Heinrich Jechezkel Haskel Shraga Tydor
*29.10.1903 in Bochnia, Krakau; ✡ 28.2.1993 in Ramat Gan
Staatsangehörigkeit polnisch
Religion jüdisch (orthodox)
Vater Jehuda Leib Tydor ca. 1874; ✡ ?
Heirat der Eltern 1896
Mutter Ester Laufer ca. 1876; ✡ ?
Geschwister
Pesli Tydor *1.1.1900 in Bochnia; ✡ ?
Samuel Tydor *1901-1901
Jehudit Malka Ida Tydor *1911; ✡1943 in Szebnie
Beruf Dreher
Adressen Frankfurt, Habsburger Allee 16; Gehringshof; Tel Aviv
Heirat 7.2.1930 mit Beila Berta Greiffer *1904; ✡ca 1942
Heirat 13.11.1957 in New York mit Shirley Rosalynn Kraus; die gemeinsame Tochter ist Prof. Judith Tydor Baumel-Schwartz, die Autorin des Buches über den „Kibbuz Buchenwald“
Kinder
Camilla Tidor *1931 in Frankfurt
Manfred Menachem Tidor * 18.3.1932 in Frankfurt; Belgien; Südfrankreich; USA überlebt
Enkelin Laurie Tidor/ Gerber *7.12.1957
Weiterer Lebensweg
1.1.1938 wohnhaft Frankfurt, Habsburger Allee 16
Die zweite Polenaktion
1.9.1939 Die Wehrmacht überfällt Polen
9.9.1939 reichsweite Verhaftungen der Juden mit polnischen Wurzeln als „feindliche Ausländer“ in Polizeigefängnissen; Tydor wird am 9.9.1939 in Frankfurt verhaftet
16.10.1939 interniert als Schutzhäftling im KL Buchenwald
Inhaftiert im KL Buchenwald; Arbeitskommandos
Ako. SS-Unterkunft
17.4.1940 Kolonne Eickhoff Latrinenbau
20.7.1940 Bau Truppengaragen
20.12.1940 Ako. 18 Fuhrkolonne 1
12.5.1942 Ako. 44 Baukommando II
Auschwitz Monowitz
17.10.1942 mit 433 Häftlingen verlegt aus dem KL Buchenwald zum Aufbau des Chemiekomplexes BUNA in Monowitz; interniert im KL Auschwitz;
auf diesem Transport befinden sich auch Abraham Matuszak, Adi Lindenbaum, Jakob Zylbersztajn und Heinrich Tydor
Registrierung nach Ankunft in Auschwitz; er bekommt nach Selektion zur Zwangsarbeit in Buna die Häftlingsnummer 68715 in den linken Unterarm tätowiert
15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten
18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca. 60 000 Häftlinge; 10000 Männer aus Monowitz
18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau
Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:
Zofia Posmysz:
„Der letzte Tag in Auschwitz war der 18. Januar. Nach drei Tagen und drei Nächten zu Fuß wurden wir in offenen Güterwagen nach Ravensbrück gebracht.“
Asher Aud:
„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“
Sigmund Kalinski:
„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“
Isidor Philipp berichtet:
„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“
19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück, Sachsenhausen
Isidor Philipp berichtet:
„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“
Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.
26.1.1945 Ankunft in Buchenwald; Unterbringung in Block 59 im Kleinen Lager
Arbeitskommandos
5.2.1945 Ako. 57 Steinträger
13.2.1945 Ako. 44 Baukommando II
17.2.1945 Ako. 64/59 Stubendienst in Block 59
11.4.1945 Befreiung in Buchenwald; Tydor beschreibt diesen Moment:
„Gegen 16.00 Uhr ertönte im Lager der Ruf, dass die ersten amerikanischen Panzer einmarschierten. Langsam waren die Menschen noch unsicher, die Häftlinge kamen aus ihren verschiedenen Verstecken und begannen, sich zu umarmen. In allen Ecken des Lagers hörte man aus amerikanischen Lautsprechern immer wieder verkünden: „Ihr seid frei“. Es war der Tag unserer Befreiung.“
3.6.1945 eine erste Gruppe von 16 Chaluzim zieht auf den Hof in Eggendorf, den sie „Kibbuz“ Buchenwald nannten
Anfang Juni Gründungsfeier und Benennung in „Kibbuz Buchenwald“; Rabbi Schacter teilt mit, dass gemäß dem Potsdamer Abkommen das Land Thüringen von der US-Army der russischen Militärverwaltung unterstellt werden würde.
Noch am selben Abend beschließen Grynbaum, Tydor und Zauderer den Wechsel des Kibbuz in die amerikanische Zone
9.6.1945 Tydor, Moritz Zauderer und Victor Herskovics wollen mit dem Jeep von Rabbi Schacter und dessen Fahrer Chaim Shulman zur US-Militärverwaltung nach Frankfurt, um die Zusage für den Wechsel zu beschaffen. Sie machen aber einen Zwischenstopp in Hattenhof und besichtigen den jetzt von Volksdeutschen bewohnten Hof.
