Eichenwald Ruth

Ruth Eichenwald

*6.1.1929 in Recklinghausen; ✡ 11.3.1989 in Los Angeles

Vater Walter Moritz Eichenwald *18.5.1895 in Herbede; Westerbork;  ✡14.9.1943 Auschwitz

Mutter Elli Moses *15.11.1901 in Rosbach, Waldbröl; ✡ 26.10.1992 in Valley Village, Kalifornien, USA

Adressen Recklinghausen, Suderwich, Sachsenstr.13, Kellerstr.1 und später 21; Elper Weg 92

Beruf Friseurlehrling

Heirat 1952 in Manhattan Leon Evelove *4.6.1929; Ingenieur; ✡13.4.2008 in Las Vegas

Kind

Glenn William Evelove *4.3.1956; oo Jones

Enkeltochter Shannon Evelove *20.11.1983

Weiterer Lebensweg

11.2. – 10.8.1928 Suderwich, Sachsenstraße 13
10.8.1928 Umzug zur Bladenhorsterstraße 16

21.3.1932 Umzug zur Castroperstraße 39

11.11.1933-9.7.1937 Umzug zur Kellerstraße 21

Ruth und Ilse Markus in der Mitte, links Gerda Schuster, rechts R. Eichenwald (Foto: Archiv Georg Möllers)
v.l. Gerda Schuster, Ruth und Ilse Markus, Ruth Eichenwald und Hetti Jacobs 1939, Archiv Möllers

1938 -1941 Besuch der jüdischen Schule in Recklinghausen

1.12.38 Emigration des Vaters nach Groningen, Niederlande; Ruth mit der Mutter daraufhin zur Kellerstraße 1 ( späteres Ghettohaus)

Mai 1939 in Recklinghausen mit Mutter, ohne Vater erfasst bei Minderheitenzählung

Ruth Eichenwald im Zentrum hinten, rechts der Leiter, etwas verdeckt
links Ruth Markus, neben Erich Jakobs
dahinter halb verdeckt Gerda Schuster; ganz rechts Alexander Lebenstein

1.7.1941 jüdische Volksschule von der Stadt Recklinghausen  aufgelöst (nur noch 7 Schüler)

28.8.1941 zurück zur Kellerstraße 21 bis zum 15.9.1941

24.1.1942 Deportation mit LKW´s nach Gelsenkirchen zur Ausstellungshalle am Wildenbruchplatz zusammen mit der Mutter und Onkel Jakob Eichenwald aus Bochum

27.1.1942 Deportation von Gelsenkirchen über Dortmund nach Riga, Ghetto

1.2.1942 Ankunft Riga-Skirotawa; Fußmarsch ins Ghetto

Mutter Elly schreibt in einem Brief 1946, Auszüge daraus im weiteren kursiv:

„Im Ghetto ging Ruth erst noch zur Schule, dabei [war sie] schwach von Unterernährung, dass sie kaum noch die Treppen steigen konnte.“

„Ruth ging später auch zur Arbeit [ab 1943] u. bekam draußen ebenfalls Suppe u. von arischen Letten [manch]mal heimlich ein Stückchen Brot zugesteckt. Wir hielten uns dadurch so eben aufrecht. Anfang März war schon die erste Aktion. Wir mussten alle antreten, u. der Kommandant suchte Leute aus. Damals wusste man noch nicht, dass es in den Tod ging; es hieß, man käme in ein Fischerdorf nach Dünamünde. Bei diesem Transport waren auch sehr viele Recklinghauser, meist ältere Menschen wurden ausgesucht, kamen alle in den Hochwald u. wurden dort erschossen.

Juli-2. November 1943 schrittweise Auflösung des Ghettos; Einrichtung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald und verschiedener Betriebslager mit lokaler Kasernierung;

16.7.1943 Ruth Eichenwald auf der Liste der Frauen, die nach Auflösung ihres bisherigen Kommandos zur Neueinteilung auf dem „Blechplatz“ zum Appell antreten müssen, zusammen mit weiteren Frauen aus Recklinghausen wie die Schwestern Else und Minna Aron-Heimberg, Herta Salomons.

