Steinitz Helmut

Helmut Zwi Steinitz

*1.6.1927 in Posen; ✡ 24.8.2019 in Tel Aviv

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Professor Hermann Steinitz *12.12.1894 in Beuthen; ✡2.6. 1942 in Belzec erschossen

Mutter Salomea Steffi Rein *30.9.1904 in Kalisz; Lehrerin; ✡2.6. 1942 in Belzec erschossen

Geschwister

mit dem Vater und Bruder Rudolf in Posen

Rudolf Steinitz *21.9.1928; ✡1.6.1942 in Belzec

Beruf Schlosser; Blumenhändler

Adressen

Heirat 1949 im Kibbuz Netzer Sereni Regina Anders *24.10.1930 in Berlin;

Kinder

Sohn Ami Steinitz *1.5.1952

Enkel Shira (1988) und Eran (1995) Steinitz

Tochter Shlomit Steinitz *18.8.1962

Weiterer Lebensweg

1936 Vater Hermann Steinitz Professor für Deutsch, Englisch, Französisch; Lehrerkollegium des Schiller-Gymnasium in Posen; 2. Reihe zentral (Pfeil)

1.9.1939 Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen

10.9.1939 Besetzung von Posen, Posen wird Hauptstadt des Warthegaus

Kurz nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Posen beginnen die Deutschen den Germanisierungsprozess von Posen; die polnische und jüdische Bevölkerung ca 100 000 Menschen werden aus Posen vertrieben; Familie Steinitz mit hunderten jüdischen Familien zunächst in ein Internierungslager bei Posen

November 1939 Deportation aus Posen mit dem Zug nach Krakau

März 1941 erste Verhaftung; Einweisung in das Ghetto Krakau, Paulińska Straße 30

31.5.1942 Selektion im Ghetto Krakau, Vater, Mutter und Bruder zur Deportation selektiert, Helmut ist ausgenommen, er bekommt eine Aufenthaltsgenehmigung für das Ghetto.

1.6.1942 Eltern und Bruder müssen sich zum Abtransport auf dem Sammelplatz in Krakau einfinden; Bericht:

„Der Vater, erschüttert und verbittert von all der deutschen Brutalität, hält es nicht mehr aus. In der Schlange vor dem Sammelplatz stehend schreit er die SS-Wachen an: »Ihr Mörder! Ihr Mörder und Verbrecher!« Es wird totenstill. Die am Lagereingang stehenden jüdischen Polizisten stoßen ihn durchs Tor, er verschwindet in einer Gruppe von Opfern oder Tätern.“

Dezember 1942 verhaftet und ins KL Plaszow deportiert

Dezember 1942 – Februar 1994 im KL Plaszow, Zwangsarbeit in der Autowerkstatt der Wehrmacht

Februar 1944 freiwillig als Schlosser ins KL Auschwitz II Birkenau;

Zwangsarbeit für Siemens im Auschwitz Außenlager Bobrek

Auschwitz-Häftlingsnummer 174251

18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge; „Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

Von Gleiwitz in Güterwaggons nach Buchenwald bei Weimar

Zvi Steinitz berichtet von der Verladung in offenen Güterwaggons in Gleiwitz:

„Doch waren die „Reichsbahn“-Waggons bereits überfüllt. Die Häftlinge standen eng aneinandergepresst, Körper an Körper. Unsere dürftige Häftlingskleidung konnte uns nicht schützen. Stunden verbrachte der Zug auf dem abgelegenen Gleis bei Gleiwitz, hungernd und frierend erwarteten wir die Abfahrt, ohne zu wissen, wohin wir verschleppt werden sollten.“

Zvi Steinitz berichtet von der Weiterfahrt über Prag:

„Wir waren viele Tage unterwegs, bis ein weit verzweigtes Gleisnetz die Nähe einer Großstadt ankündigte. Der Geisterzug hielt unter der Brücke eines Güterbahnhofs. Schnell sprach es sich herum, dass wir in Prag gestrandet waren. Wir erkannten Fußgänger, die von oben in die offenen Güterwagen sahen – und spontan halfen. Päckchen mit Essen wurden hinunter geworfen. Ich konnte meine Blicke von der Brücke nicht abwenden und bewunderte den Mut und die Barmherzigkeit der Prager. Zum ersten Mal seit Jahren füllten sich meine Augen mit Tränen…Ich wusste nicht, was noch bevorstand. Der Zug verließ Prag und fuhr nach endlosen Stunden durch bewaldetes Bergland. Gleise verzweigten sich, neue Anzeichen einer Stadt, dann die ersten Schilder: Weimar. Ich dachte an Goethe. Eisiger Wind fegte uns entgegen. Wir waren auf den letzten Schienenkilometern zum Todeslager Buchenwald.“

