige Tage, andere bis zu eineinhalb Jahren zwei allerdings sogar zweieinhalb Jahre

1937 in Westerbeck auf dem Hof Stern 27 Bewohner gemeldet

Von Juni 1936 bis zum Februar 1938 verließen viele Jugendliche den Hof, zumeist in ihre Heimatorte, 18.2.1938 18 Personen abgemeldet aus Westerbeck. Dieser Exodus markiert wohl das Ende der strukturierten Hachschara-Ausbildung.

März -August 1938 nur noch fünf Chaluzim auf dem Hof gemeldet.

Die Leitung des Hofes lag zuletzt (Mai-November 1938) bei dem aus Syke bei Bremen stammenden Ehepaar Dora und Siegfried Löwenstein, die mit ihrer Tochter Grete auf dem Hof lebten.

9./10. November 1938 in der Pogromnacht überfiel ein SA-Trupp den Hof. Das Verwalterehepaar Löwenstein wurde brutal misshandelt, das Mobiliar wurde zerstört, Fensterscheiben wurden zerschlagen. Vier junge Männer lebten zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Hof Stern; Julius Weinberg, Hans Bensew, Rudi Frank, werden mit Verwalter Siegfried Löwenstein festgenommen und in Westerkappeln inhaftiert. Während Löwenstein nach einer Woche auf den Hof zurückkehren konnte, wurden die vier anschließend für einige Wochen ins KZ Buchenwald verschleppt. Nur Rudi Frank kann später nach Santo Domingo flüchten.

3.12.1938 Zwangsverkauf des Hofes an den Landwirt Heinrich Pöppelwerth aus Haustenbeck/Lippe

Weiterer Lebensweg

1928 Umzug der Familie von Lötzen nach Düsseldorf; Werner und Grete bleiben in Düsseldorf

1932 Schwester Anni Pfingst nach der Heirat mit Kaufmann Berthold Jacoby nach Schippenbeil

1932 Vater Heinrich Geschäftsführer der Woolworth-Filiale in Osnabrück

1933 Werner mit Abitur am Comenius-Gymnasium

1933 Werner Pfingst meldet sich von Osnabrück nach Hannover ab

März 1934 Rückkehr mit den Eltern aus Osnabrück; mit Werner und Tochter Grete Grafenberger Allee 32/34

1934 Schwester Hilde in die USA

28.8.1934-12.8.35 Doris Pfingst von Düsseldorf nach Amsterdam, Minervalaan

Margot und Bruder Werner zur Hachschara auf den Hof Westerbeck/Stern, Hachscharalager des jüdischen Pfadfinderbundes „Makkabi Hazair“ auf Gut Westerbeck in Westerkappeln

1936 abgemeldet aus Westerkappeln; nach Düsseldorf

20.1.1936 Tod der Mutter Herta in Köln, vermutlich im Israelitischen Asyl

1936 Margot auf Alija nach Palästina

16.7.1936 Heirat von Schwester Doris mit Heinz Engers in Düsseldorf

1.8.1936 Emigration von Schwester Doris und Ehemann nach Amsterdam

1.8.1936 Schwester Grete auf der SS BERLIN von Bremen nach New York

4.-13.5.1938 Bruder Werner Pfingst auf der SS MANHATTAN von Hamburg nach New York

Heimatadresse Vater Heinrich Pfingst in Düsseldorf; Ziel Schwester Hilde Cohn in Woodstock, NY

9.6.1938 Vater Heinrich zur Untermiete bei Irene Rosenbusch, Kaiserswerther Straße 70

10.11.1938 Verwüstung der Wohnung seiner Vermieterin Rosenbusch; er kann sich wegen einer vorherigen Warnung vor einer Verhaftung in Sicherheit bringen; Verkauf des Hauses Cherusker Straße

25.8.1939 Vater Heinrich nach Amsterdam zur Tochter Doris

31.7.1942 Transport von Schwester Doris mit Ehemann und dem vierjährigen Freerk nach Auschwitz

4.10.1942 Schwager Heinz Engers, Auschwitznummer 54636, erschossen bei Fluchtversuch

1.4.1943 Vater Heinrich von Amsterdam ins Judendurchgangslager Westerbork

20.7.1943 Vater Heinrich aus Westerbork ins KL Sobibor

Zu Margot Mizna in Israel keine weiteren Daten

Gedenken

Stolperstein für Heinrich Pfingst in Düsseldorf, Cheruskerstraße 46

2013 Einweihung des „Werner-Pfingst-Platzes“ in Düsseldorf (Deckel auf einer Tiefgarage) im Beisein der Tochter Ellen Finks

Quellen

Jüdische Einwohner von Westerkappeln seit 1933 mit Belegungsliste Westerbeck, erstellt von der Gemeinde Westerkappeln am 14.11.1946

Personenkarte von Hof Stern in Westercappeln, Westerbeck Nr. 74

https://archief.amsterdam/indexen/persons?ss=%7B%22q%22:%22Pfingst%22%7D

Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 6152); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Müller/Lorenz Werner Pfingst, Ein Akt der Vergebung,

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130284137

Peter W. Lande,  Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History

Gisbert Strotdrees, Kibbuz Westerbeck (Hof Stern), in: Hachschara als Erinnerungsort, 12.12.2022

https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/4

https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/ein-kibbuz-in-westfalen/

https://www.wochenblatt.com/landleben/nachrichten/fluchtpunkt-landwirtschaft-ein-bauernhof-als-rettende-insel-12528911.html

https://archive.org/stream/MitteilJdischerPfadfinder/Nr.%2010%20%281936%29_djvu.txt

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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