Puschkanzer Rolf

Rolf Pascha Puschkanzer

*12.7.1914 in Bochum; ✡ 1937/38 in Albacete

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Jesaja „Sally“ Puschkanzer*30.12.1875 in Kaunas; ✡ Februar 1914 Heiligenhaus

Heirat der Eltern Mai 1909 vor dem Standesamt Bochum

Mutter Elly Marie Watermann *6.10.1889 in Bochum; ✡ 19.9.1944 in Klooga, Estland

Großeltern Gersh Wolf und Freida Mera Puschkantzer

Großvater August Watermann *5.7.1854 in Bochum; ✡18.5.1922 Bochum; jüd. Friedhof Wiemelhausen

Großmutter Minna Benjamin *22.8.1852 in Bochum; ✡7.5.1937 Bochum; jüdischer Friedhof Wiemelhausen

Tante Salomon Elfriede geb. Watermann verw. Bonn* 16.12.1883 in Bochum; ✡ Oktober 1944 Stutthof; oo Georg Salomon (*29.10.1883 in Altona; ✡15.2.1942)

Geschwister

Miriam Frieda „Mary“ Puschkanzer *21.8.1910 in Düsseldorf; ✡ 19.9.1944 in Klooga, Estland

Beruf Landwirtschaftlicher Volontär

Adressen Bochum, Märkische Straße; Werkdorp Wieringen Nieuwesluizerweg 42, Slootdorp (Wieringen);

Heirat ledig

Kinder

Weiterer Lebensweg

Königstraße, Nr. 21, links mit Erker

Die Großeltern August und Minna Watermann führten in Bochum Griesenbruch auf der Königstraße 21 am Moltkemarkt eine Pferdemetzgerei mit Restaurant.

Vater Sally Puschkanzer kam nach 1897 von Kaunas nach Deutschland; er betrieb in Düsseldorf einen Verlag und Druckerei, in dem u. a. die Apollo-Theater Revue (1905-1906) und die 14-tägig erscheinende Düsseldorfer „Theater-Rundschau“ (1913-1914) erschien.

Anfang Juli 1909 Umzug der Eltern nach Düsseldorf, Friedrichstraße 44


26.2. 1914 Vater Sally Puschkanzer verunglückt mit 38 Jahren tödlich mit seinem Wagen bei einem Autounfall in Heiligenhaus-Oefte bei Düsseldorf.

Die mit Sohn Rolf schwangere Elly Marie Puschkanzer zieht zu den Eltern nach Bochum

12.7.1914 Geburt von Rolf Puschkanzer in Bochum

3.8.1915 Ummeldung der Mutter nach Bochum

SAJ Opposition

1930 Eintritt von Rolf Puschkanzer in die SAJ, Jugendorganisation der SPD

Aktives Mitglied des „Proletarischen Volkstanzkreis“

In der zweiten Jahreshälfte 1931 spaltete sich die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) von der SPD ab, dabei verließen ca. 5000 Mitglieder die SAJ und schlossen sich dem Sozialistischen Jugendverband (SJVD) der SAPD an, unter ihnen Willy Brandt.

Arbeiterjugend, Monatsschrift der Sozialistischen Arbeiterjugend Deutschlands, 23, 1931

Rolf Puschkanzer (Bochum-Griesenbruch) schließt sich der SAJ-Opposition an. (Griesenbruch ist das Viertel um den Moltke-Markt, dort hatten die Großeltern Watermann ihre Rossschlachterei)

Stationen von Schwester Mary

Schwester Mary von Bochum zur Emigration in die Niederlande

29.9.1933 -12.3.1935 in Amsterdam, zunächst Baerlestraat 136 bei Anna Frankenberg

27.9.1934 Umzug in die Lomanstraat 87 bei de Groot

12.3-15.3.1935 nach Bochum

15.3.1935- Oktober 1935 in Bielefeld

4.11.1935 nach Lüdenscheid, Textilgeschäft „D.Lebenberg“ von Irmgard und Oskar Cahn

1.4.1936 nach Augsburg; es ist wahrscheinlich, dass Mary Puschkanzer in das Beth Chaluz Augsburg zog; es befand sich bis 1937 in der Bernheimer-Villa in der Friedberger Straße 9; dann in der Armenhausgasse B 121 a (21); von Augsburg gingen viele Jugendliche auf das Hachschara Gut Bannacker in Augsburg-Bergheim, der Hechaluz betrieb dort in Haus drei eine landwirtschaftliche Ausbildung

Novemberpogrom in Augsburg

10.11.1938 28 über 18- Jährige Chaluzim verhaftet in Augsburg im Novemberpogrom, im Wohnheim für jüdische Auszubildende in der Armenhausgasse;

Anfang 1939 Auflösung des Beth Chaluz Augsburg

Emigration der Mutter Elly und Schwester Mary nach Litauen, vermutlich nach Kaunas zu Verwandten, Datum unbekannt

17.5.1939 Mutter Elly und Schwester Mary wurden bei der Minderheitenzählung nicht mehr erfasst

Der Aufbau des Werkdorp Nieuwe Sluis

März 1934 Rolf Puschkanzer mit weiteren Chawerim zum Aufbau des Lagers ins Joodse Werkdorp Wieringermeer, u.a. Helmut Jacoby aus Dortmund, Heinz Lipper aus Höxter

24.4.1934 Rolf Puschkanzer offiziell angemeldet zum Aufbau des Lagers ins Joodse Werkdorp Wieringermeer

Träger des „Jüdisches Werkdorf Nieuwe Sluis“ ist die „Stichting Joodse Arbeid“ (Stiftung Jüdische Arbeit); hier werden jüdische Jugendliche zu Landarbeitern umgeschult (Hachschara) als Vorbereitung auf die Ansiedlung in Palästina (Alija). Die Ausrichtung war neutral, nur etwa ein Drittel der Chawerim waren auch zionistische Chaluzim (zionistische Pioniere)

Im März 1934 kommt eine kleine Gruppe von Volontären als Aufbaugruppe in die verlassenen Baracken auf der Farm. Dreieinhalb Jahre lang dienten diese als Unterkunft für die Gruppe der Bauarbeiter. Ende 1934 stehen vier Baracken und eine Kantine dicht beieinander rund um das Haukes-Haus.

