Borinski Anneliese

Anna Anneliese Borinski später Ora Aloni

*5.9.1914 in Königshütte heute Chorzow; ✡ 1997 im Kibbuz Ma’ayan Tzvi

Staatsangehörigkeit deutsch

Religion jüdisch

Vater Dr. Paul Pinchas Borinski *27.4.1881 in Königshütte; Chemiker, Hygieniker; ✡1943 in Auschwitz

Heirat der Eltern 31.10.1913 in Berlin

Mutter Alice Rose Birnbaum *5.7.1892 in Berlin ✡ 3.3.1943

Onkel Oskar Borinski *17.11.1879 in Königshütte; Neuendorf; ✡April 1943 in Auschwitz

Cousine

Dorothea Weisskopf geb. Sussmann *27.12.1901 in Leobschütz; ✡Juni 1943 in Auschwitz; Ehefrau von Rudolf Weisskopf *15.10.1898 in Wronke; ✡ 1943 in Auschwitz

Geschwister

Fritz Schmuel Borinski *26.3.1919 in Königshütte; ✡2.12.2004 in Kfar Saba; oo Chana Silberzweig (1919-1998)

Beruf Lehrerin

Adressen Königshütte; Berlin; Ahrensdorf

Heirat Jakob Böhm, später Aloni

Kinder eins

Weiterer Lebensweg

Volksschule

Dorotheum- Oberlyceum Berlin

April 1933 Abitur

April 1933 Vater als Direktor im Hauptgesundheitsamt der Stadt Berlin entlassen

1934-1937 in Hamburger Kinderheimen als Praktikantin

1937-39 zusammen mit Jizchak Schwersenz auf der jüdischen Lehrerbildungsanstalt Berlin unter Dr. Bamberger

Sommer 1939 Abschluss mit Staatlicher Prüfung für Volksschullehrer, mit der Restriktion für jüdische Schulen

1.2.1939 Onkel Oskar Borinski von Berlin ins Landwerk Neuendorf im Sande

Herbst 1939 Anneliese als Madricha Nachfolgerin von Eva Schüler ins Landwerk Ahrensdorf, Hachscharaausbildung des Pfadfinderbundes Makkabi HaZair

15.5.1940 Rudolf Weisskopf, Mann der Cousine Dorothea als Kaufmann ins Landwerk Neuendorf im Sande

Mai-September 1941 Auflösung des Hachscharalagers Ahrensdorf;

27.5.1941 Verlegung von15 Chawerim aus Ahrensdorf in das Lehrgut Neuendorf im Sande;

5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Um­be­nen­nung der noch bestehenden in „Jü­di­sches Ar­beits­ein­satz­lager“

Juni-September 1941 Anneliese Borinski mit einer Aufräumgruppe von ca. 10 Chawerim in Ahrensdorf

1.10.1941 Übergabe von Ahrensdorf an den bisherigen Besitzer

6.10.1941 Anneliese Borinski führt letzten übriggebliebenen Chaluzim in das jetzt Arbeitslager genannte Landwerk Neuendorf im Sande;

8.1.1942 Cousine Dorothea Weisskopf ins Landwerk Neuendorf im Sande

November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“

20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“

März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz und ins „Generalgouvernement“ deportiert

8.3. und 19.3.1943 Anna schreibt zwei Postkarten an Eva Warburg und Willy Smulewitz in Stockholm, wo sie von der bevorstehenden Deportation nach Auschwitz berichtet

9.4.1943 Verhaftung der Neuendorfer Chaluzim

10. 4.1943 Aus Neuendorf mit LKW nach Fürstenwalde, von dort mit der Bahn nach Berlin; zu Fuß ins Sammellager Große Hamburger Straße

Ebenfalls auf dem Transport  aus Neuendorf der Onkel Oskar Borinski

Ora Aloni berichtet:

»In Berlin aussteigen! In Kolonnen antreten! Wir marschieren durch die Straßen, vor, neben, hinter uns: Bewachung. Die Berliner scheinen an Bilder dieser Art gewöhnt. Wir biegen in die Große Hamburger Straße ein. Und dann in das Haus, dessen große Tore sich öffnen, um sich hinter den letzten von uns wieder zu schließen.“

19.4.1943 auf dem 37. Osttransport als Teil der Fabrikaktion, allein 153 Personen aus dem Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde.

