Rajfeld Benno

Benno Benjamin Rajfeld

*27.2.1926 in Berlin;

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Moritz Theodor Rajfeld *4.11.1900 in Berlin ✡1.1.1927 in Berlin

Heirat der Eltern 2.1.1925 in Berlin; Marta zum jüd. Glauben konvertiert

Mutter Ottilie Martha Anders *9.11.1906 in Berlin ✡ 7.1.1940 in Berlin

Partner der Mutter nach dem Tod des Vaters Simon Welner *14.3.1905 in Krakau; ✡2.10.1987

Geschwister

Theo Rajfeld *21.12.1924 in Berlin; oo Shifra Woloski *1924

Stiefschwestern Zwillinge

Regina Anders *24.10.1930 in Berlin; Überlebende; oo 1949 Zwi Steinitz

Ruth Anders *24.10.1930 in Berlin; Überlebende; oo 1952 Simcha Malin

Beruf

Adressen Berlin, Auguststraße 54;

Heirat Ziva

Töchter

Martha מרתה

Gitit גיתית

Weiterer Lebensweg

1.1.1927 Vater stirbt an Tuberkulose in Berlin

Sein Mitarbeiter Simon Welner übernimmt das Fotoatelier

24.10.1930 die Zwillingsstiefschwestern werden in Berlin geboren

1.4.1932 Einschulung, 8 Jahre Volksschule

die Zwillinge Regina und Ruth vorn, die Brüder Theo und Benno mit ihrer Mutter Martha Rajberg 1936

6.-16.7.1938 Stiefvater Simon Welner auf der SS PRESIDENT ROOSEVELT von Hamburg nach New York

Heimatadresse Martha Rajfeld, Berlin

10.11.1938 Inszenierter Pogrom, Bruder Theo wird von der Gestapo aufgefordert, Deutschland zu verlassen, Schwester Regina berichtet:

»Eines Tages, es muss der 9. November 1938 gewesen sein, klopfte unsere Nachbarin an unsere Tür und was sie sagte, klingt mir noch heute in den Ohren: »Die stecken überall in Berlin die Synagogen in Brand. Und die Schaufenster der jüdischen Geschäfte werden eingeschlagen, es wird geplündert.« Mit »die« waren die Nazis gemeint, das war klar. Meine Mutter war zu krank, sie ging kaum noch auf die Straße, aber meine Brüder sagten sofort: »Wenn sie die Synagogen abbrennen, muss man die Thorarollen retten.« Meine Brüder liefen also los und ich hinterher, ich machte immer alles nach, was sie taten. Nebenan, in der schmalen Gasse, die Kleine Auguststraße heißt, brannte die Synagoge von Ahawas Scholaum, da überlegte man nicht lange, viele jüdische Leute löschten schon mit Kleidern und Jacken. Andere waren dabei, Bücher aus dieser brennenden Synagoge zu schleppen, viele waren angesengt, Gebetsbücher wie sie immer unter den Pulten lagen, Siddur und Machsor, Gebete für den Alltag und für die Festtage und für den Sabbat. Meine Brüder beteiligten sich an dieser Rettungsaktion und plötzlich waren da stapelweise diese angebrannten Bücher. Wohin damit? Auf der Straße war ja auch der Mob, der die Synagoge in Brand gesetzt hatte. Da schleppten sie die Bücher in unsere Wohnung. Weil meine Neugier größer war als meine Angst, lief ich plötzlich allein zur Rosenthaler Straße, bis zum Hackeschen Markt, schaute mir die jüdischen Geschäfte mit den zerschlagenen Scheiben an. Davor auf der Straße lagen Kleider, zerschlagenes Geschirr, Menschen liefen in die Geschäfte, warfen etwas hinaus, andere fingen das auf, rafften ihre Beute zusammen. Es war ein grauenhafter Anblick, die Leute waren außer Rand und Band in ihrer Gier.«

Dezember 1938 Bruder Theo mit Kindertransport nach England geschickt

17.5.1939 mit der Mutter und Bruder Theo in Berlin bei Minderheiten-Volkszählung

17.5.1939 die Zwillinge Ruth und Regina in Berlin-Mitte bereits im Kinderheim bei Minderheiten-Volkszählung

31.3.1940 Abgang aus der Jüdischen Schule

1940 Zur Hachschara nach Schniebinchen bei Sommerfeld, Niederlausitz

7.1.1940 Mutter stirbt an Tuberkulose in Berlin

Die Zwillingsschwestern kommen in das Jüdische Kinderheim Fehrbelliner Straße am Prenzlauer Berg¸ dort lernen sie Sylvia Wagenberg kennen, die Reginas beste Freundin wird

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung der noch bestehenden in „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager“

Juli -September 1941 Auflösung des Hachscharalagers Schniebinchen;

31.7.1941 Auflösung Schniebinchen, Ludwig Kuttner und seine Familie und eine Gruppe von Jugendlichen gehen ins Lager Paderborn, Fanny Bergas und andere ins Landwerk Neuendorf. Zunächst nach Neuendorf, dann weiter Verlegung in das Arbeitslager Teuplitz, Einsatz im Gutsbetrieb und beim Bahnbau Teuplitz duch das Arbeitsamt Forst/NSt. Triebel

Frühjahr 1942 bei Auflösung des Kinderheimes Fehrbelliner Straße kommen die Zwillinge in eine jüdische Pflegefamilie wie auch Sylvia Wagenberg, die meisten Kinder aber ins Auerbachsche Waisenhaus. Diese werden später nach Riga und Theresienstadt deportiert.