August 1943 Einrichtung der Außenkasernierung AEG-Lager Riga (Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft) an der Vizdemer Chaussee, Riga Strasdenhof. Die AEG-Betriebsleitung forderte ständig mehr Frauen aus dem KL Kaisewald an, so dass schließlich etwa 1000 Frauen unter der Aufsicht von aus dem KL Kaisewald abkommandierten SS-Frauen (Emma; Marija, Kowa) Zwangsarbeit bei der Produktion von Kabeln und Glühbirnen leisteten, im Lagerjargon deshalb auch „Frauenkloster“ genannt. Die junge Mädchen arbeiteten in einer eigenen Gruppe unter Leitung der österreichischen Jüdin Naftali. Die Blockälteste Hilda, eine Jüdin aus Libau, war nicht besonders beliebt.

6.11. 1943 Aufnahme von Ruth mit der Mutter im KL Kaiserwald, Riga, Kommandant Obersturmbannführer Sauer

Oktober 1943 aus dem KL Kaiserwald in die Außenkasernierung AEG-Lager Riga (Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft) zusammen mit Mutter Elli:

„Im K.Z. begannen wieder neue Qualen für uns: Schwere Arbeit, hungern, Appell stehen, u.s.w.. 800 Frauen wurden vom K.Z. angefordert in eine Fabrik [der] A.E.G. Ich hatte Glück u. konnte Ruth mitnehmen. Wir kamen in Steinbaracken, standen unter Aufsicht des K.Z. u. hatten S.S. Frauen bei uns. Dass dieselben teils sehr schlimm waren, haben Sie sicher schon gehört. Aber es war wenigstens im Winter in der Fabrik warm.“

Sommer 1944 Auflösung des KL Kaiserwald, Riga und seiner Außenlager; Selektionen:

„Eine Aktion nach der anderen begann. Die Leute zum Vergasen wurden ausgesucht, u. wir standen dabei, wie die Frauen u. Mädels aus den Reihen herausgesucht wurden. Wir beide, Ruth u. ich, haben bei den Kabeln gearbeitet. Das war die wichtigste Arbeit, u. diese Leute gebrauchte man noch.“

Juli – September 1944 Transporte der Arbeitsfähigen aus Riga per Schiff nach Stutthof

6. – 8.8.1944 1. Großer Transport mit 6382 Juden auf der „Bremerhaven“ von Riga nach Danzig

August 1944 die AEG Fabrik wird wegen der herannahenden Roten Armee nach Thorn verlegt. Kommandant Obersturmbannführer Sauer kommt in die Außenkasernierung AEG, um das Scheren der Haare der weiblichen Häftlinge persönlich durchzusetzen.

Zunächst werden 500 weibliche Häftling in Güterwaggons dorthin deportiert.

Die verbleibenden AEG-Frauen werden am 25.9.1944 zum Hafen von Riga gebracht

28.9.-1.10.1944 3155 Häftlinge aus Riga Kaiserwald, 300 von der Lenta auf dem Frachtschiff „Kanonier“ von Riga->Danzig; auf Kohleschiffen weiter nach Stutthof

„Plötzlich eines Tages wurden wir und alle anderen Juden, die noch in Riga waren, abtransportiert u. verschleppt nach Stutthof bei Danzig. Vorher hatten wir alle die Haare geschoren bekommen, Sträflingskleider sowie Holzschuhe bekamen wir alle schon viel früher. Was sich auf dem Transport abgespielt hat, ist nicht wiederzugeben, so schrecklich!


1.10.1944 Ankunft von Ruth mit der Mutter im KL Stutthof

„In Stutthof wurden wir von S.S. Frauen u. [S.S.] Männern, die scharenweise ankamen, empfangen. Der
Marsch bis ins K.Z. dauerte fast 1 Stunde.“

Dann kam das Allerschlimmste. Dort wurde nicht gearbeitet, wir wurden nur gequält. Es war einfach die
Hölle! Wir waren alle so verlaust. Eines Tages wurde unsere Abteilung, die wir in Riga Kabel ausbesserten, aufgerufen. Wir waren G. s. D.
dabei und wurden nach Thorn geschickt. Aber das Fortkommen war nicht so leicht; wir mussten alle vorm Arzt [vorbei ziehen], u. ich war nur noch ein Skelett, u. auf ein Haar noch wäre ich festgehalten worden. Wieder wie ein Wunder kam ich heraus.

