Ludwig Kuttner
*9.4.1908 in Frankfurt; ✡ 15.4. 1943 in Auschwitz
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Moritz Kuttner *4.4.1878 in Bellersheim;
Heirat der Eltern 13.6.1907 in Frankfurt
Bella Steiermann *15.4.1882 in Frankfurt;
Mutter
Geschwister
Manfred Fritz Kuttner *13.10.1911 in Frankfurt; ✡Juli 1972 USA
Beruf Lehrer; Anthoposoph
Adressen
Heirat Hildegard Glücksmann *6.1.1905 in Breslau; ✡ März 1943 in Auschwitz
Kinder –
Michel Kuttner *27.4.1936 in Berlin; ✡ März 1943 in Auschwitz
Uri Kuttner *2.8.1939 in Berlin; ✡ März 1943 in Auschwitz
Weiterer Lebensweg
Lehrer an der Privaten Waldschule Kaliski,1878 jüdisches Tagesinternat für Jungen und Mädchen in Berlin
17.5.1939 mit Frau Hildegard und Sohn Michael in Berlin bei Minderheiten-Volkszählung
17.5.1939 Eltern mit Tante Frieda Kuttner in Frankfurt bei Minderheiten-Volkszählung
23.6.1939 Vertrag zwischen der RVJD und der Stadt Paderborn zur Errichtung des Umschulungs- und Einsatzlagers Paderborn, Grüner Weg 86
Sommer 1939 Ludwig Kuttner als Lehrer nach Schniebinchen
September 1939 zusammen mit Fanny Bergas (Wirtschaftsleiterin) Leiter Schniebinchen als Nachfolger von Alfred Cohn (1897-1977; Leiter Schniebinchen von April-September 1939)
1940 in der Hechaluz-Zentrale in Berlin zuständig für die Jüdische Jugendhilfe unter dem Leiter Alfred Selbiger; neben Kurt Silberpfennig für den Bachad und Sonja Okun für die Jugend-Alija
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung „Jüdisches Arbeitseinsatzlager Paderborn“
31.7.1941 Auflösung Schniebinchen; Ludwig Kuttner und seine Familie und eine Gruppe von Jugendlichen gehen ins Paderborn Lager
1.8.1941 als Nachfolger des abgesetzten Lagerleiters Hans Wachsmann vom Hechaluz nach Paderborn geschickt
Anfang August 1941 Letzte Tagung der Jugend-Alija-Leitung in Berlin
(v.l.n.r.) Lotte Kaiser, Artur Posnanski , Hans-Wolfgang Cohn, Sonja Okun, Alfred Selbiger, Ludwig Kuttner, Kurt Silberpfennig, Jitzchak Schwersenz, Herbert Growald; © Bildmaterial: Jitzchak Schwersenz, Yoav Gad
28.8.1941 Ehefrau und beide Söhne folgen aus Frankfurt ins Lager Paderborn
Erwin Angress berichtet:
„Ein Herr Kuttner, der bei uns im Lager war, hat sich mit seinem Kopf als Lagerleiter verbürgt, dass keiner aus diesem Lager irgendeinen Fluchtversuch unternahm. Aber wohin sollten wir auch flüchten?“
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert
27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Paderborn“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.
27.2-1.3.1943 die Lagerpforte wird von Polizisten bewacht, um Fluchten zu verhindern
Ludwig Kuttner, Lagerleiter und Marga Fuld, Wirtschaftsleiterin
1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Paderborn; mit der Bahn nach Bielefeld; mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz
2.3.1943 40 Stunden mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager in zwei geschlossenen Güterwaggons, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz
3.3.1943 Ankunft und Selektion in Auschwitz; Ernst Michel berichtet:
„Es gab nun zwei Reihen, beide rückten langsam voran. Männer an eine Seite, Frauen an die andere. … Issy schlurfte neben mir. Er war in Paderborn einer der charismatischen und zuverlässigsten Leiter. Er war dynamisch, optimistisch und stets hilfsbereit. Er war stark wie ein Stier. Er hatte Lilo in Paderborn geheiratet einige Wochen vor unserer Deportation. Sie war bereits auf der anderen Seite. Tränen rannen sein Gesicht hinunter. Ich berührte ihn. Er nickte nur.“
Chawer Ernst Michel über die Selektion an der Rampe von Auschwitz
„Der SS-Mann zeigte auf Ludwig. Er war in unserer Gruppe einer der ältesten. ‚Was ist ihr Beruf?‘. ‚Lehrer‘. ‚Sie haben zu antworten: ‚Ja, Herr!‘ Nimm Haltung an und nimm die Kappe ab., sobald ein SS-Offizier dich anspricht, verstanden?‘ ,Ja, Herr‘ Ludwig tat wie befohlen. ‚Hierher! Zur Erinnerung!‘ Der SS-Mann schlug ihm mit der Gewehr ins Gesicht. Ludwig versuchte nicht in die Knie zu gehen, während das Blut sein Gesicht herunterrann. Es gelang ihm, aufrecht zu bleiben.“
Ludwig wir zunächst nicht zur Arbeit ins Lager eingewiesen; dazu Ernst Michel:
„Die Reihe war nun geteilt. Ich war in der rechten Kolonne. Gerd ebenfalls. Andere bewegten sich nach links. Ludwig war nach links geschickt worden. … Wir mussten etwas tun. Alles geschah sehr schnell. Nachdem wir bei dem SS-Offizier vorbeigegangen waren, ließ einer unserer Freunde seinen Hut auf die linke Seite fallen, rief ‚Ludwig‘ aus und zeigte auf die Kappe. Ludwig verstand es, bewegte sich einen Schritt nach rechts, um die Kappe aufzunehmen, und gesellte sich unverzüglich unserer Gruppe zu.“
Kuttner kommt so zum Aufbau des IG-Farben Werkes Buna Monowitz, Häftlingsnummer 104968; Frauen mit Kindern wurden separiert und zumeist unmittelbar in die Gaskammern geschickt.
15.4.1943 Ludwig Kuttner im Krankenbau von Buna Monowitz aufgenommen
15.4.1943 Tod in Auschwitz- Monowitz
Ernst Michel schreibt, er sei in den Elektrozaun gegangen
Anneliese Borinski schreibt:
„Wenige Zeit später hörten wir, dass man ihn aus dem Krankenbau, schwach zwar, aber bei vollkommen klaren Bewusstsein, auf den Wagen, der die Menschen zur Vergasung brachte, wie ein Stück Holz geworfen hatte, da er sich weigerte, allein hinaufzusteigen.“
Gedenken
4.4.1990 Pages of Testimony für Ludwig Kuttner und Familie von Paderborn-Chawer Alfred Ohnhaus
24.10.2003 Pages of Testimony für Ludwig Kuttner und seine Familie von Enkelin Naomi Johnson
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998
www.80jahrepogrom.jgpb.de/erwin-angress/
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT430302-Paderborn1.jpg
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1039674
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de907118
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de907082
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1097195
www.80jahrepogrom.jgpb.de/erwin-angress/