Harff Philipp

Philipp „Fipe“ Harff

*18.6.1894 in Wesel; ✡  8.12.1976 in Albany

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Gustav Harff *1860; ✡ 9.2.1932 in Wesel

Mutter Dina Nordheim *22.9.1964 in Werl; ✡ 27.6.1932 in Wesel

Großeltern

David Nordheim *18.8.1825 in Werl; oo 23.5.1856 in Werl Henriette Cain * 1830 in Geldern

Geschwister

Charlotte Harff *12.3.1906 in Wesel; ✡1985 in Montevideo; oo Ernst Moritz Wolff

Dorothea Harff *16.11.1896 in Wesel; ✡15.10.1942 in Auschwitz; oo 25.4.1922 Hugo Goudsmit

Beruf Arzt, Dr. med.

Adressen Wesel; Bonn; Cambridge;

Heirat 6.12.1926 in Aachen Stephanie Henriette Dreyfuss *9.4.1901 in Aachen; ✡Sept.1979 in Albany

Schwager Julius Goldschmidt (1880-1960); oo Else Dreyfuss (1897-1996); Besitzer des „Haus Berta“-Grundstücks in Altschermbeck

Kinder

Georg Donald Harff *4.8.1932 in Wesel; ✡21.6.2017 New York

Karl Harff *27.9.1929 in Wesel; ✡9.3.2015 in Sewickley

Die Hachschara Bewegung

In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.

Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.

Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).

So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.

Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.

Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.

Haus Berta am Freudenberg bei Alt-Schermbeck

Auf Betreiben von Leo Gompertz, Vorsitzender der RjF-Ortsgruppe Gelsenkirchen entstand 1934 auf dem Heide- und Waldgelände des Julius Goldschmidt ein Jugend- und Ferienheim, Haus Berta, benannt nach der Mutter Berta Goldschmidt. Die feierliche Eröffnung fand am 24.8.1934 im Beisein von reichsweiter RjF- und Rabbinats-Prominenz statt. Heimleiter wurde Dr. jur. Willi Stern, 1933 von den Nazis außer Dienst gestellter Amtsgerichtsrat aus Recklinghausen. Madrich für das erste Landsommerhalbjahr 1935 war Heinz Kahn (HaKa)aus Eschwege.

Die geistliche Betreuung übernahm der zuständige Bezirksrabbiner Dr. Selig Auerbach aus Recklinghausen. Das Ehepaar Leo und Rosa Auerbach war für die Hauswirtschaft zuständig, Ruth Stamm für den Jugendsport und die Gymnastik. Die vom Hamburger Oberrabbiner Dr. Joseph Carlebach empfohlene Edith Möller aus Hamburg-Altona führte die streng koschere Küche.

Vom 10.5.-31.10.1935 fand das bereits an einer Hachschara ausgerichteten erste Landhalbjahr statt; Madrich war Heinz Kahn (HaKa) aus Eschwege.

Als vermutlich bewusste Provokation wurde Haus Berta 1937 während eines wie immer besonders festlich begangenen Freitagabend-Gottesdienst zum jüdischen Schabbat von der Gestapo geschlossen.

Aus dem Lagebericht von 1937 der Staatspolizeidienststelle für den Regierungsbezirk Münster:

„Die polizeiliche Schließung des jüdischen Ferienhauses (…) hat nach dem vorliegenden Bericht des Landrats in Recklinghausen in der Bevölkerung lebhafte Befriedigung ausgelöst.“

Weiterer Lebensweg

März 1913 Abitur am Konrad-Duden-Gymnasium Wesel

30.4.1913 Immatrikulation im Fach Humanmedizin, Universität Bonn

Bis 1937 Niedergelassener Arzt in Wesel

1934/35 als ehrenamtlicher betreuender Arzt im Ferienheim/ Umschichtungslager „Haus Berta“ am Freudenberg bei Alt-Schermbeck in Trägerschaft des Reichsbund jüdischer Frontsoldaten RjF; assistiert von Kurt (oder Hans) Abraham

10.5.-31.10.1935 Erstes Landhalbjahr in „Haus Berta“

1937 Verkauf seines Hauses an einen Arzt, der im Marien-Hospital Wesel arbeitet

15.9.1937 Visumausstellung in Rotterdam

Von Rotterdam nach England

17.- 22.12.1937 mit der Familie auf der SS BREMEN von Southampton nach New York

Heimatadresse Schwester Lotte Wolff in Dannenberg

18.4.1950 erfasst in White Creek Town, Cambridge (NY) bei US Census

3.11.1963 schreibt er in einem Brief an den Gründer von Haus Berta Leo Gompertz:

„Ich selbst habe heftig und mit Erfolg versucht, die Vergangenheit zu vergessen und lebe in der Gegenwart.“

Weggefährten beklagen sich über ihn, dass er sich aus den alten Kontakten gelöst hat.

Julius Plaat am 10.10.1963 über Harf an Leo Gompertz

Gedenken

2011 Stolpersteine für Philipp, Stephanie Georg und Karlheinz Harff in Wesel Herzogenring 20

Quellen

Jüdische Studierende der Universität Bonn, Fundstelle, Bd. 16, Nr. 2126: Philipp Harff

https://www.uni-bonn.de/de/universitaet/medien-universitaet/medien-organisation-und-einrichtungen/medien-archiv/juedische-studierende-h.pdf

Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 6092); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85

Volkszählung 1940 der Vereinigten Staaten

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947

https://archives.cjh.org/repositories/5/archival_objects/785194

https://archive.org/details/leogompertzcolle01gomp/page/n59/mode/1up?view=theater

http://www.holstina.de/history/hausberta.html

https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-345341#id20

http://www.dorsten-unterm-hakenkreuz.de/2012/05/28/haus-bertha-am-freudenberg-ein-lichtblick-und-kurzer-hoffnungsstrahl-fur-bedrangte-judische-kinder-aus-dem-reich-den-willen-zum-uberleben-gestarkt/

https://www.schermbeck-grenzenlos.de/index.php/aktuelles/2-uncategorised/17069-auf-den-spuren-der-geschichte-von-haus-berta

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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