Horst Harry Ardel
*14.10.1915 in Leipzig; ✡ 26.5.1941 in Atteln
Staatsangehörigkeit Österreich; ab 1938 reichsdeutsch
Religion jüdisch
Vater Heinrich Isidor Ardel *18.6.1891 in Leipzig; Kürschner; ✡14.2.1956 in Leipzig
Heirat der Eltern 4.12.1914
Mutter Lina Elsa Geiler *30.12.1886 in Leipzig; ✡1955
Onkel Paul Berthold Ardel *30.5.1885 in Breslau; ✡ in USA
Tante Marie Eichner *11.6.1891 in Leipzig; ✡ Juli 1972 Bronx, NY
Geschwister
Ursula Edith Ardel*8.3.1918 in Leipzig; oo Julius Berghausen; ✡ März 1943 in Auschwitz
Gerd Ardel *16.11.1923 in Leipzig; ✡1965 in Deutschland
Cousine Fanni Inge Ardel *18.8.1922 in Leipzig
Beruf Kaufmann
Adressen Leipzig Luppenstraße 28 (Capa-Haus), Täubchengasse 9 I
Heirat (vor Mai 1939) Susanna Rappaport *4.12.1921 in Leipzig; ✡26.8.1943 in Auschwitz
Kinder
Weiterer Lebensweg
10.11.1938 Verhaftet im Novemberpogrom,
„Schutzhaft“ in Buchenwald; Häftlingsnummer 24473
6.12.1938 Vater entlassen aus Buchenwald
17.5.1939 mit Ehefrau Susanna in Leipzig bei Minderheiten-Volkszählung
17.5.1939 Bruder Gerd Ardel mit den Eltern in Leipzig bei Minderheiten-Volkszählung
17.5.1939 Fanni, Paul und Marie Ardel in Leipzig bei Minderheiten-Volkszählung
23.6.1939 Vertrag zwischen der RVJD und der Stadt Paderborn zur Errichtung des Umschulungs- und Einsatzlagers Paderborn, Grüner Weg 86;
1939 ins Hachschara Gut Winkel, Spreenhagen mit Ehefrau Susanna
26.6.1940 vom Hachschara-Gut Winkel Spreenhagen angemeldet im Lager Paderborn
13.7.1940 Ehefrau Susanna aus Gut Winkel Spreenhagen angemeldet im Lager Paderborn
22.7.-3.8.1940 Fanni, Paul und Marie Ardel auf der MS HIKAWA MARU von Yokohama nach Seattle
3.1.1941 eine Baracke brennt durch einen überhitzten Kanonenofen ab. Kurt Steinitz frieren die Kleidungsstücke steif bei den Löschversuchen.
1941-2.3.1943 Schwester Ursula und Schwager Julius Berghausen im RVJD-Lager Bielefeld
Mai 1941 Wegen des geplanten Neuaufbaus der abgebrannten Baracke entleiht Lagerleiter Wachsmann eine Gruppe Arbeiter an die Zimmerei in Atteln. Harry Ardelt kommt dort bei einem Arbeitsunfall ums Leben, wird beim Baumfällen vom Baum erschlagen. Der fehlende Unfallversicherungsschutz führt zu heftigen Auseinandersetzungen. Hans Wachsmann werden dabei Falschaussagen nachgewiesen; die Untersuchungen führen zu Wachsmanns Ablösung als Lagerleiter in Paderborn; er geht ins Lager Bielefeld.
Anneliese Ora Borinski hört davon im Landwerk Ahrensdorf über Eka, Frau von Alfred Selbiger, Leiter der Hechaluz-Zentrale in Berlin
10.8.1942 seine Witwe Susanna heiratet den Paderborn Chawer Walter Glogowski
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Paderborn“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.
27.2.1943 die Pforte des Lagers Paderborn wird von Polizisten bewacht, um Fluchten zu verhindern
1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Paderborn; Harrys Witwe Susanna Glogowski mit Ehemann mit der Bahn nach Bielefeld; mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz
Erwin Angress berichtet:
„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“
2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager
3.3.1943 Ankunft und Selektion in Auschwitz; Ernst Michel berichtet:
„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“
Walter Glogowski eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, Häftlingsnummer 104928
Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943
„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“
1954 -1956 Vater Heinrich Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzig
Ab 1955 Bruder Gerd im Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzig
Gedenken
25.7.2003 Page of Testimony für Harry und Schwester Edith von Cousine Hillel Schechter
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Anneliese-Ora Borinski, Erinnerungen 1940-1943, Maayan Zwi, 1970
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de840313
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1056621
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT430302-Paderborn2.jpg
https://collections.arolsen-archives.org/en/search/topic/2-1-4-2_10010181?s=10010181
https://www.lindenauerstadtteilverein.de/heimatkunde/jdisches-leben-in-lindenau.htm
https://collections.arolsen-archives.org/en/search/person/129819846?s=Heinrich%20Ardel&t=532517&p=0
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998
www.80jahrepogrom.jgpb.de/erwin-angress/