Steinitz Kurt

Kurt Steinitz

*14.1.1907 in Hindenburg; ✡April 2008 in Paderborn

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Alexander Steinitz

Mutter Alma Bändel Steinitz *14.11.1877 in Ruda Zabrze; ✡in Brasilien

Geschwister

Walter Steinitz *5.10.1910 in Hindenburg; ✡ 27.2.2012 in Israel

Vier ältere Geschwister:

Irma Steinitz überlebt in Brasilien, später Israel

Hanne Steinitz überlebt in Israel

Marie Steinitz oo Leo; ✡ in der Shoa

Josef Steinitz *7.8.1901 in Hindenburg; ✡ nach 16.5.1942 in Auschwitz mit seiner Familie; oo Ruth Fröhlich *2.7.1906; Tochter Eva *1.11.1937

Beruf

Adressen Hindenburg; Paderborn, Grüner Weg 86

Heirat 1942 in Paderborn Sophie Schlaume *21.11.1914 in Krojanke; ✡ 1943 in Auschwitz

2. Ehe mit Eva Brückstein

Kinder

Weiterer Lebensweg

15.7.1937 Ablauf des deutsch-polnischen Minderheitenschutzabkommens für Schlesien

vor 1938 Ausbildung in der Landwirtschaft bei einem jüdischen Gutsbesitzer in der Tschechoslowakei bei Preßburg (Bratislava) als Vorbereitung zur Alija nach Palästina

28.9.1938 Münchener Abkommen

1938 Ausweisung aller Deutschen aus der Tschechoslowakei, Rückkehr nach Hindenburg

bis Ende1938 im elterlichen Betrieb in Hindenburg, bis dieser enteignet wurde

10.11.1938 Bruder Josef Steinitz verhaftet in Gleiwitz im Novemberpogrom

12.11.1938 Bruder Josef „Schutzhaft“ in Buchenwald; Häftlingsnummer 27200

4.12.1939 Josef Steinitz entlassen aus Buchenwald

17.5.1939 mit der Mutter und Bruder Walter in Hindenburg bei Minderheiten-Volkszählung

Ende Juni 1939 mit der Aufbaugruppe des Hechaluz nach Paderborn geschickt

4.7.1939 Bruder Walter angemeldet im Umschulungs- und Einsatzlager Paderborn, Grüner Weg 86

Walter arbeitet zunächst beim Aufbau, dann aber nur im „Innendienst“ des Lagers

Kurt zunächst in den Hachscharalagern Neuendorf und im Sammellager des Hechaluz in Fürstenwalde, von wo die Chaluzim zur Landarbeit bei umliegenden Bauern geschickt wurden

12.11.1939 Kurt Steinitz auf Anforderung seines Bruders Walter aus dem Einsatzlager Obersdorf nach Paderborn

27.2.1940 Sophie Schlaume aus dem Landwerk Neuendorf nach Paderborn, dort arbeitet sie als Köchin im Lager

Jan. 1940 Mutter Alma emigriert als Witwe nach Brasilien zur Tochter Irma

10.8.1940 24 Personen aus dem Umschulungslager, darunter sein Bruder Walter Steinitz abgemeldet aus Paderborn, Alija Bet nach Haifa uber die Schwarzmeerroute

Kurt Löwenstein berichtet:

„Paderborn war ein Arbeitslager. Als der Bruder dort alles fertiggemacht hatte, ist er mit etwa 20 Mann (!) aus dem Paderborner Lager mit der ‚Pacific‘ auf einen illegalen Transport nach Israel gegangen. Ich wäre mit Walter gegangen, aber ich war zu dieser Zeit in Breslau im jüdischen Krankenhaus, weil ich einen Leistenbruch hatte. Als ich zurückkam, war der Transport weg.“

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager Paderborn“

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Paderborn“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.

27.2.1943 die Pforte des Lagers Paderborn wird von Polizisten bewacht, um Fluchten zu verhindern

1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Paderborn; mit der Bahn nach Bielefeld, dann mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz

Erwin Angress berichtet:

„Die Jüdischen Lagerinsassen – insgesamt 99 – wurden in Extrawagen nach Bielefeld transportiert, die an den fahrplanmäßigen Zug ab Paderborn am 1.3.43 um 8.24 Uhr angehängt wurden. In Bielefeld gab es im Saal des Vereinslokals ,Eintracht‘ ein Sammellager für Juden aus dem ganzen Bezirk. Bereits in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. März 1943 wurden alle Juden zum Bielelelder Güterbahnhof gebracht und in Waggons gepfercht. Mit diesem Zug rollten wir dann nach Auschwitz… Nur 9 Personen haben überlebt.“

2.3.1943 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager

3.3.1943 Ankunft und Selektion in Auschwitz; Ernst Michel berichtet:

„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“

Kurt Steinitz eingewiesen in Auschwitz III zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, Häftlingsnummer 105041

Kalendarium von Auschwitz vom 3.3.1943

„Reichssicherheitshauptamt Transport, Juden aus Berlin. Nach der Selektion lieferte man 535 Männer als Häftlinge ins Lager ein, sie bekamen die Nr. 104 890 – 105 424; 145 Frauen bekamen die Nr. 36 9035 – 37 079. Die übrigen wurden vergast.“

18.1.1945 „Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge auf dem Todesmarsch über 80 km von Auschwitz über Loslau nach Gleiwitz; Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“

Außenlager des KZ Buchenwald KL Mittelbau Dora bei Nordhausen, V2-Produktion

März 1945 Fahrt in offenen Waggons; Todesmarsch nach Bergen-Belsen

April 1945 Befreiung in Bergen-Belsen durch die Royal Army; nach der Entlassung Rückkehr zusammen mit Erwin Angress nach Paderborn

1948 Emigration nach Israel;

1957 Rückkehr nach Paderborn, seine zweite Frau Eva vertrug das Klima in Israel nicht

19.-28.5.1989 Treffen der überlebenden Paderborn Chawerim mit Bruder Walter auf Einladung der Stadt Paderborn
Kurt Steinitz war mehr als 50 Jahre Mitglied in der Jüdischen Gemeinde Paderborn, darunter viele Jahre Mitglied des Gemeindevorstandes und später der Ehrenvorsitzende der Gemeinde.

Gedenken

5.4.1990 Page of Testimony für Sophie Steinitz von Paderborn Chawer Alfred Ohnhaus

Quellen

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Kurt Steinitz Video interview 1998

https://collections.ushmm.org/search/catalog/vha40593

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de975010

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de975001

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de975033

Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7

Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013

Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998

www.80jahrepogrom.jgpb.de/erwin-angress/

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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