
Frieda Friedel Stern
*16.1.1917 in Leipzig; ✡29.10.2006 in Tel Aviv
Staatsangehörigkeit polnisch/staatenlos
Religion jüdisch
Vater Feiwel Stern; ✡Mai 1930

Mutter Luise Rosenfeld *20.10.1883 in Brody; ✡ 1942 in Riga
Geschwister
Heinz Stern *26.5.1918 in Leipzig; 21.12.2005
Anna Bella Stern *21.10.1924 in Leipzig; ✡ ?

Edith Stern *25.11.1925 in Leipzig
Beruf Landwirtschaftliche Praktikantin; in Israel berühmte Cartoonistin
Adressen Leipzig, Frankfurter Straße 5; Westerkappeln; Tel Aviv
Heirat –
Kinder –
Die Hachschara Bewegung
Alle vier Geschwister Mitglieder sind im Jüdischen Pfadfinderbund Makkabi HaZair
In den ersten acht Jahren der Nazi-Diktatur bis zum Beginn des Russland-Feldzuges 1941 wurden Auswanderungsaktivitäten jüdischer Organisationen nicht nur geduldet, sondern sogar gefordert.
Am 25. August 1933 wurde nach dreimonatigen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft zur Erleichterung der Emigration und Förderung des deutschen Exports eine entsprechende Vereinbarung geschlossen.
Im gesamten „Deutschen Reich“ entstanden überwiegend landwirtschaftliche Ausbildungsstätten für jüdische Mädchen und Jungen, sogenannte Hachschara-Stätten (Hachschara hebräisch für Ertüchtigung).
So bestanden 1935 31 Hachschara-Lehrbetriebe für Landwirtschaft und Gärtnerei in Deutschland, in denen sich die „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) durch Erlernen eines landwirtschaftlichen Berufs für ihre Auswanderung nach Palästina (Alija) vorbereiteten.
Der entsprechende Nachweis durch die jüdische Dachorganisation Hechaluz bildete die Voraussetzung für die Ausstellung eines Einreisevisums durch die britischen Behörden auf der Basis eines sogenannten „Arbeiterzertifikats der Kategorie C“. Von den ab 1933 nach Palästina auswandernden deutschen Juden gehörten „etwa 36 % zur »Mittelstandseinwanderung«, über das Kapitalisten-Zertifikat (Kategorie A), die 1000 Palästina Pfund mitbringen mussten. Etwa 32 % der Einwanderer waren Arbeiter der Kategorie C.
Zwischen 1933 und 1938 konnten mehr als 18.000 jüdische Jugendliche aus Deutschland emigrieren, überwiegend zur Alija nach Palästina. Das war etwa jeder vierte aus der Generation der 6- bis 25-jährigen.
Hof Stern in Westerbeck
Der erste Hachschara-Hof in Westfalen entstand in der Gemeinde Westerkappeln. Die Umschulungs- und Einsatzlager des RVJD in Bielefeld und Paderborn folgten erst später und bestanden von 1939 bis 1943. Die Brüder Leo (1900-1938) und Rudolf Stern (1898-1957) aus Osterkappeln hatten den Hof Elstroth, Westerbeck mit der Hausnummer 74 in der Gemeinde Westerkappeln mit 20 Hektar Land Ende 1932 bei einer Zwangsversteigerung erworben. In den Jahren 1933 bis 1938 verpachteten sie den Großteil ihres Hofes Stern an den jüdischen Pfadfinderbund „Makkabi Hazair“, der hier eine landwirtschaftliche Ausbildung für die mittlere und die reguläre Hachschara(>17 Jahre) anbot.
Januar 1934 Beginn der Hachschara; die ersten Chawerim heißen Henry Cohen (Altkarbe), Edgar Adamski (Leipzig) und Markus Lichter (Chemnitz)
1934-1938 arbeiteten und lernten hier 97 „Chaluzim“ (hebräisch für Pioniere) 31 Mädchen und 66 Jungen, im Mittel 19 Jahre alt. Manche blieben nur wenige Tage, andere bis zu eineinhalb Jahren zwei allerdings sogar zweieinhalb Jahre
1937 in Westerbeck auf dem Hof Stern 27 Bewohner gemeldet
Von Juni 1936 bis zum Februar 1938 verließen viele Jugendliche den Hof, zumeist in ihre Heimatorte, 18.2.1938 18 Personen abgemeldet aus Westerbeck. Dieser Exodus markiert wohl das Ende der strukturierten Hachschara-Ausbildung.
März -August 1938 nur noch fünf Chaluzim auf dem Hof gemeldet.
Die Leitung des Hofes lag zuletzt (Mai-November 1938) bei dem aus Syke bei Bremen stammenden Ehepaar Dora und Siegfried Löwenstein, die mit ihrer Tochter Grete auf dem Hof lebten.
9./10. November 1938 in der Pogromnacht überfiel ein SA-Trupp den Hof. Das Verwalterehepaar Löwenstein wurde brutal misshandelt, das Mobiliar wurde zerstört, Fensterscheiben wurden zerschlagen. Vier junge Männer lebten zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Hof Stern. Sie wurden ebenso wie der Verwalter Siegfried Löwenstein festgenommen und in Westerkappeln inhaftiert. Während Löwenstein nach einer Woche auf den Hof zurückkehren konnte, wurden die vier anschließend für einige Wochen ins KZ Buchenwald verschleppt. Nur Rudi Frank kann später nach Santo Domingo flüchten.
3.12.1938 Zwangsverkauf des Hofes an den Landwirt Heinrich Pöppelwerth aus Haustenbeck/Lippe
Weiterer Lebensweg
1929 Konkurs der elterlichen Textilwaren-Filialgeschäfte
Mai 1930 Vater Feiwel tödlich verunglückt
Die vier Geschwister Mitglieder im Jüd. Pfadfinderbund Makkabi HaZair
1934- Sommer 1935 Friedel Stern an der Kunstgewerbeschule in Leipzig