Rahel Moses berichtet:

„Am 19. April 1943, am Vorabend der Seder-Nacht, fuhr unser Transport ab. Die Waggontüren waren geschlossen, aber wir machten uns keine Hoffnungen. Wir waren junge Menschen voller Hoffnung. Und in dem überfüllten Viehwaggon hielten wir den Pessach-Seder so gut wir konnten. Wir kamen in Auschwitz an, … trennten die Jungen von den Mädchen, das Wichtigste für mich war, bei Rachel zu bleiben, wir beide waren nicht getrennt.“

„Mit einem Transport der RSHA […] sind etwa 1 000 jüdische Männer, Frauen und Kinder eingetroffen. Nach der Selektion werden 299 Männer, die die Nummern 116754 bis 117502 erhalten sowie 158 Frauen, die die Nummern 41870 bis 42027 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen.
Die übrigen 543 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“

Anna Borinski arbeitet in der Nähstube

15.1.1945 die Häftlinge in Auschwitz hören den russischen Kanonendonner 30 km aus dem Osten

18.1.1945 Evakuierung aller drei Auschwitz-Lager; ca 60 000 Häftlinge;

18.1.1945 Beginn des Todesmarsches mit 400 Frauen von Auschwitz- Birkenau nach Loslau

Auschwitz-Überlebende berichten von der Brutalität der SS-Leute während des Todesmarsches:

Zofia Posmysz:

„Der letzte Tag in Auschwitz war der 18. Januar. Nach drei Tagen und drei Nächten zu Fuß wurden wir in offenen Güterwagen nach Ravensbrück gebracht.“

Asher Aud:

„Wenn wir sind gegangen Totenmarsch, da sind keine Menschen gegangen, da sind nur Skelette gegangen.“

Sigmund Kalinski:

„Wer nicht konnte oder wer zur Seite war, wurde erschossen, bei ungefähr 15 bis 20 Grad minus in unseren Kleidern.“

Isidor Philipp berichtet:

„Wer sich hinlegte, wurde von den SS-Männern, die auf Motorrädern fuhren, erschossen.“

19. – 23.1.1945 Ankunft in den Eisenbahnknotenpunkten Gleiwitz und Loslau. Von Gleiwitz oder Loslau in Güterwaggons zu westlich gelegen Konzentrationslager wie Buchenwald, Ravensbrück

Isidor Philipp berichtet:

„Von dort begann dann – in offenen Kohlewaggons und bei 15 Grad unter Null – die Fahrt durch Polen, Tschechoslowakei und Österreich zurück nach Deutschland.“

21./22.1. 1945 Ankunft in Loslau

22.1.-27.1.1945 Ingeborg auf Transport in offenen Kohlewaggons über KL Groß-Rosen und KL Sachsenhausen (jeweils wegen Überfüllung abgewiesen) bis ins KL Ravensbrück; dort zunächst ins „Jugendlager“,

Nach Schätzungen starben bei diesen Räumungstransporten von Auschwitz insgesamt zwischen 9.000 und 15.000 Häftlinge.

März/ April 1945 bei Auflösung des „Jugendlagers“ für wenige Tage ins „Frauenlager“

Anfang April 1945 mit einem Personenzug ins Lager Malchow, Außenlager des KL Ravensbrück

April 1945 Erneute Todesmärsche“ mit jeweils 2000 bis 3000 Frauen in zahlreichen Kolonnen aus dem bereits überfüllten KL Ravensbrück in mehrere Richtungen. Geschwächte und kranke Häftlinge, die dem Marsch nicht mehr folgen konnten, wurden erschossen. Die etwa 1500 Überlebenden des ca. 60 km langen Fußmarsches, die im April 1945 im Außenlager Malchow ankamen, sollten hier nur wenige Tage bleiben.

April 1945 Ankunft im Außenlager Malchow.

17.4.1945 Eine Frauen-Gruppe wird erneut auf den Todesmarsch Richtung Magdeburg geschickt; mit dabei die Madricha Ora Borinsky, Johanna Lewy und andere, die sich mit einer Gruppe von sechs Frauen in Oschatz absetzen und verstecken; Borinski soll auf der Flucht in Oschatz von einem Schuss in den Rücken getroffen worden sein. Mit viel Glück gelang es ihnen in der Gegend von Leipzig, zu entkommen und in die schon befreiten Gebiete vorzudringen.

Ingeborg Petzal weiter mit der Hauptgruppe nach Leipzig in das Buchenwald-Frauenaußenlager Hugo Schneider AG (Hasag) Leipzig

April 1945 Befreiung durch die US Army; Rachel Moses berichtet:

„Und plötzlich aus dem Nichts und ohne Vorbereitung hörten wir den Ruf „Lauf, lauf in die Freiheit“. Das Chaos war groß …“

25.4.1945 Verlegung in das ehemalige KL Buchenwald

20.6.1945 Entlassen aus Buchenwald gemäß Beschluss einer alliierten Kommission

22.6.1945 als Begleiterin der „Buchenwald-Kinder“ mit einem Transport der Kinderhilfe des Schweizer Roten Kreuz SRK mit 375 Kindern aus Buchenwald nach Rheinfelden/Schweiz. Die Jungen kommen nach Felsenegg in eine alte Landwirtschaftsschule, die Mädchen nach La Rochelle in die frühere Klinik von Dr. Liengme in Vaumarcus. Dort ist sie mit dem gefälschten Geburtsdatum „5.9.1928“ geführt, um unter 16-Jährige durchzugehen, zur Täuschung der Behörden.

