Alice Nossen
*1.9.1919 in Berlin; ✡
Staatsangehörigkeit deutsch ?
Religion jüdisch
Vater Eugen Nossen *6.10.1890 in Posen
Mutter Bertha Anschel *16.10.1890 in Rogozno; ✡in Auschwitz
Tante Marie Cohn geb. Nossen *1895; ✡ in Auschwitz
Geschwister
Willy Nossen *15.12.1917 in Posen
Herbert Nossen *5.9.1924 in Berlin; ✡Juni 2014; oo Rina
Beruf –
Adressen Berlin, Landsberger Straße 120
Heirat
1.Ehe 26.10.1943 in Kairo mit Hans Cohn *7.1.1919 in Hamburg
2. Ehe mit Livneh
Kinder
Michael Kohn *
Raaya Kohn *
Weiterer Lebensweg
Eltern geschieden vor 1939
Juni 1938 Bruder Willy verhaftet in der Aktion Arbeitsscheu Reich in Buchenwald; Häftlingsnummer 6143; später nach Auschwitz ; Sachsenhausen, Dachau Kaufering
17.5.1939 mit Mutter und Brüdern in Berlin-Friedrichshain bei Minderheiten-Volkszählung
13.8.1940 abgemeldet aus Schniebinchen, offiziell abgemeldet nach „Paraguay“; zunächst Zugfahrt nach Breslau
13.8.1940 zusammen mit dem zukünftigen Ehemann Hans Kohn und weiteren Chawerim aus Schniebinchen mit dem Zug aus Breslau nach Wien mit dem Ziel über die Schwarzmeerroute nach Haifa zu kommen; Reiseleiter war Efraim Frank
Zwei bis drei Wochen in Wien, in einer jüdischen Schule oder Lehrlingsheim
3. 9.1940 mit dem Zug von Wien nach Pressburg/ Bratislava an die Donau;
10.9.1940 zum Donauhafen von Bratislava; dort Verteilung der Chalutzim auf die drei Ausflugsdampfer URANUS, MELK und SCHÖNBRUNN
10.-20.9.1940 von Bratislava nach Tulcea am Schwarzen Meer;
Anfang Oktober 1940 werden 1000 Flüchtlinge auf die drei Schiffe SS PACIFIC, SS MILOS und SS ATLANTIC verteilt, Deutsche auf die PACIFIC, Tschechen auf die MILOS.
Zwischenstopp auf Kreta, um Kohle aufzunehmen
31.10.1940 von britischer Marine aufgebracht und in den Hafen von Haifa geleitet
1.11.1940 Ankunft von Alice auf der SS PACIFIC in Haifa
4.11.1940 Die Passagiere der SS PACIFIC werden auf die SS PATRIA umgeschifft, dem von den Briten beschlagnahmten, als Truppentransporter umgebauten, großen französischen Frachtschiff (18 000 t)
5.11.1940 Ankunft der tschechischen Emigranten auf der SS MILOS, die ebenfalls auf die PATRIA verbracht werden
7.11.1940 Registrierung im Camp Atlith; gibt als Referenz an First Reference: Onkel Arnold Anschel, Tel Aviv 29 oder 48 Raschi Street
zunächst auch zur Deportation nach Mauritius vorgesehen
23. oder 24.11.1940 Ankunft der SS ATLANTIC in Haifa
25.11.1940 Sprengstoff-Anschlag der Haganah im Maschinenraum der SS PATRIA, zu diesem Zeitpunkt waren bereits 1771 jüdische illegale Einwanderer auf das Schiff gebracht.
Walter Steinitz, ebenfalls aus dem Umschulungslager Paderborn kommend, berichtet:
“ Am 25.November morgens um neun Uhr mussten alle auf die Reling, denn der Colonel hatte die Instruktion gegeben, aber um 9.12 Uhr hatte ein Kommando von 60-80 jungen Leuten ins Wasser zu springen, um die Engländer abzulenken, die mit kleinen Booten die Menschen auffischten. Zeitentsprechend zündete einer von uns eine Bombe, keine Zeitbombe, und ist mitgetötet worden. Es war der zweite Transportleiter – Hans Wendel. Niemand hatte von dieser Aktion gewußt – außer acht Leuten. Innerhalb von ein paar Minuten neigte sich das Schiff zur Seite. … Von den 4000 auf der SS PATRIA zusammengedrängten Menschen verloren etwa 260 ihr Leben.“ (ca 200 von 1771)
Die ins Wasser gesprungenen und die an Bord Überlebenden werden als Schiffbrüchige der SS Patria von den Briten an Land gebracht.