11.7.1935 Ausstellung eines Fremdenpass in Chemnitz
Sommer 1935 Friedel Stern auf Drängen der Mutter zur Hachschara auf den Hof Westerbeck/Stern, Hachscharalager des jüdischen Pfadfinderbundes „Makkabi Hazair“ auf Gut Westerbeck in Westerkappeln
5.8.1936 Ankunft in Haifa mit Hechaluz Arbeiter Zertifikat C /L/Sch.-B
Sie geht in den Kibbuz Maccabi
Ende 1937 Bruder Heinz zur Hachschara auf den Gehringshof bei Grüsen

10.11.1938 Bruder Heinz in Grüsen verhaftet im Novemberpogrom, „Schutzhaft“ in Buchenwald
6.12.1938 Entlassung des Bruders aus dem KL Buchenwald
Februar 1939 Bruder Heinz zur Hachschara nach Dänemark
Schwester Anna zur Hachschara ins Landwerk Ahrensdorf, Pfadfinderbund Makkabi HaZair
17.5.1939 Anna in Ahrensdorf bei Minderheiten-Volkszählung
17.5.1939 Mutter und Schwester Edith in Leipzig bei Minderheiten-Volkszählung
Juni 1939 Emigration von Anna nach Dänemark zur Hachschara auf einzelnen Bauernhöfen
5.12.1939 Ankunft in Haifa von Schwester Edith mit Kindertransport über Genua
5.11.1940 bei Volkszählung Anna in Lundsgade bei Kopenhagen als Pflegekind bei Familie Morrits Oppenhagen; Bruder Heinz registriert in Gelsted, Vends, Odense
Ausnahmezustand in Dänemark 1943
9.4.1940 Einmarsch der Deutschen in Dänemark; Dänemark bleibt in Teilen autonom bis zum Oktober 1943
29.8.1943 Die deutschen Besatzer verkünden den „Ausnahmezustand“ wegen zunehmender Widerstandaktionen
17.9.1943 Adolf Hitler befiehlt die Endlösung in Dänemark
September 1943 Anordnung von Werner Best, SS-Obergruppenführer und Generalbevollmächtigter für Dänemark
„Die Festnahme der zu evakuierenden Juden erfolgt in der Nacht vom 1. zum 2.10.43. Der Abtransport wird von Seeland zu Schiff (ab Kopenhagen), von Fünen und Jütland mit der Bahn Sonderzug durchgeführt“.
28.9.1943 der deutsche Diplomat Georg Ferdinand Duckwitz verrät die geplante Deportation bei einem treffenden mit dänischen Sozialdemokraten.
7700 Juden können sich mit Hilfe der dänischen Bevölkerung in einer Massenflucht über den Øresund (Ostsee) nach Schweden retten; zu den geretteten Chaluzim gehört auch Bruder Heinz
2.-5.10.1943 Schwester Anna auf dem Transport XXV/1 von 21 Chaluzim der Jugendalija in Dänemark, insgesamt 83 in Dänemark Inhaftierten nach Theresienstadt
Die weißen Busse von Theresienstadt nach Schweden
13.4.45 Vorbereitung auf den Abtransport in einer Kaserne in Theresienstadt
14.4.1945 Schwester Anna im Konvoi von elf weißen Bussen zur Befreiung der 450 dänischen Inhaftierten in Theresienstadt
Routen der schwedischen „Weißen Busse“
14.4.1945 Irrfahrt durch das zerbombte Berlin
Über Flensburg nach Odense auf Fünen
Weiße Busse aus Theresienstadt bei Ankunft in Haderslev, Dänemark
15.4.1945 von Odense nach Kopenhagen
5.5.1945 Kapitulation der Deutschen Wehrmacht in Dänemark
5.5.1945 SS verlässt Theresienstadt
8.5.1945 die Rote Armee erreicht Theresienstadt
1948 Reise nach Palästina per Schiff ab Genua
20.2.1948 Ankunft in Haifa auf der SS ARGENTINA
Schicksalsweg der Mutter
1939 -1941 Mutter in wechselnden Judenhäusern in Leipzig