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

1943 Regina und Ruth mit ihrer Pflegefamilie von der Gestapo abgeholt und in ein Sammellager verbracht. Der nicht-jüdische Bruder der Mutter kann sie aber aus dem Sammellager holen, da ihre jüdische Identität bei nichtjüdischer Mutter und „unbekanntem Vater“ nicht feststehe.

Regina, Mathilde und Ruth Anders

Regina lebt fortan bei der Schwester Mathilde der Mutter, Ruth bei der Großmutter Anders.

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

10. 4.1943 Aus dem Forsteinsatzlager Teuplitz, Kreis Sorau, Gartenstraße 4

 mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager Große Hamburger Straße

19.4.1943 auf dem 37. Osttransport als Teil der Fabrikaktion, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde.

Esther Bejarano erinnert sich:

„Wohin der Zug fuhr, wussten wir nicht. Die Waggons waren überfüllt und wir konnten uns kaum bewegen. Wenn wir mal austreten wollten, mussten wir über die Menschen steigen, um an die Kübel in der Ecke zu gelangen. Die Luft in den Waggons war miserabel und wurde immer schlechter.“

20. 4. 1943 Ankunft in Auschwitz; Notiz im Lagerbuch von Auschwitz:

„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“

Benno Rajfeld wird die Auschwitz- Häftlingsnummer 117023 in den Unterarm tätowiert

15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten

18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge;

18.1.1945 Beginn des Todesmarsches der 10 000 aus dem KL Monowitz nach Nikolai

Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:

Arthur Posnanski:

„Wer am Straßenrand bei Eis und Schnee liegen blieb, wurde von den Posten erschossen. Ich marschierte mit dem Krankenbau. Walter Straass und ich nahmen Benno Rajfeld mit unseren eigenen letzten Kräften unter unsere Arme und schleiften ihn den ganzen Weg. Er schrie ununterbrochen: Ihr Mörder, lasst mich nicht zurück! In Gleiwitz wurde wir aufgeteilt …“

Asher Aud:

„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“

Sigmund Kalinski:

„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“

Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

19.1.1945 Weitermarsch von Nikolai zum Bahnhof Gleiwitz.Von Gleiwitz in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück. Benno Rajberg mit der Gruppe um Issy Philipp durch Tschechien nach Mauthausen.

Isidor Philipp berichtet:

„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“

Von Gleiwitz im offenen Güterwaggon nach Mauthausen, dort wegen Überfüllung abgewiesen; weiter nach KL Dora Mittelbau

Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.

1945 in Bergen-Belsen/Sandbostel

August 1945 Gehringshof

16./17.8.1945 Benno Rajfeld verläßt mit einer Gruppe von 80 Chaluzim (53 Männer, 27 Frauen) u.a. Esther Loewy-Bejarano N. 12 und Moritz Zauderer ) den Kibbuz Buchenwald Richtung Marseille

Alijah nach Palästina ab Marseille auf der SS MATAROA

Die SS MATAROA war ein britisches Kampfschiff gewesen, zu einem Passagierdampfer umgebaut. Die Reise wurde von der amerikanischen Armee organisiert, der das Lager „Kibbuz Buchenwald“ damals unterstand, und mit der britischen Mandatsregierung in Palästina abgestimmt.

Ankunft Haifa 8.9.1945 auf der SS מטרואה  MATAROA

Eine Woche im britischen Internierungslager, dann gehen alle 80 in den Kibbutz Afikim

Geht später in den Kibbuz Buchenwald -Netzer Sereni

Lebensweg der Familie

Die Zwillingsschwestern Regina und Ruth Anders, standen 1943 kurz vor der Deportation des Kinderheims in der Auguststraße nach Theresienstadt. Sie werden vom Onkel aus dem Sammellager geholt. Sie kommen bei der christlichen Tante, Onkel und Großmutter in Berlin unter.

Regina Anders als Kinderschwester in Jüd. Kinderheim 1945

1948 folgen die Schwestern nach Palästina in den Kibbuz Buchenwald – Netzer Sereni. Regina heiratet dort den Buchenwald -Überlebenden Zwi Steinitz.

1951 verlässt das Ehepaar Steinitz den Kibbuz

Familientreffen im Kibbuz Nezer Sereni, 1955  v. l. Benno Rajfeld, Regina Steinitz, Vater Simon Welner, Ruth Malin und  Bruder Theo

Gedenken –

Quellen

Regina Steinitz, Regina Scheer, Zerstörte Kindheit und Jugend, Berlin, 2014

https://de.wikipedia.org/wiki/Regina_Steinitz

Artur Posnanski, Ein Nach-Auschwitz-Bericht, autobiografischer Bericht für die UNO, 1985; in: Träume und Hoffnungen Heft 5, Ahrensdorf, undatiert

Barbara Kurowska, Daniel Baranowski, Zeitzeugen, Interview mit Regina Steinitz, 2011

Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 6182); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85

Video-Interview mit Issy Philipp 1994

Esther Bejerano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989

Esther Bejerano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013

Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen

Diethard Aschoff, „Jeden Tag sahen wir den Tod vor Augen“. Der Auschwitzbericht der Recklinghäuserin Mine Winter, in: VZ 94 – 96, 1995 – 97, Hrsg. W. Burghardt, S. 321 – 386

Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Danuta Czech, Lagerbuch von Auschwitz

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883

https://www.ortschroniken-mv.de/images/d/d9/MAL_KZ_Aussenlager.pdf

https://www.ernster.com/annot/564C42696D677C7C393738333839313434333533387C7C504446.pdf?sq=2

https://www.spiegel.de/geschichte/esther-bejarano-ist-tot-erinnungen-an-den-sommer-1945-a-06923ddf-6dc0-4c75-8136-011be044df7a
https://www.topfundsoehne.de/ts/de/service/mediathek/videos/2020/139178.html
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/127212883

Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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