Speck Martha

Martha Speck geb. Stern

*16.11.1892 in Goch, Kleve; ✡  ?

Vater Adolf Stern *1844 ; ✡ 1917

Mutter Helene Mertge *1860; ✡ 1924

Geschwister

v.l. Sophie und Otto Stern sowie Erna und Walter Valk mit Leni

Otto Stern *24.1.1889 in Goch; ✡ 2.11.1942 in Auschwitz; oo Sophie Heymann (*7.2.1893 in Odenkirchen)

Karl Stern *18.11.1890 in Goch; 16.10.1942 in Kleve; oo Elisabeth; Tochter Gerta

Fritz Stern *23.4.1897 in Goch; wohnhaft in Essen und Oeynhausen

Erna Stern *29.1.1906 in Goch; ✡ 10.8.1993 in Goch; oo Walter Valk (*3.6.1897 in Emden; ✡ 30.7.1962 in Goch; Tochter Leni Valk *28.9.1933; ✡ 21.5.1943 in Sobibor

Adressen Recklinghausen, Kellerstr. 21

Heirat Paul Speck *29.8.1886 in Greussen, Sondershausen, Erfurt; ev. Christ; „privilegierte Mischehe“

Kinder keine

Weiterer Lebensweg

Vater Adolf Stern Inhaber der Zigarrenfabrik »Stern & Co.« in Goch; Geschäftsführer der Feuerwehr

10.11.1938 Bruder Fritz Stern im Novemberpogrom inhaftiert, Essen, Henriettenstraße

17.11.1938 „Schutzhaft“ von Bruder Fritz Stern im KL Dachau

17.5.1939 mit dem Ehemann in Recklinghausen bei der Minderheiten-Volkszählung

Nach der Pogromnacht zieht Lehrer Erich Jakobs mit Frau Hetti und Baby Jethro in die Kellerstraße 21.

Februar 1939 Mutter Hetti Jacobs im Wochenbett wegen Mastitis (Brustentzündung) ins Krankenhaus, Jethro ins Kinderkrankenhaus

Erich Jacobs schreibt über die erfahrene Unterstützung durch Marta Speck:

„Unser Baby wurde krank. Meine Frau hatte nicht genügend Muttermilch. […] Ich erinnere mich nicht, wer unser Arzt war. Er kam, sah Jethro – wie schwach er war –, ordnete seine Überweisung in das Kinder-Krankenhaus an und meine Frau musste auch ins Krankenhaus. Das  Kinder-Krankenhaus ließ uns wissen, dass unser Baby Muttermilch braucht! Woher sollten wir Muttermilch nehmen? Es gab keine jüdische Pflegemutter mehr in Recklinghausen oder in der näheren Umgebung. Nichtjüdische Frauen würden es nicht wagen, ihre Milch für ein jüdisches Kind zu geben. Doch Gott hat uns nie verlassen. Er half uns auch in dieser Situation! Es lebte im gleichen Haus eine jüdische Frau, verheiratet mit einem Goj [Nichtjuden], eine Frau Speck (ein sehr passender Name für „Speck“ = Deutsch für „Bacon“). Obwohl sie einen Goj geheiratet hatte, fühlte sie sich immer noch „jüdisch“. Sie selbst hatte keine Kinder, aber sie liebte Kinder. Als sie hörte, dass wir Muttermilch für unser Baby brauchten, war sie bereit, eine „Gojish“ nach Muttermilch zu fragen. So bekam das Kinder-Krankenhaus Muttermilch für unseren Jethro. In diesem Krankenhaus gab es viele Kinder, die Muttermilch benötigten. Wir hörten, dass es eine Krankenschwester gab, die eine Nazi-Enthusiastin war. Anstatt die für unser Kind abgegebene Milch dem jüdischen Baby zu geben, gab sie es „deutschen“ Kindern. Und sie wäre froh gewesen, wenn das jüdische Kind gestorben wäre. Schon bald bekam ich den Hinweis, unser Kind doch nach Hause zu holen, denn im Krankenhaus würde es sicherlich bald sterben. Und wir nahmen Jethro mit nach Hause! Und das war das Beste: Jethro bekam jetzt zu Hause seine Muttermilch und nahm an Gewicht zu. Mama, die inzwischen aus dem Krankenhaus gekommen war, sorgte gut für unser fast verlorenes Kind….