Ruth zusammen mit der Mutter ins AEG-Lager Thorn-Wickau; Lagerkommandant war SS-Mann Blatterspiegel aus dem KL Kaiserwald, zuvor Außenlager Spilve

„In Thorn haben [die] lb. Ruth u. ich wieder zusammengearbeitet, Tag- u. Nachtschicht. Wir wurden auch
gequält u. mussten enorm arbeiten. Plötzlich eines Tages ging es wieder weiter. Die Russen kamen näher, u.
man schleppte uns 80 km zu Fuß. Tag und Nacht sind wir marschiert, fast keine Verpflegung bei uns.
Am 21. Januar 45 begann der Marsch. Oh, so furchtbar, ich bin ganz alle, wenn ich daran denke. Viele von uns blieben liegen, ich bin auch dauernd hingefallen. Dabei weinte Ruth auch noch u. konnte plötzlich nicht mehr. Aber wir haben es dennoch geschafft! –
Die S.S.
(Blatterspiegel und seine SS-Wachen) ergriff zuletzt die Flucht. Wir sollten noch alle erschossen werden, aber dazu war keine Zeit mehr. –
20 Kilometer hinter Bromberg wurden wir von Russen befreit!

1946 -1949 Recklinghausen Elper Weg 92 einquartiert in der Wohnung eines inhaftierten Nazi

Wir wohnen jetzt Elperweg 92 – haben eine möblierte Wohnung eines Nazis bekommen, der im Camp war
u. jetzt wieder zurückgekommen ist, u. will er seine Wohnung wieder haben. Er wird aber, solange wir noch
hier sind, kein Glück damit haben, denn unsere Sachen sind uns ja alle von der Gestapo gestohlen worden u.
haben wir nichts mehr.

Ruth macht eine Lehre als Friseurin

Die lb. Ruth ist schon 17 Jahre u. sehr groß geworden. Sie lernt Friseuse u. ist schon 1 Jahr in der Lehre. Der Beruf macht ihr Freude, u. sie hat großes Talent hierzu.

Irma Salomons (r.) und Ruth Eichenwald (l.) bei der Einweihung des Mahnmals auf dem Jüdischen Friedhof am Nordcharweg 1948 (Foto: Archiv Georg Möllers)

Sommer 1949 im DP Center Wentorf bei Hamburg, dann DP Camp Grohn, Standort der US-Army in Bremen

Truppentransporter der US Navy USS General Blatchford

5.8.1949 Bremerhaven – New York mit Mutter Elli unterstützt durch HIAS

1952 Heirat in Manhattan, New York

4.3.1956 Geburt des Sohnes Glenn William Evelove

20.11.1983 Geburt der Enkelin Shannon Evelove

11.3.1989 Tod in Los Angeles

Quellen

Brief der Elly Eichenwald an Familie Erich Jacobs, 1946; der Historikerin Gertrud Althoff zur Verfügung gestellt von Tochter Friedel Jacobs

Max Kaufmann, Churbn Lettland, München 1947

https://www.yumpu.com/en/document/read/20265283/small-riga-ghetto

Gedenkbuch Opfer und Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945

https://www.recklinghausen.de/Inhalte/Startseite/Ruhrfestspiele_Kultur/Gedenkbuch/_Opferbuch_selfdb.asp?form=detail&db=545&id=88

Heinz Reuter, Die Juden im Vest Recklinghausen, Vestische Zeitschrift Bd. 77/78, 1978/1979

Jüdische Holocaust-Gedenkstätten und jüdische Einwohner Deutschlands 1939-1945

Jüdische Einwohner Recklinghausens, Sta Re III 6520

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Georg Möllers, Jürgen Pohl, Abgemeldet nach „unbekannt“ 1942, 2013

Bundesarchiv Koblenz. Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933 –1945. Stand: 20.5.2020 (www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/)

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/1533387/

https://collections.arolsen-archives.org/en/archive/4575534/?p=1&s=Eichenwald&doc_id=4575535

U.S. Sterbe-Verzeichnis der Sozialversicherung (SSDI)

New York City Eheschließungen, 1950-2017; 1952, Lizenz 2081

Todesfälle in Kalifornien, 1940 – 1997

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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