Oktober 1934 Aufnahme des regulären Ausbildungsbetriebs

Im Zentrum des Werkdorfs wird ein Gemeinschaftshaus errichtet, die Baracken werden in einem Halbkreis herumgebaut.

29.11.1935 Rolf Puschkanzer abgemeldet aus dem Werkdorp in die Tschechslowakei, vermutlich ausgewiesen wegen politischer Aktivitäten. In Prag saßen die Exil-Parteileitungen von SPD und KPD.

Emigrationsliste des Werkdorp 1934-1938; Puschkanzer mit Heinz Putzrath

Bürgerkrieg in Spanien Juli 1936 – April 1939

September 1936 der sowjetische Geheimdienstoffizier Walter Germanowitsch Kriwitzki eröffnet in Den Haag ein Büro zur Rekrutierung von Freiwilligen; hier wurden 700 Freiwillige rekrutiert. 5000 Deutsche in der XI. Interbrigade im Thälmann-Bataillon und Edgar-André-Bataillon, davon fielen 2000.

12.10.1936 Ankunft der ersten 650 Freiwilligen auf der SS CIUDAD DE BARCELONA in Alicante

Rolf Puschkanzer geht nach Spanien, Eintritt in die Internationalen Brigaden. Laut Erklärung seines Werkdorp-Kameraden Karl Heinz Putzrath soll er 1937/38 wegen einer abweichenden Haltung hingerichtet worden sein, im Hauptquartier des Militärrats der Internationalen Brigade in Albacete, dem zentralen Stützpunkt der Interbrigaden in einer ehemaligen Kaserne der Guardia Civil. Die Exekution fand vermutlich im Camp Lukacs statt, 16 Kilometer von Albacete. Der Historiker Hugh Thomas bezeichnet diese Lager als Schulungslager, in denen aber auch Abweichler und Deserteure liquidiert wurden.

Massenerschießung in Klooga

Mutter und Schwester Mary nach Lettland emigriert, vermutlich zuerst zu der Familie Puschkanzer in Kaunas

21.6.1943 Befehl des Reichsführers SS Heinrich Himmler, alle jüdischen Ghettos im Reichskommissariat Ostland, zu dem damals Estland, Lettland, Litauen und Teile Weißrusslands gehörten, aufzulösen und die Juden zu Arbeitseinsätzen heranzuziehen.

September 1943 Errichtung des Außenlager Klooga an der Nordküste Estlands als eines von 20 Außenlagern des KL Vaivara; hier arbeiteten um die 2000 zumeist jüdische Gefangene für die deutsche Marine.

September 1943 Verschleppung von Ghettoinsassen aus Kaunas und Vilnius; in Klooga wurden die beiden Frauen unter der Häftlingsnummer 02544, „Puschkanzer, Elli, Bochum“ und „Puschkanzer, Meri, Düsseldorf“ mit der Nummer 02545 registriert.

Elli Puschkanzer arbeitete in der Lagerschneiderei, ihre Tochter Mary als Bürokraft

17.9.1944 Befehl zur Auflösung der estnischen Lager bei Heranrücken der „Roten Armee“

19.9.1944 Auflösung des Außenlager Klooga; Massenerschießung von über 2000 Juden durech deutsche SS-Einheiten und das estnische Wachbataillon 287; die Opfer mussten sich auf Stapel aus Holzscheiten legen und wurden durch Genickschuss getötet. Die SS schaffte es nicht mehr, alle aufgeschichteten Leichen in Brand zu setzen. 108 Häftlingen konnten sich noch verstecken.
Vermutlich sind auch die Mutter Elly und Schwester Mary auf diese brutale Weise ermordet worden.

Gedenken

Grabstein für die Großeltern Watermann auf dem jüdischen Friedhof Wiemelhausen mit einer Gedenkplatte für die Tante Elfriede Watermann und Mann Georg Salomon

Quellen

Hans-Ulrich Dillmann, Schicksale der Jüdinnen und Juden aus Lüdenscheid, 2021

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de390063

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de286608

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/484379

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/484382

Henny E. Dominicus, Mauthausen, een gedenkboek, Amsterdam 1999

https://acrobat.adobe.com/id/urn:aaid:sc:EU:3788160f-e50b-425a-b9a8-a092142001f1

https://www.mappingthelives.org

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://www.stadtakademie.de/fileadmin/speciality_distribution/public/images/Stelenweg/Stele_5_Juden_am_Moltkemarkt.pdf

https://de.wikipedia.org/wiki/KZ-Au%C3%9Fenlager_Klooga

https://yvng.yadvashem.org/ad

Niederlande, Bevölkerungsregister, 1810-1936; Bron: boek, Deel: 146, Periode: 1912-1938

www.werkdorpwieringermeer.nl/

https://www.oorlogsbronnen.nl/mensen?personterm=Ontruiming%20Joods%20Werkdorp%20Wieringermeer

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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