7.7.1939 Bruder Otto emigriert mit Ehefrau Sofie nach Holland

16.10.1942 Tod von Bruder Karl Stern im Krankenhaus Kleve an den Folgen der Zwangsarbeit;

Bruder Karl Stern war Bankdirektor der Deutschen Bank in Goch und Saarbrücken;

er war für seine Frau Elisabeth zum katholischen Glauben konvertiert

14.10. -30.10.1942 Bruder Otto mit Ehefrau im Judendurchgangslager Westerbork

30.10.1942 Bruder Otto mit Ehefrau von Westerbork nach Auschwitz

19.9.1944 Martha Speck verhaftet in der „Mischehenaktion“; Deportation ins Zuchthaus Kassel

19.9.1944 – 11.4.1945 Zwangsarbeiterlager Elben für etwa 200 jüdische Frauen und Mädchen aus Mischehen

Mitbewohnerin Elly Eichenwald schreibt 1946 in einem Brief über Martha Speck:

„Doch etwas möchte ich Ihnen noch von Frau Speck schreiben. Keiner von uns, die wir zurückgekommen sind, kommen mit ihr zusammen. Sie hat sich nämlich, nachdem wir alle fort waren, taufen lassen u. ist eine fromme Katholikin geworden, geht fleißig zur Kirche, beichtet, etc. Herr Speck ist tot. Das Haus in der Kellerstr. ist nicht mehr bewohnbar.“

Der Weg von Schwester Erna und Ehemann Walter Valk nach Riga und Stutthof

10.12.1941 Von Goch über Krefeld, ab Düsseldorf ins Ghetto Riga;

22.12.1941 Ehemann mit 500 Männern aus den ersten Transporten Hannover, Kassel, Düsseldorf  vom Ghetto ins Außenlager zum Aufbau des KL Salaspils

Erna Valk in einer Fabrik zur Verarbeitung von Tierfellen

2.-16.8. 1942 Rückkehr des Ehemanns; nur 192 Männer zurück aus dem Außenlager Salaspils

3. November 1943 Auflösung des Ghetto Riga;

6. November 1943 Aufnahme KL Kaiserwald, Riga, Kasernierung in Außenlagern

Ab November 1943 Arbeit des Ehepaars in einem Baukommando; Erna später Vorarbeiterin beim ABA der Luftwaffe (Bekleidungsamt)

Sommer 1944 Auflösung des KL Kaiserwald, Riga

28.7.1944 Alle Personen unter 15 und über 50 Jahren werden selektiert im Wald von Bikernieki erschossen („Krebsbach-Aktion“); das Ehepaar bleibt verschont

Juli – September 1944 Transporte der Arbeitsfähigen aus Riga per Schiff nach Stutthof

6.8-9.8.1944 1. Großer Transport mit der „Bremerhaven“ von Riga nach Danzig

September 1944 Erna Valk zur Reichsbahn nach Bromberg

Erna gelingt 1945 auf dem Todesmarsch die Flucht aus einer stillgelegten Ziegelei in Falkenburg

Walter Valk von Stutthof über Buchenwald, Tröglitz nach Theresienstadt

9.8.1944 Ankunft in Stutthof

13.8.1944 Deportation mit dem Zug aus Stutthof in das KL Buchenwald

16.8.1944 Ankunft mit 1350 Männern aus Stutthof in Buchenwald

4 Wochen im Quarantänelager im KL Buchenwald, Unterbringung in Wehrmachtspferdeställen und Zelten im „Kleinen Lager“

8.9.1944 Walter Valk aus Buchenwald verlegt ins Arbeitskommando „Wille“, Hydrierwerke in Tröglitz, Braunkohleverflüssigung der BRABAG