21.1.1942 Mutter Luise Stern von Leipzig nach Riga deportiert; Tod vermutlich schon im März 1942 bei der „Dünamünde Aktion“
Friedel Stern in Palästina/Israel
5.8.1936 Ankunft in Haifa mit Hechaluz Arbeiter Zertifikat C /L/Sch.-B
Sie geht in den Kibbuz Maccabi
Grafik-Studentin an der Belazel-Akademie
10.2.1941 Einbürgerung in Palästina
1941 mit 21 Frauen im Sanitätsdienst der Royal Army in Italien; als Malerin wurde sie später mit Arbeiten zur Truppentarnung eingesetzt.
1945-1948 Zeichnerin im Vermessungsdienst in Israel

Von Yossi Stern als Karikaturistin für seine Zeitung angeworben

1950 Titelblatt des Tafriṭ, das Monatsmagazin für alle (יַרְחוֹן לְכֹל)
2003 zeigte sie in einer Einzelausstellung ihre Karikaturen im Beit Bialik.
9.2.-3.4.2005 auf der 5. „Karicartoon“-Biennale in Leipzig mit Werken vertreten
29.10.2006 Tod in Tel Aviv
Gedenken
21.4.1986 Pages of Testimony für die Mutter von Chana Bär-Stern
Grabstein für Friedel Stern auf dem Einat Cemetery, Israel
Mirjam Pressler, Ein Buch für Hanna, Beitz Verlag, 2011
23.11.1918 Verlegung der Stolpersteine für die Familie Stern in Leipzig, Jahnallee 5
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
Volkszählung in Dänemark von 1940 – Anna Bella Stern
Israel, Einwanderungslisten
Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947
https://en.wikipedia.org/wiki/Friedel_Stern
Von פרידל שטרןישראלית, ילידת גרמניה, 2006-1917 – אוסף פרידל שטרן, המוזיאון הישראלי לקריקטורה ולקומיקס, חולון, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=31259679
Thomas Mayer: Friedel Stern. Israels bekannteste Karikaturistin aus Leipzig, Berlin/Leipzig 2021
Volkszählung in Dänemark von 1940
Staatsarchiv Israel, Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947
Briefe einer Mutter 1939 bis 1942 / Leo Baeck Institute Archives
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/129830422
https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de977075
Peter W. Lande, Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History
https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316
Anneliese Ora Borinski, Erinnerungen
Herbert Fiedler, Eine Geschichte der Hachschara; Verein Internationale Begegnungsstätte Hachschara-Landwerk Ahrensdorf e.V
Herbert und Ruth Fiedler, Hachschara, Hentrich & Hentrich 2004
http://www.hachschara-ahrensdorf.de/html/body_anfang.html
Naftali-Rosenthal-Ron, Aufblitzende Erinnerungen, Autobiografie; deutsche Übersetzung von Alice Meroz, Berlin 2015
Urs Faes, Ein Sommer in Brandenburg, Suhrkamp 2015
https://objekte.jmberlin.de/person/jmb-pers-12574/Herbert+Sonnenfeld?se=Suche&qps=q%3DSonnenfeld