Verlegung mit der Mädchengruppe in das Zionisten-Heim in Bex

Herbst 1945 in Neuchatel-Bex, Niederschrift ihrer „Erinnerungen 1940-1943

1945 -1947 Mitarbeit im Continental Office der Jugendalija in der Schweiz

29.-30.6.1947 in Metz

1.-8.7.1947 in Marseille, Einschiffung zur Alija nach Palästina

10.7.1947 in Neapel

15 7.1947 Ankunft in Haifa

27.6.194? Ausstellung einer Identity Card in Haifa

Kibbuz Maayan Zwi

Sie ist die einzige der 12 Makkabi-Mitglieder, die ihren Teil der von Herbert Growald zerschnittenen Bundesfahne nach Eretz Israel brachte.

Schicksal der Eltern

10.11.1938 Vater verhaftet im Novemberpogrom, „Schutzhaft“ in Sachsenhausen

Dezember 1938 Entlassung des Vaters aus dem KL Sachsenhausen mit der Auflage, Deutschland zu verlassen

17.5.1939 Eltern in Hamburg Eppendorf, Hochallee 117 bei Minderheiten-Volkszählung

1939 Eltern von Hamburg nach Bergen, Norwegen emigriert;

9.4.1940 Überfall der Wehrmacht auf Dänemark und Norwegen

10.6. 1940 Kapitulation Norwegens; Besetzung Norwegens durch die Wehrmacht

26.11.1942 530 Juden über den Hafen von Oslo nach Deutschland verbracht in dieser Gruppe befand sich wohl auch der Vater Paul

24.2.1942 Mutter Alice mit dem Transportschiff GOTENLAND von Oslo nach Stettin mit 158 Juden aus Norwegen

27.2.1943 Ankunft in Stettin sie sollten sie laut RSHA-Planung mit mehreren an einen Regelzug angeschlossenen Sonderwaggons nach Berlin gebracht und ursprünglich an den 31.Osttransport vom 1.3.1945 angeschlossen werden.

2.3.1943 Mutter Alice ohne den Vater mit 158 Juden aus der Norwegen-Gruppe (mit den Transportnummern 1554-1711) auf dem 32. Osttransport von Berlin nach Auschwitz deportiert und ermordet

Der Weg des Bruders

Emigration nach Dänemark

19.7.1938 Ausstellung eines deutschen Passes in der Botschaft in Kopenhagen

29.8.1938 Ankunft in Tel Aviv

30.11.1947 Einbürgerung des Bruders in Palästina

Gedenken

11.8.1955 Vierzehn Pages of Testimony bei Yad Vashem für ihre Eltern, Onkel Oscar und weitere Verwandte sowie die Makkabi Funktionäre Alfred  Selbiger, Sonja Okun, Ludwig Kuttner, Günther Bär von Ora Borinski

Grabstein für Bruder Fritz auf dem Kfar Saba Nordau Old Cemetery

Quellen

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://www.infocenters.co.il/gfh/notebook_ext.asp?book=16018&lang=eng&site=gfh

https://www.infocenters.co.il/gfh/notebook_ext.asp?book=16252&lang=eng&site=gfh

https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1034834

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1034889

https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_ber_ot32.html

https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=10001294

https://www.ushmm.org/online/hsv/source_view.php?SourceId=48736

https://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=9999480

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/82492672

Staatsarchiv Israel, Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947

Peter W. Lande,  Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History

https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316

Harald Lordick, Das Landwerk Neuendorf: Berufsumschichtung – Hachschara – Zwangsarbeit; in Pilarczyk, Ulrike (Hrsg) Hachschara und Jugendalija, Schulmuseum Steinhorst, 2019

Lore Shelley (Editor), The Union Kommando in Auschwitz, Lanham, New York, London, 1996

Anneliese Ora-Borinski, Erinnerungen 1940 – 1943, Kwuzat Maayan-Zwi, Israel 1970

Anneliese Ora-Borinski, Todesmarsch Auschwitz-Ravensbrück in:Wiehn Erhard (Hrsg) Wer hätte das geglaubt, 2010, Hartung Gorre Verlag

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de

Staatsarchiv Israel, Einwanderungslisten

Harald Lordick, Landwerk Neuendorf in Brandenburg, in: Kalonymos, 2017, Heft 2

Esther Bejarano, Man nannte mich Krümel, Curio Verlag 1989

Esther Bejarano, Erinnerungen, Laika Verlag, 2013

Herbert Fiedler, Eine Geschichte der Hachschara; Verein Internationale Begegnungsstätte Hachschara-Landwerk Ahrensdorf e.V

Herbert und Ruth Fiedler, Hachschara, Hentrich & Hentrich 2004

http://www.hachschara-ahrensdorf.de/html/body_anfang.html

Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015

Urs Faes, Ein Sommer in Brandenburg, Suhrkamp 2015

https://objekte.jmberlin.de/person/jmb-pers-12574/Herbert+Sonnenfeld?se=Suche&qps=q%3DSonnenfeld

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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