7.4.1945 Befehl der SS, das Lager Tröglitz zu räumen; 3000 Häftlinge deportiert in offenen Güterwaggons mit dem Ziel KZ Theresienstadt

15.4.1945 Der Transportzug erreichte den Erzgebirgskamm. Auf dem Bahnhof Marienberg-Gelobtland zwingen amerikanische Jagdbomber den Zug zum Halten, was einige Häftlinge nutzen, um zu fliehen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 146 Häftlinge gestorben, die in einem Massengrab bestattet wurden. Während der Fahrt gelingt es einigen Häftlingen abzuspringen, und in die nahen Wälder zu fliehen.

17.4.1945 Vor dem Bahnhof Reitzenhain zerstören amerikanische Jagdbomber die Lokomotive. Viele Gefangene versuchen zu fliehen. Unter dem Kommando von Transportleiter SS-Oberscharführer Schmidt beteiligen sich Einwohner an der Jagd auf die Geflohenen. Dabei kommen weitere 388 Häftlinge ums Leben.

18.4.1945 Schmidt befiehlt den Fußmarsch Richtung Theresienstadt. Auf diesem Todesmarsch sterben weitere 354. Erst am 7. Mai werden die Überlebenden bei Kaplitze von tschechischen Partisanen befreit. Nur 2100 Häftlinge erreichen Theresienstadt lebend.

8.5.1945 Die Rote Armee erreicht Theresienstadt; zuvor hatte die SS-Wachmannschaft das Ghetto an das Rote Kreuz überantwortet

Gedenken

Grabstein der Eltern in Goch

Stolpersteine für Otto und Sofie Stern in Goch

23.9.2022 Stolpersteine für Elisabeth Stern, Karl Stern und Gerta Stern in Kleve, Nymeger Straße 58

Quellen

Wunder geschehen doch noch / Geschichte und Schicksal der jüdischen Familie Jacobs – Erich Jacobs, Hrsg. von Siegfried Homann, Karl-Heinz Martini, Franz-Josef Wiemer. Aus dem englischen Originalmanuskript übersetzt von Andreas Wiemer (Deutsche Ausgabe; ISBN 3-938481-00-5)

Brief der Elly Eichenwald an Familie Erich Jacobs, 1946; zur Verfügung gestellt von Friedel Jacobs an Gertrud Althoff

http://wp.ge-mittelkreis.de/webfrie05/webinsch/jupage/valkernabe.htm

Valk Erna, Meine Erlebnisse in der Zeit vom 10. Dezember 41 bis zum 30. Juni 45,
in: The Wiener Library, Ghetto Riga und Konzentrationslager Stutthof, P.III No. 367, S. 1-9

https://www.recklinghausen.de/Inhalte/Startseite/Ruhrfestspiele_Kultur/Gedenkbuch/_Opferbuch_selfdb.asp?form=detail&db=545&id=624

https://collections.arolsen-archives.org/de/document/7367005

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de977276

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de977568

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de977640

Heinz Reuter, Die Juden im Vest Recklinghausen, Vestische Zeitschrift Bd. 77/78, 1978/1979

Werner Schneider, Jüdische Heimat im Vest Gedenkbuch 1983

Werner Schneider, Jüdische Einwohner Recklinghausens 1816-1945, in: 750 Jahre Stadt Recklinghausen. 1236-1986, hrsg. von Werner Burghardt, Recklinghausen 1986

Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

Veröffentlicht von Franz-Josef Wittstamm

Geboren 31. Mai 1951 in Recklinghausen Gymnasium Petrinum 1961 bis Abitur1970 Studium der Humanmedizin in Bochum Approbation 1981 Promotion1982 Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin Im Ruhestand seit 2016

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