Werner Tobias Abel
* 24.1.1915 in Geseke; ✡ Todesort und Datum unbekannt
Staatsangehörigkeit deutsch
Religion jüdisch
Vater Rudolph Abel *17.4.1868 in Geseke; ✡ 18.9.1938 in Tanger Marokko
Mutter Bertha Fink *29.10.1881 in Nesselröden; ✡ 6.9.1936 in Geseke
Geschwister
Anneliese Abel *7.11.1907 in Geseke; Wuppertal; 1.7.1999 in Canton, NY; oo Ludwig Auerbach (*27.3.1900 in Langerfeld, Kreis Schwelm, ✡April 1987 Florida)
Halbschwester aus erster Ehe des Vaters mit Cora Gräfenberg *8.2.1875; ✡13.9.1904
Lotte Abel *15.2.1903 in Geseke; ✡6.11.1956 in Tanger; oo James Stern
Cousine Henriette Hecht 24.5.1895 in Datteln; ✡17.1.1945 in Stutthof oo Alfred Friedenberg
Beruf Kraftfahrer
Adressen Geseke, Hellweg 21; Wuppertal; Düsseldorf, Steinstraße 60; Berkenbrück; Kersdorf, Briesen;
Heirat 1940 Kläre Käte Levi *9.7.1920 in Tübingen
Kinder keine
Weiterer Lebensweg
Die Familie Abel in Geseke
In einem Bericht aus Geseke heißt es über die Familie:
„Die Familie Abel gehört zu den wenigen jüdischen Familien, welche über mehrere Generationen und damit einem längeren Zeitraum durchgehend in Geseke ansässig waren. Dies spiegelt sich auch in dem relativ hohen Anteil an Gräbern auf dem hiesigen jüdischen Friedhof mit allein neun Personen wieder. Der „Stammvater“ Jacob Abel wird als ein kränklicher Mann beschrieben, der in ärmlichen Verhältnissen vom Schlachten im Haus auf der Bäckstr. Nr. 15 lebte. Während sein Sohn Selig über Verlar nach Lippstadt verzog und die dortige Stammbaumlinie begründete, folgte Abraham als Handelsmann und Metzger in den Fußstapfen des Vaters auf der Bachstraße Nr. 48. In der folgenden Generation setzte mit Tobias Abel durch erfolgreichen Pferdehandel ein wirtschaftlicher Aufstieg ein. Er konnte seinen Söhnen Rudolph und Hermann jeweils ein Haus auf der Rosenstraße Nr. 18 und am Hellweg Nr. 21 übergeben. Siegmund, ein weiterer Sohn, fiel im Ersten Weltkrieg (s. Ehrenmal). Hermanns Sohn Theodor gelang die Ausreise nach Miami/USA und auch Rudolph entkam noch rechtzeitig nach Tanger/Marokko. Andere Mitglieder der Familie Abel konnten dem Nazi-Terror nicht entkommen und endeten in den Vernichtungslagern. Zu diesen Opfern gehörten u.a. Hermann Abels Frau Rosette, Werner u. Cläre sowie Henriette und Adele.“
10.11.1938 Vater Rudolph mit drei weiteren Juden in Geseke verhaftet im Novemberpogrom, „Schutzhaft“ im Polizeigefängnis
Bericht des Bürgermeisters von Geseke Reckhard, SS-Mitglied an die Gestapo in Dortmund:
„An die Geheime Polizeistelle Dortmund
Unter Bezugnahme auf die bereits heute gegen 6 Uhr früh durch meinen Sachbearbeiter erfolgte telefonische Meldung berichte ich wie folgt:
In der vergangenen Nacht kam es etwa gegen 3.30 Uhr zu Tumulten vor hiesigen Judenhäusern. Es handelte sich hierbei insbesondere um die Gebäude der Juden Artur Steinberg und Max Abel. Ersterer besitzt ein größeres Geschäftshaus, in dem dieser früher eine Eisenwarenhandlung betrieb, die aber seit geraumer Zeit an eien arischen Volksgenossen verpachtet ist. Während die Geschäftsräume sich im Erdgeschoß befinden und die Lagerräme im Dachgeschoß, bewohnt der Jude Steinberg selbst die dazwischen liegende 1.Etage. An dieser wurden sämtliche Fensterscheiben eingeworfen. Die Demonstranten verlangten stürmisch, daß der Jude Steinberg herunter kommen solle. Wie dieses nicht geschah, und die Haustür nicht geöffnet wurde, ist man mittels einer Leiter durch ein Fenster eingestiegen und hat den Juden gezwungen, mit nach unten zu kommen. Beschädigungen sind lediglich an den Fensterscheiben der von Steinberg bewohnten Etage erfolgt, während alle anderen Gebäudeteile, die verpachtet sind, völlig unversehrt blieben.
Inzwischen waren mehrere Demonstranten zu dem Gebäude des Viehjuden Abel gezogen, der an mehrere arische Volksgenossen vermietet hat, während er selbst die 1.Etage bewohnt. Man hat durch die im Erdgeschoß Wohnenden die Türe öffnen lassen, ist alsdann in die Wohnung Abel gegangen, hat Abel aufgefordert aufzustehen und mitzukommen und sämtliche Fensterscheiben an seiner Privatwohnung zertrümmert. Mittlerweile war der Standortführer der SS, der von irgend einer Seite telefonisch von den Vorgängen unterrichtet war, mit mehreren SS-Männern erschienen, der um Weiterungen zu vermeiden, die beiden Juden vorläufig in Obhut nahm. Die Demonstranten wollten nunmehr in die jüdische Synagoge eindringen, um wahrscheinlich dort ebenfalls zu demolieren. Über diese Synagoge steht der hiesige Polizei- bezw. Stadtverwaltung seit mehreren Wochen durch eine schriftliche Erklärung des hies. jüdischen Synagogenbeauftragten das vorläufig uneingeschränkte Verfügungsrecht zu. Aus diesem Grund hat der SS-Führer verhindert, daß irgendwelche Beschädigungen an der Synagoge vorgenommen wurden. Er ließ die beiden Juden in diese Synagoge hineinbringen und vorläufig unter Bewachung der SS stellen.