Nach Weigerung des Dorfvorstehers in Hattenhof fahren sie zur US-Militärverwaltung nach Fulda. Kommandant Leutnant Finkelstein beschlagnahmt und überschreibt ihnen den Gehringshof.
Mitte Juni ein deutschsprechender russischer General zu Besuch auf den Hof Egendorf ist überzeugt:
„Freunde, seid ihr nicht froh, dass wir bald kommen?“
24.6.1945 53 Chawerim aus Eggendorf mit einem Bus und zwei LKW’s auf den Gehringshof
DP Center Registrierung; diese scheint im Block für alle 80 Ausreisenden erfolgt zu sein, da alle Karten identisch ausgefüllt sind.
Juli 1945 Wahl eines sechsköpfigen Rates, dessen Vorsitz Haskel Tidor auf Drängen der Chaluzim -nach Zögern wegen seiner beiden Kinder – übernimmt
August 1945 Registriert auf dem Gehringshof in der Gruppe „Deutsche“
26.8.1945 Übergabe der Leitung an ein provisorisches Komitee (Yitzhak Yoker, Piese Zimche, Aharon Gafni und Rivka Englard)
27.8. 1945 verlassen 80 Chaluzim – 53 Männer, 27 Frauen – den Gehringshof über Baden nach Marseille
4.9.1945 Abfahrt der SS MATAROA aus Marseille
8.9.1945 Ankunft in Haifa auf der SS MATAROA mit Arbeiterzertifikat C/L
Adresse קבוץ בוכנואלד Kibbuz Buchenwald
Nach kurzem Aufenthalt im britischen Internierungscamp Atlith gehen viele in den Kibbuz Afikim
Tydor verließ den Kibbuz nach der Einwanderung
29.4.-18.5.1953 auf der SS JERUSALEM von Haifa nach New York, um bei seinen Kinder Manfred und Camilla zu sein
13.11.1957 Heirat in New York mit Shirley Rosalynn Kraus
1953-1974 in den USA; Inhaber eines Fremdenverkehrsbüro in New York
1974 Rückkehr nach Israel
28.2.1993 Tod in Ramat Gan
Die Rettung der Kinder
Vermutlich per Kindertransport nach Brüssel
10.5.1940 Einmarsch der Wehrmacht in Belgien
Abschiebung nach Südfrankreich, unbekanntes Lager; aus diesem werden sie von einer US-Hilfsorganisation herausgeholt und in das Emigrantenlager nach Marseille verbracht.
9.9.-9.10.1941 Manfred und Camilla Tydor auf der SS SERPA PINTO von Lissabon nach New York
Das Schicksal der Schwester
Im September 1943 wurden die meisten Bewohner des Ghetto Bochnia deportiert: Kranke und Alte wurden ins KL Auschwitz und Gesunde in ein Arbeitslager in Szebnie transportiert. Tod der Schwester Jehudith Ida in Szebnie.
Gedenken
1.3.1993 Beisetzung in Ramat Gan
1994 Buch der Tochter Judith Tydor Baumel-Schwartz: Kibbuz Buchenwald
Erwähnung im Buch von Judith Baumel „My Name is Freida Sima The American-Jewish Women’s Immigrant Experience Through the Eyes of a Young Girl from the Bukovina:
„My mother and father Shirley and Chaskel Tydor, and his children, Manfred and Camilla …He had been liberated from Buchenwald when he was over forty, older than most concentration camp survivors. He had spent the entire five and a half years of the war in Nazi camps, something few people had survived. After the war, he organized the first hachshara (pioneering) kibbutz in liberated Germany, composed of members of all political and religious groups who wanted to come to Eretz Yisrael, from the far left to the ultra-Orthodox. Finally, in September 1945, he brought the first group of survivors-pioneers to Palestine to continue their training, had participated in the Israeli War of Independence, and only came to America in 1950, initially as a temporary work visit. It was only as the years progressed that he realized that he would be remaining in America for longer than he had originally planned…“
Quellen
Judith Tydor Baumel, Kibbuz Buchenwald, Hrsg. Kibbuz HaMeuhedet, Tel Aviv 1994
Judith Baumel „My Name is Freida Sima“ The American-Jewish Women’s Immigrant Experience Through the Eyes of a Young Girl from the Bukovina
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
U.S. Sterbe-Verzeichnis der Sozialversicherung (SSDI)
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/69452006
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130582465
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/7317921
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 6580); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85
https://www.mappingthelives.org
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/81989944
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten
Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947
https://hachschara.juedische-geschichte-online.net/ort/13.pdf