Betty Steinbock
* 20.3.1920 in Dessau
Staatsangehörigkeit staatenlos
Religion jüdisch
Vater Moses Hirsch Hermann Steinbock *16.12.1885 in Lubranice
Mutter Minna Lewkowitz *6.9.1889 in Leopoldshall
Geschwister
Betty, Charlotte, Minna und Martin Steinbock
Martin Michael Steinbock *22.12.1914 in Dessau; in Seattle, USA
Charlotte Steinbock *18.10.1926 in Dessau
Beruf „Typist“
Adressen Dessau, Rabestraße 8, Luisenstraße 1
Heirat –
Kinder –
Weiterer Lebensweg
Besuch der Volkschule und Lyceum. Betti Steinbock erinnert sich:
„In der Schule machte man uns jüdischen Kindern Schwierigkeiten. Mein Bruder wollte in der Oberrealschule Abitur machen, doch man liess ihn durchfallen. 1934 wanderte er nach dem damaligen Palästina aus. Meine Lehrer gaben mir automatisch, ohne meine Schulaufgaben zu
sehen, „ein Vierchen“ (Englischlehrer Studienrat Dr. Giese). Studienrat Dr. Müller hielt mein Heft mit spitzen Fingern, mit der Begründung, dass er sich ekelt, diesen Dreck in die Hand zu nehmen. Vor Ende des Schuljahres 1934 sagte man mir, dass ich das Lyzeum zu verlassen habe. Auch mein Klavierlehrer kam nicht mehr, denn er (war) inzwischen Parteigenosse geworden.“
Betty Steinbock letzte Reihe, 2.v.l.
10.11.1938 Vater in Dessau verhaftet im Novemberpogrom, „Schutzhaft“ in Buchenwald; Häftlingsnummer 21199
17.12.1938 Vater „als gebrochener Greis aus dem KZ-Buchenwald entlassen“
Frühjahr 1939 aus Dessau ins Vorbereitungslager Polenzwerder bei Eberswalde
17.5.1939 in Dessau bei den Eltern und Schwester Charlotte bei Minderheiten-Volkszählung
Anfang August 1940 von Polenzwerder nach Berlin
16.8.1940 mit dem Zug aus Berlin führen 350 Jugendliche und 150 Eltern, die bereits Kinder in Palästina hatten, nach Wien mit dem Ziel über die Schwarzmeerroute nach Haifa zu kommen
30.8.1940 mit einer Gruppe von 29 Chawerim aus Paderborn offiziell abgemeldet nach „Paraguay“
Zwei Wochen in Wien, in einer jüdischen Schule oder Lehrlingsheim
3. 9.1940 mit dem Zug von Wien nach Pressburg/ Bratislava an die Donau;
10.9.1940 zum Donauhafen von Bratislava; dort Verteilung der Chalutzim auf die drei Ausflugsdampfer URANUS, MELK und SCHÖNBRUNN
10.-20.9.1940 von Bratislava nach Tulcea am Schwarzen Meer;
Anfang Oktober 1940 werden 1000 Flüchtlinge auf die drei Schiffe SS PACIFIC, SS MILOS und SS ATLANTIC verteilt, Deutsche auf die PACIFIC, Tschechen auf die MILOS.
Zwischenstopp auf Kreta, um Kohle aufzunehmen
31.10.1940 von britischer Marine aufgebracht und in den Hafen von Haifa geleitet
1.11.1940 Ankunft der SS PACIFIC in Haifa. Die Passagiere der SS PACIFIC werden auf die SS PATRIA umgeschifft, dem von den Briten beschlagnahmten, als Truppentransporter umgebauten, großen französischen Frachtschiff (18 000 t)
5.11.1940 Ankunft der tschechischen Emigranten auf der SS MILOS, die ebenfalls auf die PATRIA verbracht werden
8.11.1940 Registrierung im Camp Atlith; gibt als Referenz an Bruder Martin Steinbock in Bat Shlomo
zunächst auch zur Deportation nach Mauritius vorgesehen
25.11.1940 Sprengstoff-Anschlag der Haganah im Maschinenraum der SS PATRIA
Walter Steinitz, ebenfalls aus dem Umschulungslager Paderborn kommend, berichtet:
“ Am 25.November morgens um neun Uhr mussten alle auf die Reling, denn der Colonel hatte die Instruktion gegeben, aber um 9.12 Uhr hatte ein Kommando von 60-80 jungen Leuten ins Wasser zu springen, um die Engländer abzulenken, die mit kleinen Booten die Menschen auffischten. Zeitentsprechend zündete einer von uns eine Bombe, keine Zeitbombe, und ist mitgetötet worden. Es war der zweite Transportleiter – Hans Wendel. Niemand hatte von dieser Aktion gewußt – außer acht Leuten. Innerhalb von ein paar Minuten neigte sich das Schiff zur Seite. … Von den 4000 auf der SS PATRIA zusammengedrängten Menschen verloren etwa 260 ihr Leben.“
Die ins Wasser gesprungenen und die an Bord Überlebenden werden als Schiffbrüchige der SS Patria von den Briten an Land gebracht.
25.11.1940 Internierung in einer Lagerhalle im Hafen von Haifa; die von Bord gesprungenen werden in die Arrestzellen der Polizeiwache von Haifa; Serie von Verhören, insbesondere wenn sie von den Briten der Zugehörigkeit zur Haganah verdächtigt wurden.
26.11. und 8.12.1940 die Überlebenden der SS PATRIA werden mit Bussen in das Internierungscamp Atlith verbracht;
Dezember 1940 noch auf die Umladung wartenden 1581 Emigranten auf der MILOS und ATLANTIC werden als „Detainees“ mit holländischen Frachtschiffen nach Mauritius deportiert. Dort trafen sie am 26.12.1940 ein und wurden in das das Zentralgefängnis von Mauritius nahe Beau Bassin verbracht.
1940 zunächst nur Freilassung kleiner Gruppen aus dem Camp Atlith, die eine Aufnahmeadresse in Palästina vorweisen können
September -Dezember 1941 Entlassung der meisten Internierten aus dem Camp Atlith
12.8.1945 Es sollte noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dauern, bevor die 1.310 überlebenden Flüchtlinge aus Mauritius auf der SS FRANCONIA in das ersehnte Eretz Israel gebracht werden konnten.
Weiteres Schicksal der Familie
14.4.1942 Beide Eltern und Schwester Charlotte mit dem Magdeburger Teiltransport ( Berlin/Potsdam) nach Warschau
Gedenken
10.10.1955 Pages of Testimony für die Eltern und Schwester Charlotte von Betty Steinbock
28.4.1957 Pages of Testimony für die Eltern und Schwester Charlotte von Bruder Michael Steinbock
2008 Stolpersteine für die Eltern und Schwester Charlotte in der Rabestraße 5
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Moses-Mendelsohn-Gesellschaft Dessau (Hrsg.), Verfolgt … Vertrieben … Erinnerungen ehemaliger jüdischer Bürger aus Dessau
https://collections.arolsen-archives.org/en/search/person/7185949?s=Steinbock%20Hersch&t=1799866&p=0
https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=9969343
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de974492
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de974502
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de974505
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Manfred de Vries, Mauritius – Insel des Lebens, BtJ-Magazin, April 2019
https://www.ushmm.org/online/hsv/person_advance_search.php?SourceId=19584
https://www.ushmm.org/online/hsv/source_view.php?SourceId=19561
www.raoulwallenberg.net/general/ruth-kl-uuml-ger-mossad-le/