Ruth Weisner
*28.2.1929 in Unna; ✡ Oktober 1944 in Auschwitz
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Hermann Weisner *1882 in Krefeld ; ✡28.10.1930 im kath. Krankenhaus, Unna
Mutter Margarete Grete Rosenberg*4.1.1897 in Unna; ✡ Oktober 1944 in Auschwitz
Großvater Levy Rosenberg *7.3.1858 in Ahlen; ✡17.3.1913 in Unna
Großmutter Sophie Lazarus *8.2.1873 in Trier; ✡ 25.1.1920 in Unna
Geschwister
Ellen Weisner *27.8.1924 in Unna; ✡ Oktober 1944 in Auschwitz
Beruf Heimschülerin, Pflegerin
Adressen Unna, Königstraße 8, Gerhart-Hauptmann-Straße 8 bei Fam. Rosenberg
Heirat ledig
Kinder –
Weiterer Lebensweg
17.5.1939 Mutter Grete Weisner mit beiden Töchtern in Unna bei der Minderheiten-Volkszählung
Das Israelitische Altersheim für Westfalen in Unna, Düppelstraße 7 (1905-1942)
Zwischen 1933 und 1942 wohnten 162 Menschen Altersheim
1938 Witwe Grete Weisner mit ihren Töchtern hier als Pflegerin. Sie wohnen aber nicht im Heim selbst, sondern in einem kleinen Haus neben dem ehemaligen Synagogengebäude in der Stadt.
1942 endete die Geschichte des Israelitischen Altersheims, als zahlreiche Bewohner in das Konzentrationslager Theresienstadt und das Vernichtungslager Zamość verschleppt wurden.
22.7.1942 Die Mehrzahl der Heimbewohner und Mitarbeiter wird in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Nur eine Bewohnerin hat Theresienstadt überlebt
22.8.1942 Die letzten sieben bettlägerigen Bewohner Alten- und Siechenheim Wickenkamp am Lager Schloßhof nach Bielefeld transportiert
28.8.1942 Margarethe Weisner und ihre Töchtern Ruth und Ellen Weisner folgen nach Bielefeld
Tochter Ellen hatte bereits zuvor als Haushaltshilfe bei einem Ehepaar in Bielefeld gearbeitet
Das Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Schlosshofstraße 73 a
1939 Nachdem zahlreiche, in Bielefeld lebende Jüdinnen und Juden in „Judenhäusern“ zwangseingewiesen wurden, schloss die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) mit den jeweiligen Städten Verträge zur Errichtung der Umschulungs- und Einsatzlager in Bielefeld Koblenzer Straße 4 und Paderborn, Grüner Weg 86;
Anfang September entstand für zunächst 36 Praktikanten ein Wohn- und Arbeitslager in der Koblenzer Straße 4 (heute: Artur-Ladebeck Straße 6). Das Haus beherbergte zuvor die Praxis des nach Holland geflüchteten Orthopäden Dr. med. Bernhard Mosberg.
23.3.1940 wegen der räumliche Enge Wechsel von 57 Bewohnern in das Lager in der Schloßhofstraße 73a, einem ehemaligen Gutshof.
Dort bestand auch eine Unterkunft für alte und kranke Jüdinnen und Juden („Siechenheim“) als Einrichtung der RVJD. Vom Lager aus wurden die Männer kolonnenweise bei den Straßen-, Tief- und Gleisbauarbeiten der Fa. Nebelung & Sohn eingesetzt.
1940 erfolgte ein Austausch männlicher Bewohner mit dem Umschulungslager Paderborn; die zionistischen Chawerim wechselten nach Paderborn und umgekehrt. Allein am 9. und 10. Juni 1940 kommen 10 Paderborner in das Lager in der Schloßhofstraße 73a.
5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung „Jüdisches Arbeitseinsatzlager Bielefeld“
April 1942 Errichtung einer Baracke als Siechenheim Wickenkamp auf dem Gelände Schloßhofstraße 73a in Bielefeld.
Miite Juli Schreiben des RVJD Bezirksstelle Westfalen an die aufzulösenden Altenheime:
„Um die mangelnden Pflegekräfte zu ersetzen, ist beabsichtigt, die Schwerkranken und Siechen unseres Bezirkes in Siechenheimen zusammenzufassen. Wir müssen in den nächsten Tagen die Unterlagen über diese Fälle vorlegen und bitten deshalb um sofortige Ausfüllung und Rücksendung der Fragebogen.“
22.7.1942 Verbringung der sieben letzten, bettlägerigen und somit nicht deportationsfähigen Bewohner des Israelitischen Altersheims in das Alten- und Siechenheim Wickenkamp: Ida Löhnberg; Jonas Samuel (✡);Helma Goldschmidt (✡); Henriette(✡) und Abraham Baer(✡); Jakob Jakobsohn (✡) und Carl Landau(✡); ( ✡ in Klammern, 1942 noch in Bielefeld verstorben). Einzig Ida Löhnberg (*7.11.1853 in Unna) wird mit den Weisners am 12.5.1943 nach Theresienstadt deportiert; sie stirbt dort bereits am 27.6.1943.