Block 51; Buchenwald-Häftlingsnummer 120573;

26.1.1945 Aufnahme im KL Buchenwald; Quarantäne; Block 51; Buchenwald-Häftlingsnummer 120573; Blockältester war der Tscheche Franz Mraz

20.2.1945 nach Absitzen der Quarantäne Verlegung in das KL Sachsenhausen und unmittelbare Überstellung in das Außenlager Haselhorst, das größte Außenlager des KL Sachsenhausen in Berlin-Siemensstadt nahe der Siemenswerke; zusammen mit Symcha Apfelbaum; Morgens zu Fuß in die Siemenswerke unter SS-Bewachung.

Ausladen von Barken an der Spree, Bauteile für den Barackenbau.

28.3.1945 das Lager wird bei allierten Luftangriffen durch Bomben völlig zerstört; zurück ins Stammlager Sachsenhausen

Bei der Rückkehr ist Lager Haselhorst völlig zerstört. Zur großen Freude der Häftlinge ist der Kartoffelkeller offen, sie machen sich über die Kartoffeln her.

Zählappell im KL Sachsenhausen 1941

21.4.1945 Räumung des KL Sachsenhausen; in den Morgenstunden werden über 30000 Häftlinge auf den Todesmarsch nach Mecklenburg getrieben

3.5.1945 Befreiung in Raben Steinfeld bei Schwerin

Registrierung im DP Camp Lübeck

DP Camp Lübeck über Hamburg mit der Jewish Brigade („Bricha“) nach Antwerpen geschleust; von dort im LKW-Konvoi der Jewish Brigade nach Antwerpen

17.3.1946 Von Marseille auf dem Alija Beth Schiff TEL HAI nach Haifa zusammen mit Isidor Philipp, Piese Zimche, Theo Lehmann, Fred Diament, Richard Löwenstein u.a.

27.3.1946 Ankunft in Haifa; vor Haifa wird das Schiff von der britischen Marine aufgebracht und übernommen; nach Ankunft in Haifa zunächst im Hafengelände eingesperrt; anschließend in das britische Internierungscamp Atlith

Landarbeit im Kibbuz

Kibbuz Afikim

1946 Umbenennung in Zwi (Hirsch)

1948 mit Frau Regina Anders-Steinitz

20.6.1948 Mitgründer gemeinsam mit anderen Überlebenden auf dem Landgut Bir Salem das Kibbuz Buchenwald (später: Netzer Sereni).

1951 verlässt das Ehepaar Steinitz den Kibbuz Netzer Sereni; zieht nach Tel Aviv; arbeitet im Blumengroßhandel; entwickelt sich zum Experten für Blumenexport, in dieser Funktion für ein paar Jahre nach Frankfurt und nach Holland

2007, 2009, 2010, 2012 und 2015 schreibt er fünf Bücher

4.9.2012 Bundesverdienstkreuz am Bande, in Tel Aviv vom deutschen Botschafter Andreas Michalis überreicht

 von Bundespräsident Joachim Gauck mit Frau Regina ins Schloss Bellevue eingeladen

Mai 2018 Verdienstorden des Landes Brandenburg

Gedenken

15.4.1999 Pages of Testimony für seinen Bruder Rudolf von Zwi Steinitz

Quellen

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://www.sachsenhausen-sbg.de/geschichte/1936-1945-konzentrationslager-sachsenhausen/

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de975022

http://www.zug-der-erinnerung.eu/aktuell/tel_aviv.htm

Zwi Helmut Steinitz, Als Junge durch die Hölle des Holocaust, 2006 Hartung Gorre-Verlag

Zwi und Regina Steinitz, Videointerview Mai und November 2011; Link www.sprechentrotzallem.de

Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7

Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013

Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998

www.80jahrepogrom.jgpb.de/erwin-angress/

Regina Steinitz, Regina Scheer, Zerstörte Kindheit und Jugend, Berlin, 2014

Barbara Kurowska, Daniel Baranowski, Zeitzeugen, Interview mit Regina Steinitz,2011

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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