Herbert Bierhoff
*19.6.1903 in Borgentreich, Ostwestfalen; ✡ 23.4.1944 in Riga
Staatsangehörigkeit deutsch, staatenlos
Vater Viktor Bierhoff *4.10.1869 in Borgentreich; ✡16.5.1931 in Borgentreich
Heirat der Eltern am 12.10.1895 in Rothenditmold
Mutter Regine Sostheim *24.2.1874 in Borgentreich; ✡Sept. 1942 in Treblinka
Großeltern Herz Abraham Bierhoff und Schönchen Jeanette Dillenberg
Onkel Jakob Bierhoff; oo Rieke Silberberg *27.7.1869
Tante Johanna Bierhoff *27.7.1869 in Borgentreich; oo Kupferstein
Tante Sara Bierhoff *28.5.1866 in Borgentreich / Warburg
Onkel Nathan Dillenberg * 1846 in Höxter; ✡15.9.1925 in Höxter
Cousin/s/en
Ulla Julie Dillenberg *14. 11.1882 in Höxter; ✡ in Riga
Henny Dillenberg *19.9.1884 in Höxter; ✡ in Riga
Martha Dillenberg *18.1.1891 in Höxter; ✡ 1944 in Stutthof; oo Albert Bukofzer
Richard Dillenberg *30.9.1892 in Höxter; ✡ in Riga
Geschwister
Margarethe Käthe Bierhoff *17.1.1896 in Borgentreich; ✡nach April 1942 in Warschau; oo Josef Blumenfeld
Irma Bierhoff *23.4.1901 in Borgentreich; ✡nach August 1944 in Stutthof; oo Julius Goldschmidt
Alfred Bierhoff *29.6.1906 in Borgentreich; ✡ 15.10.1975 Clayton, Missouri; oo Hazel Grossman
Großcousin Hermann Dillenberg *20.1.1884; ✡Ghetto Riga; oo Rosa Dillenberg
Beruf Viehhändler
Adressen Borgentreich Nr. 108; Kassel, Moltkestraße 9, Oberste Gasse 35
Heirat
1.Ehe Toni Kaufmann *30.9.1907 in Rotenburg; nach 29.1.1943 im KL Auschwitz
2.Ehe am 23.8.1939 Ruth Nathan *12.7.1915 in Essen; ✡ 1944 in Stutthof
Kinder
Ellen Bierhoff *10.10.1937 in Frankfurt; ✡22.4.1944 in Riga
Weiterer Lebensweg
1915-1920 Schüler des König-Wilhelm-Gymnasiums in Höxter; wohnt bei Viehhändler Nathan Dillenberg in der Stummrigestraße 47, einem Bruder seiner Großmutter
1920 Schulabgang mit Mittlerer Reife
1926 Bruder wandert in die USA aus
1929 als Einwohner in Borgentreich genannt
1937 Geburt von Tochter Ellen in Frankfurt; Mutter Ruth vor und nach der Entbindung im Heim des Jüdischen Frauenbundes, Neu Isenburg bei Frankfurt
10.11.1938 Schwager Julius Goldschmidt verhaftet im Novemberpogrom,
„Schutzhaft“ in Buchenwald; Häftlingsnummer
2.12.1938 Tod des Schwagers Julius Goldschmidt im KL Buchenwald
1939 Tochter Ellen im „Kinderhaus der Weiblichen Fürsorge“ in Frankfurt
17.5.1939 Ruth Nathan Wilhelmshöher Allee 9 in Kassel bei Minderheiten-Volkszählung
17.5.1939 Ex Frau Toni Bierhoff Orleanstraße 12 in Kassel bei Minderheiten-Volkszählung
17.5.1939 Onkel Jakob Bierhoff mit Frau Rieke in Hannover Drostestraße 5 A bei Minderheiten-Volkszählung
17.5.1939 Tante Sara Spiegel in Hannover Scholvenstraße 4 bei Minderheiten-Volkszählung
23.8.1939 Heirat mit Ruth Nathan
1940 Herbert Bierhoff mit Ehefrau und Tochter sowie Schwester Irma Goldschmidt in Kassel, Oberste Gasse 35; hier wohnt auch die Familie Verständig
11.5.-19.5.1941 Mutter Regina Bierhoff zu Besuch in Kassel
Der Transport Kassel-> Riga
8.12.1941 über Nacht im Sammellager Turnhalle Wörthschule, Schillerstraße
9.12.1941 Deportation von Kassel nach Riga auf dem Transportzug Da 36 mit Frau und Tochter sowie Schwester Irma Goldschmidt;
Bahnfahrt über Berlin, Breslau, Posen, Königsberg, Riga- Skirotawa mit 1022 Juden
12.12.1941 Ankunft Skirotawa; Fußmarsch ins Ghetto Riga bei über 10 Grad minus
Der Transport Bielefeld-> Riga
13.12.1941 auf dem Bielefelder Transport ins Ghetto Riga kamen die vier Kinder des Onkel Nathan: Irmgard mit Mann Albert Bukofzer und Tochter Irmgard, Julie, Richard und Ulla Dillenberg;
Außerdem aus Fürstenau Großcousin Hermann und Faru Rosa Dillenberg
Ankunft 16.12.1941
Der Transport Hannover-> Riga
3./4.9.1941 „Aktion Lauterbacher“ in Hannover, Zwangsumzug von Onkel Jakob und Frau Rieke ins Juden-Ghettohaus, Predigthalle auf dem jüdischen Friedhof, An der Strangriede 55
In diesem Sammel-Judenhaus finden sich auch Helmut Fürst mit seiner Familie sowie die Familie Klestadt
November 1941 Deportationsbescheid der Gestapo
15.12.1941 morgens Verbringung der Bewohner per Lastwagen aus dem Judenhaus Strangriede über die seit Anfang November 1941 von der Gestapo zur Sammelstelle umfirmierte Israelitische Gartenbauschule zum Bahnhof Fischerhof in Hannover-Linden
Bahnfahrt in Personenwagen mit angehängten Gepäckwagen der Deutschen Reichsbahn in das Ghetto Riga vom Bahnhof Fischerhof in Hannover-Linden nach Riga Skirotawa zusammen mit 999 anderen Hannoveraner Juden
18.12.1941 Ankunft Rangierbahnhof Skirotawa, Fußmarsch ins Ghetto Riga
Herbert Bierhoff wird zum Ghettopolizist ernannt.