Inzwischen waren die Juden Herz und Kronenberg, die in arischen Häusern zur Miete wohnen, ebenfalls aus dem Bett geholt worden und wurden zur Synagoge gebracht.
Beschädigungen an jüdischen Wohnungen, die bei arischen Volksgenossen zur Miete wohnen, sind nicht vorgekommen. Durch die SS wurden die 4 Juden alsdann zur Polizeiverwaltung gebracht und dort, denn zu befürchten war, daß es zu weiteren Tätlichkeiten gegenüber ihnen kommen würde, zu ihrer eigenen Sicherheit vorläufig in Schutzhaft genommen. Auf Anordnung des diensthabenden Assessors bei der dortigen Stelle und um zu vermeiden, daß bei einer Freilassung der Juden weitere Ausschreitungen entstehen, werden dieselben bislang noch in Schutzhaft gehalten.
Personalbogen über die Juden werden in der Anlage beigefügt.„
Hachschara im Landwerk Neuendorf
Ca. 1940 Werner Abel von Düsseldorfzur Hachschara mit Ehefrau Kläre ins Landwerk Neuendorf, gemeldet im Nachbarort Bersenbrück5.7.1941 behördliche Anordnung zur Auflösung der Hachschara-Lager; Umbenennung der noch bestehenden in „Jüdisches Arbeitseinsatzlager“
Juli -September 1941 Auflösung der Hachscharalager Ahrensdorf, Gut Winkel. Havelberg; Verlegungen in das Lehrgut Neuendorf im Sande und Paderborn;
Von Neuendorf verlegt ins Forsteinsatzlager Kersdorf, Briesen; zuletzt Forsteinsatzlager Kaisermühl
November 1942 in Kraft tretendes Gesetz: „Alle im Reich gelegenen Konzentrationslager sind judenfrei zu machen und sämtliche Juden sind nach Auschwitz und Lublin zu deportieren.“
März 1942 und April 1943 wurden die noch in Neuendorf Verbliebenen gruppenweise deportiert.
Clara Grunwald schreibt in einem Brief vom 3.4.1942
„Ich muss dir etwas sehr trauriges mitteilen: einige 60 Menschen, ein knappes Drittel haben gestern fortfahren müssen und werden heute Charfreitag , um Mitternacht, nach Polen verladen..“
2.4.1942 Verhaftung von gut 60, besonders älteren, staatenlosen oder zuvor bei der Gestapo auffällig gewordenen Bewohner des Landwerks Neuendorf; Deportation auf Lastwagen in eine große Turnhalle nach Frankfurt/Oder, wo noch 100 Juden aus den Forst- und Ernteeinsatzlagern in Beerfelde, Hangelsberg, Hasenfelde, Jakobsdorf, Kaisermühl, Kersdorf, Pillgram, Schönfelde und Treplin hinzustoßen. Die älteren Deportierten sind zumeist 1940 aus dem Regierungsbezirk Schneidemühl nach Neuendorf, Pillgram, Treplin und anderen Lagern verbracht worden.
3.4.1942 Deportation auf dem XII. Transport von Berlin ins Ghetto Warschau; Abfahrt aus Frankfurt/Oder um Mitternacht; Adam Czerniaków, Vorsitzender des Warschauer Judenrats, verzeichnete in seinem Tagebucheintrag vom 5.4.42: „Um 8 trafen 1025 Deportierte aus Berlin ein.“
Tod von Werner und Kläre Abel vor dem 8.5.1945, Ort und Datum unbekannt
Flucht von Schwester Anneliese über RIGA, Gedynia nach New York
Flucht der Familie von Schwester Anneliese mit Ehemann Dr. med. Ludwig Auerbach und Tochter Marion nach Riga. Tochter Marion war 1931 in Geseke geboren worden.
22.9.1938 Passausstellung für Schwester Anneliese, Ehemann Ludwig Auerbach und Tochter Marion bei der deutschen Botschaft in Riga
28.9.-5.10.1938 Schwester Anneliese (Krankenschwester) mit Ehemann Dr. med. Ludwig Auerbach und Tochter Marion auf der SS PILSUDSKI von Gdynia nach New York
Als Kontaktadresse J. Rosenbaum in Riga
8.10.1938 sind sie in Hoboken, New Jersey gemeldet
1.4.1950 Tochter Marion beim US Census in einem Schwesternwohnheim der Uni Klinik in Canton
Gedenken
19.6.1974 Page of Testimony für Werner Abel von Schwester Anneliese Auerbach
Stolperstein für die Familie Abel in Geseke, Hellweg 21
Quellen
Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de827389
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de912530
http://www.kfkronenberg.com/deutsch2.htm
Passenger and Crew Lists of Vessels Arriving at New York, New York, 1897-1957 (National Archives Microfilm Publication T715, roll 6231); Records of the Immigration and Naturalization Service, Record Group 85
Volkszählung 1950 der Vereinigten Staaten
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/11220018
https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de
Peter W. Lande, Jewish „Training“ Centers in Germany, Manuskript von 1978 im Bestand des Centers for Jewish History
https://digipres.cjh.org/delivery/DeliveryManagerServlet?dps_pid=FL4311316