27.8.1942 Grete Weisner mit beiden Töchtern aus Unna in Bielefeld, als 2. Wohnsitz angemeldet; Grete und Ellen als Angestellte der RVJD Westfalen
Herbst 1942 Errichtung von Baracken für junge Familien auf dem Gelände.
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
November 1942 Belegung des Siechenheim Wickenkamp: 9 Personen
Übergangsweise für einen Monat Leiterin: Johanna Heumann, Ehefrau Karl Heumanns
November 1942 Fürsorgerin Irene Kaufmann als USA-Staatsbürgerin verhaftet; Grete Weisner muss mit einer halben Stelle Kaufmann‘s Funktion ersetzen
Dezember 1942 Anstieg der Belegung auf 15 bis 16 Personen an, weil das Siechenheim in Dortmund nach und nach aufgelöst wurde
19.2.1943 Letzte Einweisung: Leo Rosenberg, am 12.5.1942 ebenfalls nach Theresienstadt
Von August 1942 bis Mai 1943 Verlegung von mindestens 31 bettlägerige Menschen nach Bielefeld in das letzte jüdische Alten-Siechenheim im RVJD-Bezirk Westfalen
20.2.1943 neue Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes für die „technische Durchführung der Evakuierung“
Ende Februar/März 1943 Reichsweite „Fabrikaktion“, alle noch in Arbeitslagern und kriegswichtigen Betrieben beschäftigten „Volljuden“ werden verhaftet und in Konzentrationslager nach Auschwitz deportiert, um den Arbeitskräftebedarf im Nebenlager Buna zu decken.
27.2.1943 Befehl von Wilhelm Pützer (1893-1945), Leiter des Judenreferats der Gestapo-Außendienststelle Bielefeld, das „jüdische Arbeitseinsatzlager in Bielefeld“ aufzulösen und deren Insassen und weitere Juden aus dem Sprengel bis zum 1. März, also zwei Tage später, nach Bielefeld zu bringen, wo sie „spätestens“ bis 13 Uhr im „Saal der Eintracht“ eintreffen mussten.
1.3.1943 Auflösung des Arbeitslagers Bielefeld, mit Bussen ins Sammellager Saal im Haus der Gesellschaft „Eintracht“ am Klosterplatz; Grete Weisner und ihre Töchter bleiben zurück.
2.3.1943 69 Insassen des Lager Bielefeld Schloßhofstraße ab dem Güterbahnhof Bielefeld für 40 Stunden im geschlossenen Güterwaggon, Transport Bielefeld über Hannover – Erfurt – Dresden nach Auschwitz zusammen mit allen 98 Chawerim aus dem Arbeitslager Paderborn.
12.5.1943 Grete Weisner auf Transport XI/2 mit beiden Töchtern mit Ida Löhnberg (s.o.) von Bielefeld nach Theresienstadt; insgesamt 40 Personen, davon 13 aus dem Schloßhof
1943 schreibt Ruth Weisner in einem Brief aus Theresienstadt von ihrer Hoffnung, das Ghetto bald verlassen zu können
12.10.1944 Grete Weisner auf Transport Eq mit beiden Töchtern von Theresienstadt nach Auschwitz
15.10.1944 Tod in Auschwitz
Gedenken
Gedenkstein der Synagogengemeinde Unna auf dem alten Westfriedhof
1.6.2005 Page of Testimony für Grete, Ellen, Ruth Weisner von Mike Redel, Researcher
23.9.2012 162 Stolpersteine für die Bewohner des Israelitischen Altersheim, so auch für Grete, Ellen und Ruth; vor dem ehemaligen Israelitischen Altersheim in Unna
Ruth-und-Ellen-Weisner-Gasse in Unna
Stolperstein für den Bruder Walter Rosenberg in Unna, Gerh.-Hauptmann-Straße 8
9.9.2022 Hinweisschild vor dem ehem. Jüdischen Altersheim zu den 162 Stolpersteinen
Quellen
Auszug aus dem Hausbuch Schloßhofstraße des Einwohnermeldeamtes Bielefeld (Signatur: StArchBi, Bestand 104,3 Einwohnermeldeamt, Nr. 1547)
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de989584
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de989581
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de989592
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/131787157
Daniel Hoffmann, Lebensspuren meines Vaters, Wallstein Verlag 2007
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_wfn_43a.html
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT430302_1.jpg
Margit Naarmann, Ein Auge gen Zion, Paderborn, 2000; ISBN3-89498-087-7
Ernest W. Michel, „Promises Kept – Ein Lebensweg gegen alle Wahrscheinlichkeiten“, 2013
Kurt Salinger, Nächstes Jahr im Kibbutz, Paderborn 1998