Juli-2. November 1943 schrittweise Auflösung des Ghettos; Einrichtung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald und verschiedener Betriebslager mit lokaler Kasernierung; Kommandant des KL Kaiserwald Sturmbannführer Albert Sauer
3. November 1943 Auflösung des Ghetto Riga
Ein kleines Aufräumkommandos bleibt bis 1944 im Ghetto zurück, vermutlich gehört Herbert Bierhoff dazu.
„Murder most merciful“
Fritz Ostkämper schreibt über den Tod von Ellen und Herbert Bierhoff:
„Als Mitglied der Ghettopolizei erfuhr Herbert Bierhoff früher als andere von den Verschleppungen und Selektionen, von denen auch seine Tochter bedroht war und die er nicht mehr beschützen konnte. Außer sich vor Verzweiflung über das Schicksal, das die sechsjährige Ellen erleiden sollte, vergiftete er sie, um ihr das schlimmste Martyrium zu ersparen. Nach Ziering’s Theaterstück wurde Herbert Bierhoff am folgenden Morgen auf dem Hof neben der Leiche seiner Tochter entdeckt, wo er fieberhaft versuchte mit einem Löffel ein Grab für sie zu schaufeln. Er wurde vor den Ghetto-Kommandanten Roschmann geschleppt, der ihn als ‚jüdisches Schwein‘ beschimpfte und auf der Stelle erschießen ließ.“
Das im Bundesarchiv genannte Todesdatum 22. bzw. 23. April 1944 ist nicht gesichert, passt aber zu den Daten der Ereignisse in Riga:
1.4.1944 Befehl, alle Kinder unter 11 in Listen zu erfassen
22.4.1944 „Kinder-Aktion“, die in den Listen erfassten verbliebenen Kinder bis zu 10 Jahren mussten an diesem Tag in drei Außenlagern gesondert antreten und wurden abtransportiert und ermordet.
April 1944 Ehefrau Ruth ins KL Riga-Kaiserwald
22.4.1944 in Riga Tod von Tochter Ellen in der Kinderaktion
Sommer 1944 Auflösung des KL Kaiserwald, Riga
Juli – September 1944 Transporte der Arbeitsfähigen aus Riga per Schiff nach Stutthof
6.8.-9.8.1944 1. Großer Transport mit der „Bremerhaven“ von Riga nach Danzig
9.8.1944 Ankunft von Ruth Bierhoff im KL Stutthof; keine weiteren Daten
Gedenken
1999 „The Judgment of Herbert Bierhoff“ Uraufführung des Theaterstück des Riga-Überlebenden Siggi Ziering, der seinen Protagonisten Shimon sagen lässt:
„Let me now try to tell you the Bierhoff story as reconstructed from facts known to me and others who were there, as well as from recurring dreams and nightmares I have had in the past 50 years.“
Quellen
https://www.mappingthelives.org
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/4424736
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 3961); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85
http://www.jacob-pins.de/?article_id=351&clang=0
BillionGraves
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de843267
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1006138
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de843273
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de843274
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de876271
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de843268
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT411209-2.jpg
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_wfn_411213.html
Hermann Ziering, Murder Most Merciful. Essays on the Ethical Conundrum Occasioned by Sigi Ziering’s The Judgment of Herbert Bierhoff. University Press of America, 2005
Bernd Philipsen, Fred Zimmak, Hrsg., Wir sollten leben, Novalis 2020
Dietlind Kautzky, Thomas Käpernick Hrsg., Mein Schicksal ist nur eins von Abertausenden VSA 2020
Wolfgang Scheffler, Diana Schulle, Buch der Erinnerung, Die ins Baltikum deportierten Juden 2011
Christin Sandow (Hrsg.), Käthe Fries, Schießen Sie mich nieder, Lukas Verlag 2017
Gertrude Schneider, Reise in den Tod, Deutsche Juden in Riga 1941-1944, Laumann-Verlag, 2008, Seite 127
Gertrude Schneider, Exile and Destruction, The Fate of the Austrian Jews 1938-1945; Praeger 1995
Hilde Sherman: Zwischen Tag und Dunkel. Mädchenjahre im Ghetto, Frankfurt/M.-Berlin-Wien, 1984
Anita Kugler, Scherwitz – Der Jüdische SS-Offizier, 2017