25.11.1940 Internierung in einer Lagerhalle im Hafen von Haifa; die von Bord gesprungenen werden in die Arrestzellen der Polizeiwache von Haifa; Serie von Verhören, insbesondere wenn sie von den Briten der Zugehörigkeit zur Haganah verdächtigt wurden.
26.11. und 8.12.1940 die Überlebenden der SS PATRIA werden mit Bussen in das Internierungscamp Atlith verbracht;
Dezember 1940 noch auf die Umladung wartenden 1581 Emigranten auf der MILOS und ATLANTIC werden als „Detainees“ mit holländischen Frachtschiffen nach Mauritius deportiert. Dort trafen sie am 26.12.1940 ein und wurden in das das Zentralgefängnis von Mauritius nahe Beau Bassin verbracht.
1940 zunächst nur Freilassung kleiner Gruppen aus dem Camp Atlith, die eine Aufnahmeadresse in Palästina vorweisen können
September -Dezember 1941 Entlassung der meisten Internierten aus dem Camp Atlith
12.8.1945 Es sollte noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dauern, bevor die 1.310 überlebenden Flüchtlinge aus Mauritius auf der SS FRANCONIA in das ersehnte Eretz Israel gebracht werden konnten.
Weiteres Schicksal der Familie
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager, auch Schniebinchen.
Aufhebung des Pachtvertrags mit der RVJD
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz deportiert, um den Arbeitskräftebedarf im Nebenlager Buna zu decken.
27.2.1943 Bruder Herbert in Berlin, Zwangsarbeiter in der Berliner Rüstungsindustrie, in der „Fabrikaktion“ verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Dort unmittelbar ins Nebenlager Buna Monowitz verlegt. Er bekommt die Häftlingsnummer 105360.
Bruder Willi kann in die Illegalität abtauchen, wird aber im Mai 1944 verhaftet
26.10.1943 Heirat in Kairo mit Hans Cohn; während der militärischen Ausbildung in der Jewish Brigade, 8. Armee der britischen Royal Army
3.5.1944 Bruder Willi von Berlin mit dem 52. Osttransport nach Auschwitz deportiert
13.8.1944 Herbert Nossen von Dachau ins Außenlager Mühldorf am Inn
17.11.1944 Bruder Willi von Sachsenhausen nach Dachau deportiert
Mai 1945 Befreiung von Willi in Kaufering und Herbert in Mühldorf durch Truppen der US-Army
Wiedersehen der Brüder im DP Camp Feldafing, bei München
1942 Entlassung von Hans Kohn nach zwei Jahren Internierung im Camp Atlith
Hans und Alice melden sich zur Jewish Brigade, einer Einheit der 8. Armee der britischen Royal Army.
18.11.1943 Heirat von Alice Nossen mit Hans Kohn in Kairo während der Grundausbildung für die Jewish Brigade mit
Alice wird Soldatin der Jewish Brigade in der ATS (Auxiliary Territorial Service), einer Spezialeinheit für Frauen;
sie fährt LKW mit Munition von Kairo in die libysche Wüste für den Krieg gegen General Rommel.
Hans kommt mit der Jewish Brigade an die Italienfront 1944/45. Später an Schleuseraktionen der Jewish Brigade beteiligt („Bricha“); unter anderem schleust er auch seine beiden Schwager Willi und Herbert Nossen im DP Camp Feldafing aus Deutschland heraus
Dezember 1960 Kans Kohn stirbt an einer Krebserkrankung
27.4.1947 Vater Eugen mit zweiter Ehefrau Agnes auf dem US-Marinetransporter USS „Marine Marlin“ von Bremen nach New York mit Unterstützung des „Joint“
Juni 2004 Tod Alices in Spanien während einer Senioren-Gruppenreise in Spanien
Gedenken
20.9.1913 Stolperstein für die Mutter Bertha geb. Anschel und drei Ihrer Geschwister in Berlin, Platz der Vereinten Nationen 4/5, früher Landsberger Straße 120 im Beisein von Sohn Herbert
Juli 1999 Pages of Testimony für ihre Mutter Bertha und Tante Marie Cohn von Alice Livneh
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=9969550
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1128610
www.nivbook.co.il/product/המספר-105360/?lp
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/127212516?s=Nossen%201924&t=228868&p=0
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/10716987
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998